Aktuelle Gesetzgebung

Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG)

Lesedauer unter 19 Minuten

Abgeschlossen und in Kraft getreten

Termine Gesetzgebung

11.05.2019Inkrafttreten
(01.10.2020 Regelungen zur Erhöhung der Festzuschüsse für Zahnersatz
01.01.2022 Ambulante Kodierrichtlinien)
12.04.20192. Durchgang Bundesrat
14.03.20192./3. Lesung Bundestag
13.02.20192. Anhörung im Gesundheitsausschuss
16.01.2019Anhörung im Gesundheitsausschuss
13.12.20181. Lesung Bundestag
23.11.20181. Durchgang Bundesrat
26.09.2018Kabinettsbeschluss
22.08.2018

Verbändeanhörung

23.07.2018Referentenentwurf

Wesentliche Inhalte des Gesetzes

  • Weiterentwicklung der Terminservicestellen – Zuständigkeit auch für Akutfälle
  • Ausweitung der Mindestsprechstundenzeiten von 20 auf 25 Stunden, Einführung einer offenen Sprechstunde
  • Unterversorgte Gebiete: Sicherstellungszuschläge, die Einrichtung von KV-Eigeneinrichtungen und Strukturfonds werden verpflichtend
  • Finanzielle Anreize für Vertragsärzte: Zahlreiche Leistungen werden extrabudgetär vergütet
  • Erhöhung der Festzuschüsse für Zahnersatz von 50 auf 60 Prozent
  • Einführung verbindlicher Kodierrichtlinien
  • Verpflichtung der Kassen, die elektronische Patientenakte anzubieten
  • Betreuungsdienste werden Teil der Regelversorgung in der Pflege

So positioniert sich die Barmer

Vertragsärztliche Versorgung

Ein Ziel des Terminservice- und Versorgungsgesetzes ist es, die Versorgung in ländlichen, tendenziell unterversorgten Gebieten sicherzustellen. Wird in einer Region Unterversorgung festgestellt, soll in Zukunft die Zahlung von Sicherstellungszuschlägen für Ärzte durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) verpflichtend werden. Der Landesausschuss aus Ärzten und Krankenkassen entscheidet also nicht mehr, ob Zuschläge gewährt werden, sondern nur noch über deren Höhe.

Weiterhin werden die Kassenärztlichen Vereinigungen in unterversorgten Regionen verpflichtet, Eigeneinrichtungen zu betreiben. Den Kassenärztlichen Vereinigungen ist freigestellt, dazu Kooperationen unter anderem mit Krankenhäusern einzugehen und mobile Praxen, Patientenbusse sowie mobile oder digitale Sprechstunden anzubieten.

Auch die Einrichtung von Strukturfonds zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung soll für alle Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtend werden, das hälftig von Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen zu finanzierende Fördervolumen wird von 0,1 auf bis zu 0,2 Prozent der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen verdoppelt. Geplant ist, die Finanzmittel auch für die Förderung von Eigeneinrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und für lokale Gesundheitszentren, für die Förderung des Betriebes der Terminservicestellen, für die Erteilung von Sonderbedarfszulassungen sowie für die Entschädigung von Ärzten aufzuwenden, die freiwillig auf eine Zulassung verzichten.

Schließlich wird den obersten Landesbehörden in ländlichen Regionen mit Zulassungsbeschränkungen das Recht eingeräumt, die Neuniederlassung von Ärzten zuzulassen.

Position der Barmer:

In strukturschwachen Gebieten mit Unterversorgung sind verpflichtende Sicherstellungszuschläge sinnvoll. Jedoch sollten gleichzeitig Abschläge in überversorgten Regionen die Regel werden. Auch Eigeneinrichtungen von Kassenärztlichen Vereinigungen können einen wichtigen Beitrag zur Versorgung leisten.

Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum Strukturfonds verpflichtend eingeführt werden sollen, müssen diese doch je nach Bedarf und nach regionaler Versorgungssituation zum Einsatz kommen. Die Steuerung der Versorgung und die damit verbundene Finanzierungsverantwortung gehören in die Zuständigkeit der regionalen Vertragspartner und nicht in die der obersten Landesbehörden.

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) werden Ärzten neue finanzielle Anreize gegeben. So werden zukünftig nicht nur Leistungen für solche Patienten extrabudgetär vergütet, die von der Terminservicestelle vermittelt werden, sondern auch Leistungen für Neupatienten und für Patienten in der offenen Sprechstunde. Dabei gilt ein Patient als „neu“, wenn er zwei Jahre nicht in der Praxis vorstellig war, bisher lag der Zeitraum bei vier Jahren. Zudem erhalten Ärzte zusätzliche gestaffelte Zuschläge von 20, 30 oder 50 Prozent auf die Versicherten- bzw. Grundpauschale, je nachdem, wie schnell sie die Behandlung von Patienten nach der Vermittlung über die Terminservicestelle ermöglichen.
Hausärzten wird die erfolgreiche Vermittlung von Patienten an Fachärzte mit einem Zuschlag von 10 Euro vergütet. Leistungen für übernommene Patienten nach Terminvermittlung durch einen Hausarzt werden Fachärzten extrabudgetär vergütet.

Position der Barmer:

Die mit dem TSVG beschlossene Ausweitung der extrabudgetären Vergütung von Vertragsärzten führt zu weitreichenden Mehrausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Dabei ist fraglich, ob die zusätzlichen Mittel zu einer Verbesserung der Versorgung von Patienten führen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass finanzielle Fehlanreize gesetzt werden.

Eine wichtige Neuregelung des Gesetzes ist die Verpflichtung der Vertragsärzte zur Kodierung ambulanter Diagnosen. Grundlage dafür ist die aktuelle Klassifikation nach ICD-10-G und nach OPS*. Begründet wird diese Maßnahme damit, dass die von den Leistungserbringern dokumentierten Diagnosen und Prozeduren einerseits in die Berechnungen zur Vergütung der Vertragsärzte (morbiditätsbedingte Gesamtvergütung) einfließen würden. Andererseits seien die Diagnosen für den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) der Krankenkassen von Bedeutung. Der Gesetzgeber argumentiert, dass einheitliche und verbindliche Regelungen zur Kodierung eine Voraussetzung für eine valide Morbiditätsmessung seien und der Manipulation von Diagnosen entgegenwirkten.

Zur Kodierung werden auch Leistungserbringer verpflichtet, die an Selektivverträgen oder an sektorenübergreifenden Versorgungsformen wie dem ambulanten Operieren beteiligt sind, unter Einbeziehung der Altverträge nach § 73c, § 116b und § 140a SGB V. Ebenso ist beabsichtigt, eine Harmonisierung der Kodierung in den Sektoren – also auch im Krankenhausbereich – zu erreichen, da die Versorgung zunehmend sektorenübergreifend gestaltet werde.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wird beauftragt, bis 30.06.2020 verbindliche und bundeseinheitliche Regelungen und Prüfmaßstäbe für die Vergabe und Dokumentation von ambulanten Diagnosen und Prozeduren zu schaffen. Die neuen Regelungen müssen einheitlich in die zertifizierten Praxisverwaltungssysteme implementiert werden und sollen zum 01.01.2022 wirksam werden.

Position der Barmer:

Die Initiative der Bundesregierung zur Einführung verbindlicher ambulanter Kodierrichtlinien entspricht einer langjährigen Forderung der Barmer. Sie sind wesentlich nicht nur für eine richtige Leistungsabrechnung und Honorarbestimmung für die Ärzte, sondern auch für eine valide Morbiditätsbestimmung als Grundlage des Morbi-RSA und damit eines funktionierenden fairen Wettbewerbs unter den gesetzlichen Krankenkassen.

