Lange Zeit dachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ADHS trete nur im Kindesalter auf und klinge während der Pubertät von allein wieder ab. Heute ist klar: 30 bis 50 Prozent der betroffenen Kinder weisen auch im Erwachsenenalter deutliche Symptome auf. Bleibt die Störung unerkannt, kann dies die Lebensqualität der Betroffenen immens reduzieren und das Risiko für weitere psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen steigt. An welchen Symptomen Erwachsene ADHS erkennen, wer helfen kann und wie eine Behandlung aussehen kann, lesen Sie hier.
Was ist ADHS bei Erwachsenen und wie häufig kommt es vor?
ADHS ist die Abkürzung für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Sie ist durch ein anhaltendes Muster (über mindestens sechs Monate) von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität gekennzeichnet. Etwa fünf bis sieben Prozent der Kinder entwickeln ADHS-Symptome. Es handelt sich damit um eine der häufigsten Entwicklungsstörungen im Kindesalter. Früher gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass ADHS mit dem Übergang ins Erwachsenenalter verschwindet. Mittlerweile gilt jedoch als sicher, dass bei mindestens der Hälfte aller an ADHS-Erkrankten ein Teil der Symptome weiterbesteht, wenn sie längst erwachsen sind.
Wie und warum entsteht ADHS?
„Die Ursachen von ADHS haben wir noch nicht vollumfänglich verstanden“, erklärt Prof. Dr. Alexandra Philipsen, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn. Sie ist Expertin auf dem Gebiet der ADHS-Forschung – insbesondere wenn es darum geht, mit welchen Symptomen ADHS bei Erwachsenen in Erscheinung tritt. Einige Faktoren, die das Erkrankungsrisiko steigern könnten, seien aber durchaus bekannt, so Prof. Philipsen: Dazu gehörten Frühgeburt und Geburtskomplikationen, denn „bei beiden wird das Gehirn in seiner Entwicklung beeinträchtigt“.
Zudem spielt Vererbung eine große Rolle: ADHS tritt familiär gehäuft auf. Man geht davon aus, dass Verwandte ersten Grades ein doppelt bis achtfach erhöhtes Risiko besitzen, ebenfalls an ADHS zu erkranken. Dennoch gibt es nicht das eine bestimmte ADHS-Gen, weiß Prof. Philipsen: „Vielmehr existiert eine Vielzahl von Risikogenen. Jedes davon erhöht die Wahrscheinlichkeit zu einem gewissen Teil.“
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Kann sich ADHS noch im Erwachsenenalter entwickeln?
„Es wurde lange diskutiert, ob ADHS auch erst später im Leben auftreten kann“, sagt Prof. Philipsen. „Mittlerweile ist klar: Wenn ADHS bei Erwachsenen diagnostiziert wird, haben die Betroffenen die Symptome schon ihr Leben lang, es sei denn, die Ursache liegt zum Beispiel in Unfällen, die zu ähnlichen Erscheinungsbildern führen können.“
Meist werden die Anzeichen von ADHS zwar mit zunehmendem Alter schwächer, es gibt aber auch Erwachsene, die die Krankheit in ihrer Kindheit gar nicht bemerkt haben. Erst mit den steigenden Anforderungen des Erwachsenenlebens – etwa dem Start ins Berufsleben oder der Geburt eines Kindes – macht sie ihnen zu schaffen. Je nach Lebensphase können die ADHS-Symptome bei Erwachsenen unterschiedlich stark ausgeprägt sein: In manchen Jahren fallen sie gar nicht weiter auf, in anderen werden sie zur unerträglichen Last.
Dazu passt, dass es zwei Altersphasen gibt, in denen ADHS bei Betroffenen besonders häufig diagnostiziert wird. „Ein Diagnosegipfel liegt im Alter um das elfte, zwölfte Lebensjahr“, erläutert Prof. Philipsen, „da steht meist der Wechsel auf die weiterführende Schule an.“ Die Anforderungen an die Kinder steigen und um sie zu bewältigen, brauchen sie verstärkt die kognitiven Kompetenzen, die bei ADHS eingeschränkt sind. Das macht es leichter ADHS zu erkennen. Betroffene Kinder sind schneller überfordert als ihre Klassenkameraden, schweifen eher ab, arbeiten langsamer oder bekommen emotionale Ausbrüche.
