Eine schwere Erkrankung kostet Kraft. Die Barmer bietet aktiv Hilfe an: Bei Familien mit an Leukämie erkrankten Kindern übernimmt sie die Lotsenrolle auf dem Weg durch die Therapie.
Sie fühlen sich ständig müde, sind blass oder ihnen fehlt die Kraft zum Herumtoben. Wenn sie mit anderen Kindern spielen, bekommen sie häufig blaue Flecken oder Nasenbluten. Nach einer Erkältung brauchen sie oft doppelt so lange, um sich zu erholen. Kinder mit Leukämie zeigen Symptome. Aber viele Erkrankungsanzeichen sind so unspezifisch, dass die Diagnose die Eltern überraschend trifft.
Leukämie ist die häufigste Krebsart bei Kindern
Jedes Jahr erhalten rund 2200 Kinder in Deutschland die Diagnose Krebs. Bei etwa 600 davon handelt es sich um Leukämie. Das macht die auch als Blutkrebs bekannte Erkrankung zur häufigsten Krebsart bei Kindern unter 15 Jahren. Leukämie trifft vor allem 1- bis 5-Jährige und Jungen etwas öfter als Mädchen. Ihren Ursprung hat sie im Knochenmark. Also in jener schwammartigen Auskleidung der Knochen, in der neue Blutzellen entstehen. Bei Kindern mit Leukämie reifen manche der frischen Blutzellen nicht aus. Stattdessen vermehren sich die weißen Blutkörperchen unkontrolliert und verdrängen die gesunden Blutbestandteile.
Heute liegen die Heilungschancen bei Kindern mit Leukämieerkrankungen bei bis zu 90 Prozent. Der Weg dorthin ist für die Familien schwer. „Häufig gibt es keinen selbstverständlichen Familienalltag mehr“, sagt der Barmer-Mitarbeiter Daniel Höffner. „In der Regel übernimmt ein Elternteil die begleitende Rolle, ist die meiste Zeit mit dem Kind im Krankenhaus. Der andere Elternteil muss das Private managen.“ Es gilt den Haushalt und gegebenenfalls Geschwisterkinder zu versorgen, sich um das alltägliche Leben ebenso wie um Fragen rund um die Therapie zu kümmern. Per Gesetz dürfen Eltern sich für die Pflege eines krebskranken Kindes im Rahmen gewisser Fristen freistellen lassen oder die Arbeitszeit verkürzen. Sie erhalten in dieser Zeit jedoch keine Entgeltfortzahlung. Die Erkrankung des Kindes bedeutet deshalb in jeder Hinsicht eine Ausnahmesituation für die Familie.
Individuelle Begleitung für Familien mit an Leukämie erkrankten Kindern
Die Barmer erprobt deshalb ein neues Angebot: den Versorgungslotsen Leukämie bei Kindern. Seit Februar 2024 betreuen eigens dafür geschulte Mitarbeitende als persönliche Lotsinnen und Lotsen sämtliche bei der Barmer versicherte Familien mit einem an Leukämie erkrankten Kind. „Derzeit sind dies bis zu 100 Familien“, sagt Daniel Höffner. Als Projektleiter ist er für den strategischen Rahmen des Projekts zuständig. Dessen Ziel: Die Versicherten engmaschig durch die schwierige Phase zu begleiten und ihnen das gebündelte Fachwissen der Krankenkasse zugänglich zu machen. Obwohl die Versorgung in Deutschland gut ist, stellt es für die Eltern oft eine Herausforderung dar, sich in einem komplexen Gesundheitssystem rasch zurechtzufinden. Sie haben Angst, machen sich Sorgen. Und angesichts der Bedürfnisse des Kindes fehlt ihnen für vieles schlicht die Zeit.
Wegweiser im komplexen Sozialsystem
Das kennt auch Maike Bauer (Name von der Red. geändert). Im April 2024 wurde bei ihrem 15-jährigen Sohn Leukämie festgestellt. „Seitdem sind entweder mein Mann oder ich täglich fünf bis sechs Stunden bei ihm im Krankenhaus“, sagt sie. Eine Herausforderung: Bauer ist selbst seit 2023 wegen Brustkrebs in Behandlung. „Mir geht es angesichts der Chemotherapie relativ gut“, berichtet sie. „Aber wir haben eine eigene Firma, ich muss nebenbei irgendwie arbeiten und habe noch einen kleinen Sohn.“ Zudem pflegt Bauer ihre Mutter. Durch die Erkrankung ihres Sohnes hat sie nun zusätzlich mit wechselnden neuen Formalitäten zu tun. „Ich muss gefühlt 100.000 Anträge ausfüllen“, sagt sie. Mal geht es um Fahrtkosten, dann um die Feststellung des Pflegegrades für den Sohn oder um Hilfsmittel wie Dusch- oder Rollstuhl. Letztere hätte Bauer gerne schon zuhause, wenn ihr Sohn aus dem Krankenhaus entlassen wird. Wann das sein wird, ist für sie aber noch gar nicht abzusehen. „Was schreibe ich also in den Antrag?“
Betroffene Familien haben bei der Entwicklung des Lotsenangebotes geholfen
Es sind unter anderem solche Fragen, bei denen der Versorgungslotse der Barmer unterstützt. Im Rahmen des Pilotprojekts steht jeder Familie eine eigene Lotsin oder ein Lotse zur Seite, die in den verschiedenen Abschnitten der Therapie telefonisch und schriftlich Orientierung geben. Um diese Mitarbeitenden entsprechend zu schulen, wurde der Versorgungslotse gemeinsam mit Betroffenen entwickelt. „Wir haben unter anderem Interviews mit Familien geführt, bei denen die Erkrankung des Kindes längere Zeit zurückliegt“, sagt Daniel Höffner. „Von ihnen wissen wir, welche Hilfestellungen oder Informationen sich Versicherte in dieser Situation von ihrer Krankenkasse wünschen.“
Die Lotsinnen und Lotsen sprechen auch persönliche Dinge an: Zum Beispiel, wie wichtig es ist, dass die Eltern aktiv mit den Geschwistern des Kindes über das sprechen, was in der Familie gerade los ist. „Es kommt vor, dass Geschwister sich vernachlässigt fühlen, weil die Eltern so überlastet sind“, so Höffner. Und auch die Eltern selbst müssen zuweilen daran erinnert werden, auf sich zu achten. „Wir raten ihnen, sich für die Zeit im Krankenhaus immer ausreichend Essen und Trinken mitzunehmen.“ Ein Ratschlag, der aus den Interviews hervorging: Einige der Betroffenen hatten berichtet, dass sie ihrem Kind nicht von der Seite weichen wollten und darüber in die Unterernährung gerutscht seien.
