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Krebs

Chemotherapie – Arten, Ablauf und Nebenwirkungen

Lesedauer unter 9 Minuten

Redaktion

  • Natalie Tutzer (Medical Writer, TAKEPART Media + Science GmbH)

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Utta Petzold (Dermatologin, Allergologin, Phlebologin, Barmer)
  • Dr. med. Ursula Marschall (Fachärztin für Anästhesie, Barmer)
  • Anna Patricia Besson (Diplom-Biologin, medproduction GmbH )

Die Chemotherapie ist neben der Strahlentherapie und der Operation eine der Hauptsäulen der Krebstherapie. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Chemotherapie funktioniert, was die verschiedenen Arten unterscheidet und welche typischen Nebenwirkungen auftreten können. 

Was ist eine Chemotherapie?

Die Chemotherapie ist eine medikamentöse Behandlung einer Krebserkrankung. Krebszellen mithilfe von Wirkstoffen – den sogenannten Zytostatika – daran gehindert, sich zu vermehren und sich auszubreiten. Der Name Zytostatika kommt aus dem Griechischen und bedeutet in etwa „Zell-Hemmer“. 

Diese Medikamente nutzen einen wichtigen Unterschied zwischen Krebszellen und gesundem Gewebe: In Krebszellen sind „Wachstumsbremsen“ ausgefallen, deshalb teilen sie sich unkontrolliert immer weiter. Zytostatika greifen in den Stoffwechsel oder das Erbmaterial von sich oft teilenden Zellen ein und stören ihre Vervielfältigung. Schlägt die Therapie an, sterben die schnell wachsenden Tumorzellen ab.

Was passiert bei der Chemotherapie im Körper?

Zellen können sich durch die sogenannte Zellteilung (Mitose) vermehren. Dabei verdoppelt sich die Erbinformation (DNA) im Zellkern und aus einer Zelle werden zwei Zellen. Dies ist ein wichtiger Prozess im Körper, da so neue Zellen entstehen, die zum Beispiel alte Zellen ersetzen. Bei gesunden Zellen unterliegt dieser Prozess vielen Kontrollmechanismen. Tumorzellen hingegen teilen sich unkontrolliert, wodurch sie gesundes Gewebe verdrängen und sich im Körper ausbreiten.

Das Leben einer Zelle besteht aus mehreren Phasen. Zytostatika wirken oft in der aktiven Phase der Teilung, in der Zellen „angreifbar“ sind. Verschiedene Zytostatika behindern die Zellteilung auf unterschiedlichen Wegen, beispielsweise

  • verändern sie die Erbsubstanz so, dass diese nicht mehr kopiert werden kann (DNA-Vernetzung),
  • behindern sie den Vorgang der Zellteilung (Behinderung DNA-Polymerase) oder
  • führen sie zu Fehlern beim Kopieren der Erbsubstanz (Mutationen).

Da nicht alle Tumorzellen gleichzeitig aktiv sind und ihre Stoffwechsel sich leicht unterscheiden können, werden in der Regel mehrere Wirkstoffe in sogenannten Behandlungsschemata kombiniert und die Behandlung mehrfach wiederholt.

Welche Arten von Chemotherapien gibt es?

Die Chemotherapie richtet sich immer nach der jeweiligen Tumorart. Dabei ist der Ort, an dem sich der Tumor befindet, genauso bedeutend wie das Gewebe, aus dem er entstanden ist.

Eine Chemotherapie kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten während einer Tumorbehandlung zum Einsatz kommen. Die Chemo-Arten unterscheiden sich beispielsweise darin,

  • wo sie im Körper wirken (systemisch oder lokal),
  • ob ein Wirkstoff (Monotherapie) oder mehrere Wirkstoffe (Kombinationstherapie) eingesetzt werden,
  • ob sie vor einer Operation, die den Tumor beseitigen oder verkleinern soll (neoadjuvant), oder danach (adjuvant) eingesetzt werden und
  • ob sie die Erkrankung heilen (kurativ) oder vor allem Beschwerden mildern und das Fortschreiten der Erkrankung hinauszögern oder vorübergehend stoppen sollen (palliativ).