Die zweite Phase, in der ADHS häufig entdeckt wird, liegt im Alter zwischen Ende 20 und Anfang 30 – eine Zeit im Leben, in der oftmals große Veränderungen geschehen: der Übergang von der Ausbildung zum Beruf, die Geburt eines Kindes, der Kauf und Bezug eines Eigenheims. All das verlangt Planung, Weitsicht und Struktur. Mit diesen Fähigkeiten haben Erwachsene mit ADHS teilweise Schwierigkeiten. Darum wird die Erkrankung in dieser Zeit des Lebens eher deutlich. „Um den Problemen auf den Grund zu gehen, stellen sich die Betroffenen dann in Kliniken oder Ambulanzen vor und die Krankheit wird von den Ärzten dort diagnostiziert“, erklärt ADHS-Expertin Prof. Philipsen.
Mit steigendem Alter nimmt die Prävalenz, also die Häufigkeit der Erkrankung, dann ab. Wobei das wohl auch damit zusammenhängt, dass ältere Betroffene seltener wegen typischer Beschwerden zur Ärztin oder zum Arzt gehen – sie haben ja längst gelernt, damit zu leben und eigene Bewältigungsstrategien entwickelt. „So werden viele Fälle nie erkannt“, sagt Prof. Philipsen.
Welche Symptome treten bei Erwachsenen mit ADHS auf?
Die Hauptsymptome von ADHS bei Erwachsenen sind – wie bei Kindern – Konzentrationsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität. Die Symptome können allerdings in unterschiedlicher Ausprägung vorkommen und müssen nicht alle gleichzeitig auftreten. Hinzu kommt, dass viele Erwachsene mit ADHS eigene Strategien entwickeln, die ihnen den Umgang mit der Erkrankung erleichtern. Auf Außenstehende wirken Menschen mit schwereren ADHS-Symptomen möglicherweise unorganisiert, denn sie vergessen eventuell häufiger Termine, schätzen Zeiten falsch ein, sind oft gestresst. Manchen Betroffenen fällt es womöglich schwer, Aufgaben zu Ende zu bringen und Abgabetermine einzuhalten, wodurch sie vermehrt Drucksituationen ausgesetzt sein können. Einige Menschen mit ADHS im Erwachsenenalter leiden auch darunter, dass sie sich Dinge schlecht merken können oder etwas nicht schaffen, was sie sich vorgenommen hatten. Auf ihr Umfeld kann es so wirken, als ob sie häufig nicht richtig zuhören. Mitunter steht auch der Vorwurf der Unzuverlässigkeit im Raum.
„Manche Betroffene sind zudem sehr impulsiv“, berichtet die Bonner ADHS-Spezialistin Philipsen. „Sie werden schnell laut, verlieren oft die Nerven oder sagen Sachen, die nicht so gemeint sind.“ Das kann zu sozialen Problemen führen. Auch erleben Erkrankte oft eine innere Unruhe. „Sie fühlen sich getrieben, kommen am Abend nicht zur Ruhe und können einfach nicht abschalten“, so Prof. Philipsen. „Es fühlt sich für sie selbst an, als drehe der Motor immer weiter.“ Und auch zu Stimmungsschwankungen kann ADHS bei manchen Erwachsenen führen.
Wie erkennt man ADHS bei Erwachsenen? ADHS-Symptome und mögliche Folgen für den Alltag
ADHS im Erwachsenenalter kann viele Ausprägungen unterschiedlicher Intensität haben, muss jedoch nicht zwangsläufig von Außenstehenden bemerkt werden. Die nachfolgend aufgelisteten Symptome sind beispielhaft und treten nicht zwangsläufig bei allen Erwachsenen mit ADHS auf.
Konzentrationsstörungen:
Diese Verhaltensmuster können bei Erwachsenen mit ADHS häufiger auftreten:
Flüchtigkeitsfehler bei der Arbeit
reduzierte Aufmerksamkeitsspanne
nicht vollständig ausgeführte Anweisungen
Schwierigkeiten, Aufgaben zu organisieren
Vermeiden längerer geistiger Anstrengungen
häufiges Verlegen von Gegenständen
schnell abgelenkt sein
auffallend vergesslich
Hyperaktivität:
Menschen, die im Erwachsenenalter mit ADHS leben,
zappeln unter Umständen häufiger mit Händen und Füßen oder rutschen auf dem Stuhl herum, stehen und laufen herum in Situationen, in denen dies unpassend scheint (bei Jugendlichen und Erwachsenen kann dieses Anzeichen von ADHS auch auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben),
haben Schwierigkeiten, sich mit ruhigeren Freizeitaktivitäten zu beschäftigen,
wirken kommunikationsfreudig.