„Ich finde es hilfreich, dass ich eine Ansprechpartnerin habe, anstatt mit wechselnden Sachbearbeitenden zu sprechen“, sagt Maike Bauer. „Aber die Antworten, die ich bekomme, sind dennoch manchmal unbefriedigend.“ Denn bei manchen Problemen ist eine Krankenkasse schlicht machtlos. Maike Bauer steht beispielsweise eine Haushaltshilfe zu. In Frage kommende Unternehmen können bisweilen wegen Arbeitskräftemangels nicht immer sogleich neue Aufträge annehmen. „Solche Erfahrungen und generell die viele Bürokratie in Deutschland können einen zermürben – gerade, wenn man eigentlich andere Dinge im Kopf hat“, so Bauer.
Aktiv Hilfe anbieten
Menschen mit schweren Erkrankungen brauchen aktive Unterstützung. Denn je mehr ihre Erkrankung sie fordert, desto schwieriger wird es für sie, sich selbst um Hilfe zu kümmern. Hier setzt die Barmer an: „Solche Lebensphasen sind belastend und die Menschen suchen Sicherheit und Unterstützung. Aber dann verzweifeln sie an komplexen Anträgen und undurchsichtigen Prozessen, weil sie eben keine Sozialrechtsexperten sind“, so der Vorstandsvorsitzender der Barmer, Prof. Dr. Christoph Straub. „Ich kann gut verstehen, dass sich Versicherte in solchen Situationen hilflos fühlen. Das darf nicht sein.“
Erfolg auch beim Thema Brustkrebs
Das Lotsenprojekt ist ein Weg der Krankenkasse, auf ihre Versicherten zuzugehen, um ihnen unmittelbar und schnell zu helfen. Gestartet ist es bereits 2021 mit dem Versorgungslotsen Brustkrebs. Nach zwei erfolgreichen Jahren wurde dieser mittlerweile in das reguläre Angebot der Barmer überführt. „Es hat sich gezeigt, dass wir die betroffenen Frauen in den verschiedenen Phasen ihrer Erkrankung eng begleiten und unterstützen können“, sagt Daniel Höffner. Das bestätigt Maike Bauer. So wie eine Lotsin nun Fragen zur Therapie des Sohnes beantwortet, wurde Bauer bereits während ihrer eigenen Chemotherapie von einer Lotsin unterstützt. „Ich kann sie direkt kontaktieren, habe auch ihre Diensthandy-Nummer für den Notfall“, so Bauer. „Meine Lotsin ruft innerhalb eines Tages zurück oder antwortet auf meine E-Mail. Das funktioniert sehr gut.“
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Brustkrebs betrifft fast 17.000 der Versicherten. Sie alle so individuell zu betreuen, ist leider nicht machbar. Damit dennoch möglichst viele Betroffene von der Hilfestellung profitieren können, prüft die Krankenkasse eine digitale Version des Angebots: Die Informationen, anhand derer die Lotsinnen und Lotsen bislang noch einzelne Versicherte begleiten, sollen zukünftig für alle Brustkrebspatientinnen in deren elektronischer Patientenakte, der Barmer eCare verfügbar sein.
„Wir haben gute Erfahrungswerte, welche Themen in den verschiedenen Phasen der Therapie wichtig werden“, so Daniel Höffner. Und ein erster Testlauf habe gezeigt, dass selbst nicht so Internet-affine Patientinnen gut mit der digitalen Version zurechtkämen.
Das Lotsenprojekt Leukämie bei Kindern soll vorerst weitere neun bis zwölf Monate laufen. „So viel Zeit müssen wir in der Regel für die Therapie einplanen“, sagt der Barmer-Mitarbeitende Daniel Höffner. Dann wird evaluiert. Höffner ist jedoch zuversichtlich, dass das Angebot nicht nur bestehen bleibt, sondern kurzfristig andere Krebsarten bei Kindern in den Piloten integriert werden.
Für weitere Informationen zu diesem individuellen Unterstützungsangebot für unsere Versicherten kontaktieren Sie uns bitte per E-Mail an Versorgungslotse@barmer.de
Literatur:
- Kinderkrebs Forschung (Abruf vom 09.05.2024): Leukämien bei Kindern. Häufig, aber nicht hoffnungslos
- Spiegel (Abruf vom 09.05.2024): Blutkrebs: In Deutschland haben Kinder die besten Überlebenschancen
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (Abruf vom 09.05.2024): Akute lymphoblastische Leukämie (ALL) – Kurzinformation
- Yale Medicine (Abruf vom 09.05.2024): Leukemia in Children
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