Prof. Dr. Stephan Alexander Böhm
Social health@work

"Mobile Arbeit gesund und erfolgreich gestalten" - Interview mit Prof. Stephan Böhm

Lesedauer unter 3 Minuten

Interview

  • Internetredaktion Barmer

Zur Person

  • Prof. Dr. Stephan A. Böhm (Universität St.Gallen) ist Autor der Studie social health@work

Die moderne Arbeitswelt stellt die Beschäftigten vor neue Herausforderungen und verlangt von Unternehmen neue Wege in der Gesundheitsförderung. Prof. Dr. Stephan A. Böhm von der Universität St.Gallen analysiert das soziale Wohlbefinden im Arbeitskontext und leitet daraus Handlungsempfehlungen ab.

Herr Prof. Böhm, der Wandel hin zu mehr Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeit hat in den letzten Jahren einen enormen Schub erfahren. Welche Ergebnisse können Sie aus Ihrer Forschungsarbeit ableiten?

Prof. Stephan Böhm: Der Trend hin zu mehr digitaler sowie örtlich und zeitlich flexibler Arbeit ist in allen Industriegesellschaften seit vielen Jahren feststellbar. Die weltweite Corona-Pandemie hat hier nochmals als Katalysator gewirkt und den Umfang und die Schnelligkeit dieses Transformationsprozesses in beispielloser Weise gesteigert. Die repräsentative Studie ermöglicht es uns jetzt erstmalig, mittels eines anspruchsvollen Forschungsdesigns Entwicklungen zu mobiler Arbeit über die Zeit zu analysieren. Das bedeutet, wir können auf Basis der vorliegenden dritten Erhebungswelle kausale Rückschlüsse ziehen und evidenzbasierte Empfehlungen ableiten zum Umgang mit digitaler und flexibler Arbeit.

Die Pandemie hat Firmen und Mitarbeitende zu neuen Arbeitsmethoden gezwungen. Hat sich auch langfristig unsere Einstellung zu mobiler Arbeit verändert?

Prof. Stephan Böhm: Nach nunmehr zwei Jahren Corona-Pandemie zeigt sich, dass es in den meisten Unternehmen kein Zurück zu den alten Formen der Zusammenarbeit geben wird. Vielmehr etablieren sich neue Formen der Kooperation, die oftmals hybrid ausgelegt sind und Tätigkeiten im Büro mit mobiler Arbeit kombinieren. Das heißt aber auch, dass der Wandel hin zu dieser neuen Arbeitswelt aktiv gestaltet werden muss, da sowohl Chancen wie die erhöhte Flexibilität und Autonomie aber auch Risiken wie Entgrenzung und Überforderung bestehen. Die Studie social health@work kann hierbei eine zentrale Rolle spielen, da sie für Mitarbeitende, Teams und Organisationen evidenzbasierte Schlussfolgerungen zur gesunden Gestaltung der Arbeit 4.0 erlaubt.

Sie unterscheiden drei Ebenen in Unternehmen. An welcher Stelle sollten Veränderungen ansetzen, um zum Beispiel die Gesundheitskompetenz zu fördern?

Prof. Stephan Böhm: Neben der physischen und mentalen Gesundheit sind im Arbeitskontext auch soziale Beziehungen für unser Wohlbefinden wichtig, die sogenannte social health. Um herauszufinden, was digitale Arbeit mit uns macht, beziehen wir in unserer Forschung drei Unternehmensebenen mit ein: die Dimension des Individuums, des Teams sowie der Organisation. Auf diesem Weg können wir aufzeigen, wie Beschäftigte, gesunde Verhaltensweisen und Arbeitsbeziehungen entwickeln und nutzen, um das Spannungsfeld von Erreichbarkeit und Abgrenzung, Autonomie und Eingebundenheit sowie Produktivität und Erholung erfolgreich und gesund zu gestalten. So zeigt die Studie beispielsweise, dass durch einen höheren digitalen Reifegrad langfristig die Stresswahrnehmung der Mitarbeitenden sinkt.

Welche Gesundheitsrisiken stehen bei mobiler Arbeit im Vordergrund? Und wie können Firmen, Beschäftigte und Krankenkassen dem begegnen?

Prof. Stephan Böhm: Unternehmen sind gefordert, bei den Veränderungen durch die Digitalisierung ein Gefühl des Fortschritts zu vermitteln und die Mitarbeitenden aktiv beim Wandel zu unterstützen, etwa durch Schulungsangebote, Coaching, geeignete Infrastruktur und Ausstattung. Unsere Studie zeigt, dass mobiles Arbeiten für viele zur Normalität geworden ist. Das führt zwar einerseits zu einer zunehmenden Entgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben, die regelmäßig Konflikte und Stress verursachen. Andererseits geben die Befragten an, auch in Zukunft an bis zu drei Tagen pro Woche mobil arbeiten zu wollen. Gemeinsam haben wir es in der Hand, die Arbeitswelt von morgen inklusiver, gesünder und nachhaltiger zu machen. Die Studie untersucht daher, inwieweit mobil Arbeitende durch ein aktives Grenzmanagement in örtlicher, zeitlicher und kommunikativer Hinsicht ihr Wohlbefinden steigern können.