Impulsivität:
Erwachsene mit ADHS
können gegebenenfalls mit der Antwort herausplatzen, bevor eine Frage zu Ende gestellt wurde, beispielsweise indem sie andere unterbrechen,
können den Eindruck vermitteln, nur schwer warten zu können, bis sie bei etwas an der Reihe sind.
Unterschiede bei Frauen und Männern
Trotz der zunehmenden Forschung zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei ADHS gibt es dazu noch keine gesicherten Erkenntnisse. Es fehlen Übersichtsarbeiten, die klare Schlussfolgerungen erlauben, insbesondere im Fall von Erwachsenen. In der Forschung wird zwar von Geschlechterunterschieden ausgegangen. Wie genau sich diese konkret zeigen, wird derzeit jedoch noch kontrovers diskutiert.
Möglicherweise zeigen sich die ADHS-Symptome bei Frauen und Männern auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlicher Intensität: Die Aufmerksamkeitsprobleme sind zwar bei beiden Geschlechtern ein Hauptmerkmal, allerdings treten bei Männern anscheinend verstärkt die hyperaktiven, impulsiven Symptome auf, während bei Frauen tendenziell eher eine emotionale Instabilität im Vordergrund steht.
Wie unterscheidet sich ADHS bei Kindern von ADHS bei Erwachsenen?
Kinder leben ihre Hyperaktivität oft aus, indem sie sich mehr bewegen. Dieser Drang nimmt mit dem Alter ab, kann jedoch immer noch zu gewissen Auffälligkeiten führen. So wippen Erwachsene zum Beispiel mit den Füßen oder trommeln mit den Fingern auf die Tischplatte. Zwar reduziert sich bei Erwachsenen mit ADHS die äußerlich sichtbare Unruhe, innerlich bleibt sie jedoch bestehen.
Komorbiditäten: Erwachsene mit ADHS zeigen möglicherweise weitere Auffälligkeiten
Unter Komorbiditäten sind weitere Erkrankungen, Begleiterscheinungen und Auffälligkeiten zu verstehen, die erwachsene Menschen mit ADHS haben können.
Dazu gehören:
eine Leserechtschreibstörung (LRS) oder Rechenschwäche (Dyskalkulie),
Vermuten Menschen, dass sie selbst ADHS haben könnten, können sie den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickeltenSelbsttest nutzen. Das Ergebnis sollte allerdings nur als erster Hinweis verstanden werden und ist keine Diagnose. Eine exakte Diagnose können nur erfahrene Fachleute stellen.
Wann sollten Erwachsene mit ADHS-Symptomen zum Arzt gehen – und zu welchem?
„Man sollte eigentlich immer eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen, wenn der Verdacht aufkommt, dass es ADHS sein könnte“, erklärt Prof. Philipsen. Falls es zum Beispiel immer wieder Streit gibt, weil Dinge nicht erledigt werden, die man eigentlich erledigen wollte oder Termine einfach vergessen werden. Wenn wegen der Unorganisiertheit ein relevanter Leidensdruck besteht. „Da wäre es schon gut, sich auf ADHS hin untersuchen zu lassen“, rät die Expertin.
Diagnose von ADHS bei Erwachsenen
Bei Erwachsenen gelten im Wesentlichen die gleichen Diagnosekriterien für ADHS wie bei Kindern, jedoch müssen laut der American Psychiatric Association (APA) ab einem Alter von 17 Jahren nicht mehr sechs oder mehr, sondern nur fünf Symptome von Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität/Impulsivität erfüllt sein.
Eine Diagnose wird gestellt, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Die Auffälligkeiten begannen bereits in der Kindheit.
Es liegen Symptome von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität oder Impulsivität vor.
Die Probleme bestehen in mehreren Lebensbereichen.
Das Sozial- oder Berufsleben ist deutlich beeinträchtigt.