Besonders wichtig ist, dass die Kodierrichtlinien einheitlich in die Praxissoftware der Leistungserbringer implementiert und damit auch einheitlich angewendet werden.

Um den Zugang für gesetzlich Versicherte zur medizinischen Versorgung zu verbessern, sollen die Mindestsprechstundenzeiten von Vertragsärzten von bisher 20 auf 25 Stunden erhöht werden. Dazu wird die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte entsprechend konkretisiert.
Weiterhin wird eine offene Sprechstunde geschaffen. Dazu müssen Ärzte mindestens fünf Stunden in der Woche ohne vorherige Terminvergabe anbieten. Diese Anforderung gilt besonders für Ärzte, die für die wohnortnahe Grundversorgung zuständig sind.

Position der Barmer:

Eine Ausweitung der Mindestsprechzeiten ist grundsätzlich positiv für die vertragsärztliche Versorgung. Fraglich ist, ob die Einrichtung einer offenen Sprechstunde notwendig ist, denn schon jetzt sollte eine unverzügliche Behandlung bei Akutfällen die Regel sein.

Um die Wartezeiten von gesetzlich Versicherten auf einen Arzttermin deutlich zu reduzieren, wurden mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz Terminservicestellen (TSS) bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) eingerichtet. Deren Service wird mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) deutlich ausgebaut: Die Servicestellen müssen spätestens bis zum 01.01.2020 rund um die Uhr (24/7) sowohl unter der einheitlichen Rufnummer 116 117 als auch online erreichbar sein. Vertragsärzte sind in Zukunft auch verpflichtet, der Terminservicestelle freie Termine zu melden.

Bislang mussten die Kassenärztlichen Vereinigungen den ambulanten Notdienst nur außerhalb der Sprechzeiten sicherstellen. Nun sollen die Terminservicestellen den Versicherten ständig auch in Akutfällen eine unmittelbare ärztliche Versorgung vermitteln. Sie nehmen dazu eine Priorisierung (Triage) vor und vermitteln je nach Schwere des Falls entweder in eine offene Arztpraxis, eine Portal- bzw. Bereitschaftspraxis oder in eine Notfallambulanz. Bei lebensbedrohlichen Notfällen leitet die Servicestelle den Anrufer zur Notrufzentrale weiter. Die Neuregelungen sollen die Notfallambulanzen der Krankenhäuser entlasten.

Zu den Aufgaben der Terminservicestellen gehört nicht nur die Vermittlung zu Fachärzten, sondern allgemein zu Vertragsärzten. Darüber hinaus sollen sie auch bei der Suche nach einem Haus- oder Kinderarzt unterstützen, der die Versicherten dauerhaft versorgt. Schließlich müssen auch termingebundene Kindervorsorgeuntersuchungen von den Terminservicestellen vermittelt werden.

Zur Förderung des Betriebs der Servicestellen können zukünftig Finanzmittel des Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigung verwendet werden.

Position der Barmer:

Die Weiterentwicklung der Terminservicestellen ist sinnvoll und scheint geeignet, den Zugang der gesetzlich Versicherten zur ärztlichen Versorgung zu erleichtern. Besonders positiv sind die damit verbundenen ersten Schritte zur Neuorganisation der Notfallversorgung. Mit der Triage in den Servicestellen wird eine Unterstützung bei der Einschätzung der Dringlichkeit der Behandlung geleistet und die notwendige Entlastung der Notaufnahmen in den Krankenhäusern angestoßen. Daneben sollte der Gesetzgeber möglichst noch in dieser Legislaturperiode eine sektorenübergreifende Lösung zu Verbesserung der Notfallversorgung anstreben.

Nicht nachvollziehbar ist, warum die Finanzmittel des Strukturfonds zur Förderung der Terminservicestellen herangezogen werden sollen. Hier werden Mittel des Strukturfonds gebunden, obwohl sie dem eigentlichen Zweck dieses Instruments nicht dienen.