Systemische oder lokale Chemotherapie

Es gibt zwei Arten, wie eine Chemotherapie angewendet wird: systemisch oder lokal. Bei einer systemischen Behandlung erhalten Patientinnen und Patienten die Medikamente durch eine Infusion in eine Vene (intravenös), eine Injektion unter die Haut (subkutan) oder als Tabletten. Die Wirkstoffe breiten sich so im gesamten Körper aus. Die systemische Chemotherapie ist die Standard-Anwendungsform und die meisten Krebspatienten erhalten ihre Chemotherapie als Infusion über einen Tropf.

Bei der lokalen Anwendung wirken Zytostatika in unmittelbarer Nähe des Tumors und nicht im ganzen Körper. Es gibt verschiedene Varianten, die von der betroffenen Körperregion und Art der Krebserkrankung abhängen. Die Medikamente lassen sich beispielsweise als Salbe auf der Haut oder im Körperinneren als Lösung im Rahmen einer Blasenspülung nach einer Blasenkrebs-Operation anwenden. 

In bestimmten Fällen können die Medikamente auch gezielt in das Blutgefäß eingeleitet werden, das den Tumor versorgt (intraarteriell). Bei einigen Krebsarten wie Brust- oder Hautkrebs können elektrische Impulse die Chemotherapie unterstützen (Elektro-Chemotherapie): Die elektrische Spannung macht die Wände von Tumorzellen porös, wodurch sie durchlässiger werden und die Zytostatika besser eindringen können.

Mono- oder Kombinationstherapie

In der Monotherapie wird mit einem einzelnen Wirkstoff behandelt. Diese Therapie ist heute verhältnismäßig selten und kommt beispielsweise bei bestimmten Arten von Lymphomen zum Einsatz.

In einer Kombinationstherapie werden meist unterschiedliche Wirkstoffe kombiniert. Ein solches Chemotherapie-Behandlungsschema hat den Vorteil, dass eine Tumorzelle an unterschiedlichen Orten in der Zelle und mit verschiedenen Wirkweisen angegriffen werden kann.

Gerade in der Onkologie ist das medizinische Wissen in den letzten Jahren explosionsartig gestiegen. Für die bestmögliche Behandlung kann die Chemotherapie durch eine Operation oder eine Strahlentherapie, aber auch neuere Behandlungsmethoden wie der spezifischen Hormonbehandlung (zum Beispiel bei Brust- und Prostatakrebs) oder auch der Immuntherapie (zum Beispiel bei Lungenkrebs) ergänzt werden.

Adjuvante und neoadjuvante Chemotherapie

Die Chemotherapie kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Tumorbehandlung zum Einsatz kommen. Man unterscheidet grundsätzlich, ob sie vor oder nach einer Operation erfolgt:

  • Adjuvant bedeutet, dass die Chemotherapie nach einer Operation eingesetzt wird. So werden die Tumorzellen, die bei der OP nicht entfernt werden konnten, zusätzlich angegriffen. Eine adjuvante Chemotherapie wird beispielsweise häufig bei Darmkrebs eingesetzt.
  • Neoadjuvante Chemotherapien werden vor einer Operation verabreicht und bereiten so auf eine weitere Behandlung vor. Sie können den Tumor verkleinern und so die Operation entweder erleichtern oder überhaupt ermöglichen. Durch eine neoadjuvante Chemotherapie bei Brustkrebs kann der Tumor häufig brusterhaltend operiert werden.

Eine Sonderform ist die „Hochdosis-Chemotherapie“. Diese kommt nur bei sehr speziellen Tumorarten zum Einsatz, zum Beispiel bei einer Art von Lymphdrüsenkrebs. Durch besonders intensive Behandlung, also hochdosierte Wirkstoffe, sollen alle Tumorzellen erreicht und zerstört werden. Diese Behandlung schadet allerdings auch den Stammzellen im Knochenmark, die danach für längere Zeit nicht mehr ausreichend Blutzellen bilden können. Diese Therapie wird daher mit einer anschließenden Stammzelltransplantation kombiniert.