Manche Erwachsene mit ADHS haben in ihrer Kindheit keine Diagnose erhalten. Für sie gibt es spezielle Fragebögen zur Selbst- und Fremdbeurteilung, wie zum Beispiel die Wender-Utah-Rating-Scale, die Ärztinnen und Ärzten helfen sollen, rückblickend eine Diagnose zu stellen. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass Medikamente verschrieben werden dürfen.
Außerdem wird eine körperliche Untersuchung durchgeführt, um andere Grunderkrankungen auszuschließen. Dazu gehören unter anderem die Untersuchung der Schilddrüse, eine Blutuntersuchung und ein EKG. Die offizielle Behandlungsleitlinie empfiehlt, eine Fachärztin oder einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie oder psychosomatische Medizin oder eine Psychotherapeutin beziehungsweise einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Wer keine entsprechende fachärztliche Praxis findet, kann sich auch an eine hausärztliche Praxis wenden, von wo aus die weitere Diagnostik koordiniert wird. Darüber hinaus gibt es in einigen Universitätskliniken Sprechstunden speziell für ADHS.
Wie läuft die Behandlung von ADHS bei Erwachsenen ab?
Zunächst können Erwachsene mit ADHS ausprobieren, ob ihnen eine sogenannte Psychoedukation hilft. Das ist eine Art Coaching, das meistens acht Wochen dauert. In manchen Fällen ist es möglich, Symptome der ADHS ohne medikamentöse Behandlung zu lindern. Eine Psychiaterin beziehungsweise ein Psychiater oder eine Psychologin beziehungsweise ein Psychologe erklärt Betroffenen dabei in mehreren Sitzungen, was ADHS eigentlich ist, und bringt ihnen Strategien bei, um mit der Erkrankung besser im Alltag umgehen zu können:
Wie sortiere ich mich?
Wie erkenne ich Gefühle?
Was hilft mir, mich zu fokussieren?
„Wenn ein solches psychoedukatives Trainingsprogramm keinen ausreichenden Erfolg zeigt“, so die Bonner Expertin Alexandra Philipsen, „sollte ADHS mit Medikamenten behandelt werden.“
Welche Medikamente gibt es für Erwachsene mit ADHS
Für die medikamentöse Behandlung von ADHS bei Erwachsenen sind Präparate mit dem Stimulans Methylphenidat zugelassen. Auch eine Behandlung mit dem Wirkstoff Lisdexamfetamin ist möglich – vorausgesetzt, dieser wurde auch schon vor dem 18. Geburtstag im Rahmen der ADHS-Therapie eingenommen. Alternativ ist auch die Verwendung des Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmers Atomoxetin für die Neueinstellung von Erwachsenen mit ADHS möglich.
Die medikamentöse Behandlung zeigt in der Regel Erfolg: „60 bis 70 Prozent der Betroffenen sprechen gut auf die Medikamente an“, berichtet Prof. Philipsen. Erwachsene mit ADHS müssten die Mittel meist dauerhaft einnehmen, was für sie aber häufig eine enorme Entlastung sei. Die Forschung zeigt: Betroffene können sich dank der Medikamente besser konzentrieren und fokussieren. Die Medikamente helfen vielen von ihnen dabei, eine Ausbildung zu beenden und ihre Aufgaben im Alltag oder am Arbeitsplatz besser zu bewältigen. Sie sind unter Umständen weniger impulsiv und dafür aufmerksamer in Alltagssituationen.
So konnte ein schwedisch-US-amerikanisches Forscherteam im Jahr 2017 belegen, dass Erwachsene, deren ADHS medikamentös behandelt wird, weniger Autounfälle verursachen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werteten für eine Studie die Daten von knapp 150 Millionen Versicherten aus den USA aus. Darunter fanden sie 2,3 Millionen Erwachsene über 18 mit ADHS-Diagnose oder einer regelmäßigen Verschreibung von ADHS-Medikamenten. Wie das Forscherteam feststellte, waren Menschen mit ADHS häufiger in schwere Verkehrsunfälle verwickelt als Menschen ohne ADHS. Bei Männern lag die Rate um 49 Prozent höher als in der Vergleichsgruppe, bei Frauen um 44 Prozent. Besonders auffällig: Das Unfallrisiko war für die Betroffenen dann deutlich höher, wenn sie ihre Medikamente gerade nicht nahmen. Verglich man die Gefahr für einen Verkehrsunfall in Monaten ohne ADHS-Medikation mit Monaten mit Medikation, so stieg bei Männern das Risiko um 38 Prozent, bei Frauen sogar um 42 Prozent.