Die Fristen für die Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen ärztlicher Leistungen werden mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) von vier auf zukünftig nur noch zwei Jahre verkürzt. Begründet wird dies mit einer größeren Planungssicherheit für Ärzte. Als Fristbeginn gilt der Erlass des Honorarbescheides. Die ursprünglich im Entwurf geplante Begrenzung der Zufallsauffälligkeitsprüfungen auf höchstens zwei Prozent der Ärzte pro Quartal wurde kurz vor Abschluss des Gesetzes zurückgenommen.
Vertragsärztliche Leistungserbringer sind dem Gebot der Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Bei Verstößen sieht das Sozialgesetzbuch die Möglichkeit von Sanktionen vor, die von Beratung bis zu Regressen reichen können. Zudem sind Vertragsärzte verpflichtet, die von ihnen erbrachten Leistungen entsprechend der gültigen Abrechnungsregeln sachlich und rechnerisch korrekt abzurechnen. Fehlerhafte Abrechnungen können richtiggestellt und zu viel gezahltes Honorar zurückgefordert werden. Für Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen gelten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine vierjährige Ausschluss- bzw. Verjährungsfrist.

Position der Barmer:

Die Wirtschaftlichkeits- und die Abrechnungsprüfungen sind gesetzlicher Auftrag an die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie stellen sicher, dass Versichertengelder sorgsam eingesetzt werden und eine nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung gewährleistet wird. Mit Blick auf die Komplexität und aufwändige Abwicklung der Wirtschaftlichkeitsprüfung im vertragsärztlichen Bereich ist eine Frist von zwei Jahren nicht ausreichend.
Die Orientierung an dem Erlass des Honorarbescheids ist ebenfalls problematisch, da dieser ohne Beteiligung der Kassen erlassen wird und somit das Datum, also der Fristbeginn, den Kassen nicht bekannt ist.

Digitalisierung

Die Bundesregierung verpflichtet die Krankenkassen dazu, ihren Versicherten spätestens ab dem 01. 01.2021 eine von der Gesellschaft für Telematik (gematik) zugelassene elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung zu stellen und in allgemein verständlicher Form über deren Funktionsweise aufzuklären. Daten, auf die die Versicherten Zugriff erhalten sollen, werden in der Patientenakte bereitgestellt, der Begriff des elektronischen Patientenfachs erübrigt sich damit. Klargestellt wird mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) auch, dass Versicherte in Zukunft auch ohne Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) auf die Daten der elektronischen Patientenakte zugreifen können. Die eGK bleibt jedoch – im Zusammenspiel mit dem Heilberufeausweis – die Voraussetzung für das Befüllen der Akte durch die Ärzte.
Der Zugriff auf die elektronische Patientenakte soll künftig auch mit mobilen Endgeräten, zum Beispiel mit Smartphones oder Tablets, ermöglicht werden. Die dafür nötigen Anforderungen an das Zulassungsverfahren legt die gematik im Benehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bis zum 31.03.2019 fest.

Die gematik wird verpflichtet, das Bundesministerium für Gesundheit über Störungen zu informieren, die zu beträchtlichen Auswirkungen auf die Sicherheit oder Funktionsfähigkeit der Telematikinfrastruktur (TI) führen.

Position der Barmer:

Die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte anbieten zu müssen, ist nachvollziehbar. Bei der Ausgestaltung sind einheitliche Standards wichtig. Richtig ist zudem, dass Versicherte künftig auch mittels kartenungebundener Verfahren Zugriff auf die elektronische Patientenakte erhalten, aber die eGK weiterhin ein Zugangskanal bleibt. Die Nutzung der Daten muss zur Verbesserung der Versorgung beitragen, zum Beispiel zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen oder zur Stärkung der Arzneimitteltherapiesicherheit.