Verschiedene Tumorzellen sprechen unterschiedlich auf einzelne Zytostatika an. Wie wahrscheinlich die gewählten Wirkstoffe das Tumorwachstum erfolgreich hemmen, lässt sich anhand klinischer Studien einschätzen. Die Wirksamkeit von Medikamenten wird für die verschiedenen Krebsarten wissenschaftlich nachgewiesen, bevor sie jenseits von Studien eingesetzt werden. Wachsen Tumoren trotz Chemotherapie weiter, ist manchmal ein Wechsel der Wirkstoffe oder deren Kombination notwendig, um den Krebs erfolgreich zu behandeln.

Kurative Chemotherapie oder palliative Chemotherapie

In der Behandlung von Krebs unterscheidet man im Wesentlichen zwei Behandlungsziele. Ist das Ziel der Behandlung, die Erkrankung vollständig und dauerhaft zu heilen, wird sie kurativ genannt. Ist die Krankheit nicht mehr heilbar oder lässt der Gesundheitszustand einer Patientin oder eines Patienten eine kurative Behandlung nicht mehr zu, bleibt als Ziel, die Beschwerden zu lindern und ein Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern oder sie zeitweise aufzuhalten. Dann spricht man von palliativer Behandlung.

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Heilungschancen einer Chemotherapie

Um die Erfolgsaussichten einer Chemotherapie einschätzen zu können, orientiert sich das Behandlungsteam an aktuellen Daten aus klinischen Studien. Ob eine Chemotherapie im Einzelfall erfolgreich ist – also nach der Behandlung keine Tumorzellen mehr nachweisbar sind – hängt von vielen Faktoren ab. Allgemeingültige Aussagen lassen sich nicht zuverlässig machen. 

Die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung hängt vom Gesundheitszustand, aber auch von den individuellen Wünschen der Patienten ab. Das Behandlungsteam hilft dabei, diese Bedürfnisse mit den vorhandenen Therapieoptionen abzugleichen. Dabei gilt das Prinzip der gemeinsamen Entscheidungsfindung (engl.: Shared Decision Making), in der Chancen, Risiken und persönliche Bedürfnisse gemeinsam abgewogen werden.

Wie läuft eine Chemotherapie ab?

Die gemeinsame Entscheidung

Am Anfang der Behandlung stehen die Diagnose und Feststellung des Erkrankungsstadiums, bei den meisten Krebserkrankungen durch das sogenannte TNM-Staging. Dabei wird die Größe des Tumors (T) untersucht und bestimmt, wie weit er sich ausgedehnt hat. Weiterhin prüfen die Ärzte, ob in den benachbarten Lymphknoten (N = „nodus“, lateinisch für „Knoten“) des Tumors bereits Tochtergeschwulste, so genannte Metastasen, vorliegen.

Das „M“ gibt an, ob es Metastasen in vom Tumor entfernten Körperregionen gibt. Ist die Ausgangssituation aus medizinischer Sicht klar, berät sich das interdisziplinäre Behandlungsteam, das sogenannte Tumorboard, zu den Behandlungsmöglichkeiten. Über diese sprechen Ärzte dann ausführlich mit den Patienten und wägen die Risiken und Chancen der einzelnen Behandlungswege gemeinsam ab. Die Wünsche und persönlichen Behandlungsziele der Patienten sind wichtig, um einen für sie sinnvollen Behandlungsplan zu erstellen.

Dauer einer Chemotherapie: die Behandlungszyklen

Wie lange die Chemotherapie dauert, hängt neben dem Alter und den Begleiterkrankungen der Patienten auch davon ab, wie viele Therapiezyklen laut Behandlungsplan sinnvoll sind. Die optimale Anzahl und Dauer der Therapiezyklen sowie die Abstände zwischen den Zyklen werden im Behandlungsplan festgelegt. Üblich sind zwischen vier und sechs Zyklen. Die Tage der Medikation wechseln sich mit Erholungsphasen ab, die einige Tage, aber auch Wochen und Monate lang sein können. Diese Ruhepausen sind wichtig, damit sich die gesunden Körperzellen erholen können.