Tipps: Was können erwachsene ADHS-Betroffene tun – und was Angehörige?
Entspannungsverfahren wie Yoga und Achtsamkeitsübungen unterstützen Erwachsene mit ADHS dabei, innerlich zur Ruhe zu kommen, Stress zu reduzieren und die innere Anspannung zu lösen. Übersichtlich gestaltete To-do-Listen, bei denen die zu erledigenden Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit priorisiert sind, helfen dabei, den Alltag zu strukturieren und die eigenen Ziele zu erreichen. Bei der Arbeit kann es helfen, Störfaktoren und Ablenkungen auszuschließen und beispielsweise das Smartphone außer Sichtweite zu legen.
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ADHS ist meist nicht nur für die Betroffenen belastend, sondern auch für ihre Partnerinnen und Partner sowie für Angehörige. Neben der klassischen Behandlung, die oft mit Medikamenten erfolgt, und den oben genannten Coping-Strategien können Betroffene und Nahestehende gemeinsam am Alltag arbeiten. „Angehörige können einbezogen werden und unterstützen“, sagt Prof. Philipsen.
Erwachsenen mit ADHS und ihren Angehörigen gibt sie folgende Tipps:
Nahestehende Menschen können mit den Betroffenen vereinbaren, in welchen Bereichen sie helfen. Sie können sich etwa einmal in der Woche an einem festen Termin zusammensetzen und miteinander besprechen, was gut geklappt hat und was nicht. „Ideal ist es, wenn der oder die ADHS-Betroffene auch die Möglichkeit hat, dem Gegenüber Feedback zu einem bestimmten Verhalten zu geben“, weiß Prof. Philipsen. „Dann gerät der- oder diejenige in der Beziehung nicht in eine Patientenrolle, sondern es ist ein Geben und Nehmen.“ Generell gilt für Prof. Philipsen aber dennoch: „ADHS ist eine Erklärung und keine Entschuldigung. Es ist schon gut, Verständnis dafür zu haben. Aber ADHS ist auch keine Freikarte.“
Vielen erwachsenen Betroffenen mit ADHS hilft es, an Selbsthilfegruppen teilzunehmen. Die gibt es als sich regelmäßig vor Ort treffende Gruppen, mittlerweile aber auch online. Eine Übersicht bietet das ADHS-Selbsthilfenetzwerk ADHS-Deutschland e. V. auf seiner Homepage.
Gibt es auch gute Aspekte von ADHS?
Ja, zum Beispiel sind Menschen mit ADHS häufig besonders kreativ, originell und können die Dinge auf unkonventionelle Art und Weise betrachten und infrage stellen. Ohnehin ist die Erkrankung keinesfalls in jeder Alltagssituation eine Einschränkung: Finden Betroffene eine Sache besonders interessant, können sie sich trotz der Erkrankung hervorragend darauf fokussieren. Manche Aufgaben bewältigen sie deshalb außerordentlich gut.
Literatur:
Christian J. Bachmann, Alexandra Philipsen und Falk Hoffmann: ADHS in Deutschland: Trends in Diagnose und medikamentöser Therapie (2017)
Friederike Klein: ADHS im Erwachsenenalter – unabhängige COMPAS-Studie (2014)
Alexandra Philomena Lam, Helge Müller und Alexandra Philipsen: ADHS im Erwachsenenalter – Diagnostik und Therapie (2017)
Alexandra Philipsen und Manfred Döpfner: ADHS im Übergang in das Erwachsenenalter: Prävalenz, Symptomatik, Risiken und Versorgung (2020)
Roberto D'Amelio, Wolfgang Retz, Alexandra Philipsen, Michael Rösler: Psychoedukation und Coaching ADHS im Erwachsenenalter. Manual zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen (2009)
Peter Kirsch und Nina Haible-Baer: Therapie-Tools. ADHS im Erwachsenenalter (2021)
Martin D. Ohlmeier und Mandy Roy (Herausgeber): ADHS bei Erwachsenen - ein Leben in Extremen: Ein Praxisbuch für Therapeuten und Betroffene (2020)
Elisabeth Nyberg, Maria Hofecker-Fallahpour und Rolf-Dieter Stieglitz: Ratgeber ADHS bei Erwachsenen: Informationen für Betroffene und Angehörige (2013)
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