Sanktionen bei Fristüberschreitung

Gelingt es Kassen bis zum 01.01.2021 nicht, ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte anzubieten, werden ihnen 2,5 Prozent der Zuweisungen gekürzt, die sie aus dem Gesundheitsfonds für Verwaltungsausgaben erhalten. Jedes weitere darauffolgende Jahr ohne elektronische Patientenakte hat für die Kassen eine Kürzung um 7,5 Prozent zur Folge.

Position der Barmer:

Die gesetzlichen Krankenkassen treiben die Entwicklung digitaler Serviceangebote seit geraumer Zeit aktiv voran, denn auf Seiten der Versicherten besteht der Wunsch, diese Angebote zu nutzen. Die Kassen handeln dabei auch im eigenen Interesse, denn sie stehen im Bereich digitaler Anwendungen miteinander im Wettbewerb. Die vorgesehenen Sanktionen für die Kassen sind nicht sachgerecht, denn sie haben keinen Einfluss auf das Verhalten anderer Marktteilnehmer wie zum Beispiel der Industrie.

Die Gesellschafter- und Entscheidungsstruktur der gematik wurde mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) verändert. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erhält 51 Prozent der Geschäftsanteile. Mit der Einführung der einfachen Mehrheit für Beschlüsse der gematik – bisher erfolgten die Entscheidungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit – hat das Ministerium damit eine Letztverantwortung für die Entscheidungen der gematik. Ziel ist es, Entscheidungsprozesse in der gematik effektiver als bisher zu gestalten. Die Einführung medizinischer Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur (TI) erfordere eine zügige und konsequente Umsetzung, heißt es in der Begründung des Gesetzgebers. Die Finanzierungsgrundlagen sind hingegen unverändert geblieben. Der Etat soll wie bisher vollständig von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden.

Position der Barmer:

Es ist fraglich, ob die geplanten weitreichenden Veränderungen der Gesellschafter- und Entscheidungsstruktur der gematik zu einer schnelleren Einführung der Telematikinfrastruktur führen werden. Denn die Entscheidungs- und Planungsprozesse der Industrie werden dadurch nicht verändert.

Nicht nachvollziehbar ist zudem, weshalb bei der vorgesehenen Veränderung der Gesellschafterstruktur der gematik die Finanzierung weiterhin zu 100 Prozent bei den gesetzlichen Krankenkassen liegen soll.

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) werden umfangreiche Maßnahmen zur stärkeren Digitalisierung des Gesundheitswesens ergriffen. Neben den unverändert gebliebenen Vorgaben zur Struktur der gematik und den Verpflichtungen der Krankenkassen zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) wurden weitere, für die Kassen wichtige Veränderungen vom Bundestag verabschiedet.

So wird zum 01.01.2021 nicht nur die Einführung der elektronischen Patientenakte verpflichtend – zum selben Stichtag wird ein verbindliches elektronisches Verfahren zur Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsdaten durch die Ärzte an die Krankenkassen eingeführt.

Weiterhin müssen die Kassen ab dem 01.12.2019 die elektronische Gesundheitskarte (eGK) für ihre Versicherten mit einer kontaktlosen Schnittstelle (NFC) ausstatten. Das dafür ursprünglich vorgesehene eigene Gesetzgebungsvorhaben (15. SGB V-Änderungsgesetz) wurde in einen Änderungsantrag zum TSVG umgewandelt, um das Verfahren zu beschleunigen. Mit der neuen Technik soll künftig der Datenaustausch zwischen eGK und mobilen Endgeräten, wie beispielsweise Tablet oder Smartphone, ermöglicht werden.

Position der Barmer:

Das Ziel, den Versicherten den Zugriff auf ihre Daten auch mit der eGK zu erleichtern, ist nachvollziehbar. Aufgrund der dafür notwendigen Zulassungsverfahren der gematik und der Sicherheitszertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist die im Gesetz vorgesehene flächendeckende Einführung bereits im Jahr 2019 ein sehr ambitioniertes Vorhaben.

Heilmittelversorgung

GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer werden mit den Regelungen des TSVG künftig für jeden Heilmittelbereich einen bundesweiten Vertrag verhandeln. Dieser soll ab 01.01.2020 gelten und die Anforderungen an die Heilmittelleistungen inklusive der Preise regeln. Zusätzlich dürfen die Krankenkassen eigene Vereinbarungen über besondere regionale Versorgungsbedarfe schließen.
Zuvor wurden die Preise der einzelnen Leistungen ab 01.04.2019 auf den höchsten Preis angehoben, der bundesweit in einer Region vereinbart wurde. Ziel ist es, die unterschiedlichen Vergütungen der Heilmittelerbringer in den Ländern anzugleichen. In den Verhandlungen sollen zukünftig auch die Personal-, Sach- und laufenden Kosten in den Praxen berücksichtigt werden.

Position der Barmer:

Die Ausrichtung der Vergütungen an den realen Kosten ist ein richtiger Ansatz. Um die großen regionalen Unterschiede bei den Kosten in den Ländern einbeziehen zu können, benötigen die Krankenkassen aber auch die Möglichkeit, Preisanpassungen nach unten vornehmen zu können, wenn regionale Versorgungskosten deutlich von den bundesweiten Kostenstrukturen abweichen. Andernfalls drohen erhebliche, nicht sachgerechte Mehrausgaben.

Die bisherigen Modellvorhaben zur Blankoverordnung von Heilmitteln werden in die Regelversorgung überführt. Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) regelt dazu mit den Spitzenorganisationen der Leistungserbringer, für welche Indikationen eine Heilmittelversorgung mit sogenannter erweiterter Versorgungsverantwortung möglich ist. Für diese Indikationen stellt der Arzt künftig nur noch die Diagnose. Art des Heilmittels, Dauer und Frequenz der Behandlung werden dann vom Heilmittelerbringer selbst festgelegt.

Position der Barmer:

Bei der Blankoverordnung besteht die Gefahr, dass vor allem teure Heilmittel zur Anwendung kommen und die Behandlungsmengen und Frequenzen im Vergleich zu heute deutlich ansteigen. Um dies zu verhindern, sollte der GKV-SV die Möglichkeit erhalten, den Therapeuten verbindliche Richtwerte vorzugeben, für deren Überschreitung entsprechende Maßnahmen vertraglich geregelt werden.

Zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte von Heilmittelerbringern, insbesondere der angestellten Therapeuten, übermittelt die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) künftig die Höhe der geleisteten Arbeitsstunden und der gezahlten Arbeitsentgelte. Auf Basis dieser Daten werden die Vergütungsstrukturen für die Arbeitnehmer in den Verträgen zwischen GKV-SV und den Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer vertraglich festgelegt.

Position der Barmer:

Durch die Gesetzgebung der vergangenen Jahre ist es zu erheblichen Ausgabensteigerungen bei den Vergütungen im Heilmittelbereich gekommen. Bislang war jedoch nicht erkennbar, in welcher Höhe insbesondere die angestellten Therapeuten von den Ausgabensteigerungen durch die Krankenkassen tatsächlich profitierten. Die Neuregelung schafft eine dringend notwendige Transparenz über die – insbesondere in Praxen – gezahlten Gehälter für Therapeuten.

Weitere Neuregelungen

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sind Betreuungsdienste als Leistungserbringer im Bereich der Pflegeversicherung zugelassen worden, die erbrachten Leistungen werden im Rahmen der Pflegesachleistungen (§ 36 SGB XI)abgerechnet. Nach Ansicht der Bundesregierung wird damit die Versorgung Pflegebedürftiger auf eine breitere fachliche und personelle Basis gestellt. Künftig können nicht nur Pflegefachkräfte, sondern zum Beispiel auch Sozialpädagogen oder Heilerziehungspfleger die verantwortliche Fachkraft sein. Ein Teil der wachsenden Nachfrage Pflegebedürftiger könne auf diese Weise gedeckt werden, ambulante Pflegedienste würden entlastet, so das Gesetz. Beispiele für Leistungen von Betreuungsdiensten sind Hilfen bei der Haushaltsführung oder Betreuungsmaßnahmen wie Spaziergänge oder die Unterstützung bei Hobbys. Die Einführung von Betreuungsdiensten ist das Ergebnis eines Modellprojektes der gesetzlichen Pflegekassen, das bis zum Jahr 2017 durchgeführt wurde.

Position der Barmer:

Die Aufnahme der Betreuungsdienste in die Regelversorgung ist wichtig, um Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu entlasten und die Lebensqualität zu steigern.

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) regelt, dass der Anteil der kassenartübergreifenden Pauschalförderung im Bereich der Selbsthilfe ab dem 01.01.2020 von aktuell 50 auf zukünftig 70 Prozent erhöht wird. Demnach verbleibt ein Anteil von 30 Prozent für die kassenindividuelle Projektförderung.

Das im Gesetzgebungsprozess formulierte Vorhaben, die gesamten finanziellen Mittel für die Selbsthilfeförderung einheitlich und gemeinsam durch die Krankenkassen und ihre Verbände zu verausgaben, wurde zurückgenommen. Eine individuelle Förderung durch einzelne Kassen wäre damit nicht mehr möglich gewesen.

Position der Barmer:

Die beschlossene Neuregelung erhält erfreulicherweise weiterhin die Möglichkeit der individuellen Förderung von Selbsthilfeprojekten durch die Krankenkassen, schränkt diese jedoch zugunsten der Pauschalförderung ein. Die Krankenkassen verfügen über die notwendigen Erfahrungen, um individuelle Projekte gemeinsam mit der Selbsthilfe zu planen und zu fördern. Der intensive Austausch zwischen den Förderkassen und den Selbsthilfegruppen hat zu einer Vernetzung geführt, die besonders bei der Umsetzung von Großprojekten und bei Förderschwerpunkten erforderlich ist.

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sieht eine Neuregelung zur Impfstoffversorgung vor. So werden die Krankenkassen künftig gesetzlich dazu verpflichtet, nicht nur den günstigsten Hersteller zum Zuge kommen zu lassen, sondern auch die Kosten für Impfstoffe bis zum Preis des zweitgünstigsten Herstellers zu übernehmen. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll diese Regelung zu mehr Versorgungssicherheit führen und zeitweilige Lieferengpässe vermeiden. Ohne diese Regelung sei nicht gewährleistet, dass Impfstoffe unterschiedlicher Hersteller für die Versorgung zur Verfügung stünden, so der Gesetzestext.

Bereits mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) wurde die Regelungsgrundlage für exklusive Impfstoffverträge zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Herstellern gestrichen. Mit der Neuregelung für alle Selektivverträge auf Landesebene nach § 129 Absatz 5 SGB V über die Versorgung mit Impfstoffen zwischen Krankenkassen bzw. ihren Verbänden und den maßgeblichen Organisationen der Apotheker verschärft der Gesetzgeber nun die Regelungen des AMVSG.

Position der Barmer:

Die Abschaffung von Impfstoffausschreibungen im AMVSG stellte bereits eine erhebliche Einschränkung der vertraglichen Möglichkeiten der Kassen für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung dar. Die nun weitergehenden Vorgaben für alle Selektivverträge auf Landesebene über die Impfstoffversorgung lehnt die Barmer ab. Damit laufen alle bestehenden vertraglichen Regelungen mit Ärzten und Apothekern zur Versorgung mit Impfstoffen ins Leere. Die Änderung wird zu Kostensteigerungen führen, ohne dass dadurch ein zusätzlicher Nutzen für die Versicherten entsteht. Denn die herstellungsbedingten Ursachen für zeitweise Lieferprobleme wie zum Beispiel Produktionsschwierigkeiten und Engpässe bei den Ausgangsstoffen werden damit nicht gelöst.

Werdende Mütter werden bei der Suche nach einer Hebamme besser unterstützt. Dazu soll die so genannte „Vertragspartnerliste Hebammen” aussagekräftiger werden. Die Mitteilungspflichten von Hebammen werden gesetzlich verankert, damit die Liste aktuelle, verbindliche und detaillierte Aussagen über die Art des Leistungsangebots von Hebammen beinhaltet. Die Liste soll etwa über Tätigkeiten wie Schwangerenbetreuung, Wochenbettbetreuung oder Beleggeburten informieren. Gleichzeitig wird dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) die Aufgabe übertragen, die gesetzlich Versicherten mittels einer Internetplattform über die Leistungserbringer und deren jeweilige Leistungen zu informieren. Hierzu darf der GKV-SV zukünftig die Daten der Vertragspartnerliste nutzen.

Beschlossen wurde zudem, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von in Krankenhäusern tätigen Hebammen und Entbindungspflegern zu verbessern. Hierzu werden bereits bestehende finanzielle Maßnahmen für Pflegekräfte in Krankenhäusern, die teilweise durch die Krankenkassen finanziert werden, auf Hebammen bzw. Entbindungspfleger, ausgeweitet. Als Maßnahme werden zum Beispiel zusätzliche Betreuungsmöglichkeiten für Kinder – auch rund um die Uhr – genannt.

Position der Barmer:

Die beschlossenen Neuregelungen sind sinnvoll. Die umfassende Veröffentlichung der Daten zur Hebammenversorgung war den Krankenkassen bisher wegen datenschutzrechtlicher Beschränkungen nicht möglich. Mit der neuen Online-Unterstützung wird Frauen adäquat bei der Suche nach speziellen Leistungsangeboten von Hebammen geholfen. Auch die finanzielle Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein richtiger Schritt zur Anerkennung der Arbeit von in Krankenhäusern tätigen Hebammen und Entbindungspflegern.

Gesetzliche Krankenkassen müssen aufgrund einer Neuregelung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen für Versicherte vorsehen, die an der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) teilnehmen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Mindestens 50 Prozent der Einsparungen und Effizienzsteigerungen sollen an die Versicherten zurückfließen. Damit soll die Attraktivität der HzV gesteigert werden. Da Versicherte die Vergünstigungen von Beginn ihrer Teilnahme an der HzV erhalten sollen, müssen die Kassen die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen vorausschauend kalkulieren und diese der Aufsichtsbehörde vorlegen.
Ergibt die Kalkulation einer Kasse, dass durch die HzV keine Effizienzsteigerungen erwartet werden, die die Aufwendungen der Kasse übersteigen, so muss sie dies gesondert begründen.

Position der Barmer:

Eine starke Stellung des Hausarztes mit einer Lotsenfunktion im Gesundheitswesen ist wichtig für Patienten. Das aktuelle Vorhaben des Gesetzgebers ist jedoch nicht nachvollziehbar. Nach aktueller Gesetzeslage (§ 73b Absatz 9 SGB V) gilt, dass die Kassen die Wirtschaftlichkeit des HzV-Vertrages spätestens vier Jahre nach Abschluss des Vertrages der Aufsichtsbehörde gegenüber nachweisen müssen. Diese Betrachtungsweise soll nunmehr prospektiv erfolgen. Nach welchen Kriterien und Verfahren dies zu geschehen hat, lässt das Gesetz jedoch offen. Eine prospektive Ermittlung möglicher Effizienzgewinne ist auf seriöse Weise nicht durchführbar, die so gewonnenen Ergebnisse nicht belastbar.