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Nebenwirkungen der Chemotherapie

Wie jede Behandlung, kann auch die Chemotherapie unerwünschte Wirkungen auslösen. Dabei gibt es Nebenwirkungen, die häufig auftreten und andere, die sehr selten sind. Eine systemische Chemotherapie hat den Nachteil, dass sie grundsätzlich alle sich oft teilenden Zellen schädigt, auch die gesunden. 

Besonders häufig betroffen sind zum Beispiel Haut, Haare, Schleimhäute und die blutbildenden Zellen im Knochenmark. Die meisten gesunden Körperzellen reagieren jedoch weniger empfindlich auf Zytostatika als Tumorzellen und erholen sich nach der Behandlung wieder.

Welche Nebenwirkungen im Einzelfall auftreten, hängt unter anderem von der Art der Behandlung, den eingesetzten Wirkstoffen sowie von persönlichen Umständen ab.

Hier eine Auswahl möglicher Nebenwirkungen:

  • Infektanfälligkeit und Fieber
  • Blutarmut und Blutungsrisiko
  • Haarausfall
  • Hautauschläge und Rötungen
  • Schleimhautentzündungen
  • Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen
  • Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue)
  • Einschränkungen der Fruchtbarkeit
  • Einfluss auf die Monatsblutung

Im Gespräch mit dem behandelnden Ärzteteam können Patienten mehr über ihre individuellen Nebenwirkungsrisiken erfahren.

Mythen der Krebstherapie

Einige nicht-wissenschaftliche Quellen im Internet behaupten, dass eine Chemotherapie grundsätzlich gefährlich oder schmerzhaft sei. Solche Verallgemeinerungen sind unseriös und verstärken die Sorgen, die Menschen mit der Diagnose Krebs haben können. 

Die Risiken und Chancen dieser Therapie sind sehr individuell, hängen von zahlreichen Faktoren ab und werden von Patienten und ihren behandelnden Ärzten sorgfältig abgewogen, um eine Entscheidung für oder gegen die Behandlung zu treffen. Es gibt mittlerweile auch immer mehr Möglichkeiten, das Risiko für das Eintreten bestimmter Nebenwirkungen zu senken und, wenn doch Nebenwirkungen auftreten sollten, diese wirksam zu behandeln.

Was tun gegen Nebenwirkungen der Chemotherapie?

Durch bestimmte Maßnahmen lassen sich Nebenwirkungen der Chemotherapie abmildern. Tipps gegen Nebenwirkungen erhalten Patienten am besten von ihren Ärztinnen und Ärzten. Wichtig ist auch, dem Behandlungsteam alle ungewöhnlichen Ereignisse zu berichten, damit geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.

Gegen Übelkeit und Erbrechen werden häufig schon vorab Arzneimittel verabreicht, sogenannte Antiemetika.

Um vorübergehenden Haarausfall vorzubeugen, können Kühlkappen helfen. Sie bewirken eine Verengung der Kopfhautgefäße und verringern dadurch die Durchblutung. Auf diese Weise gelangt weniger Wirkstoff an die empfindlichen Haarwurzelzellen. 

Zusätzlich wird der Stoffwechsel der Zellen verlangsamt und so die Aufnahme des schädigenden Wirkstoffs gedrosselt. Normalerweise wachsen die Haare auf Kopf und Körper zwei bis vier Wochen nach Ende der Behandlung wieder nach. Gern informieren wir Sie zur Kostenübernahme für einen Haarersatz.

Manche Menschen sind während oder nach der Therapie sehr erschöpft. Man nennt das tumorassoziiertes Fatigue-Syndrom. Bei den meisten Patienten klingt es innerhalb weniger Wochen wieder ab. Bei einigen hält die Erschöpfung jedoch noch Monate oder Jahre an. Wirksamstes Mittel dagegen sind – auch wenn es herausfordernd klingt – Sport und Bewegung. Studien belegen: Wer aktiv ist, fühlt sich leistungsfähiger und ist weniger erschöpft. Auch psychoonkologische Betreuung ist für viele Patienten eine wertvolle Hilfe, um das Fatigue-Syndrom, aber auch Ängste und Sorgen zu bewältigen.

Als Folge einer Chemotherapie kann sich die empfindliche Schleimhaut entzünden, zum Beispiel in Mund und Rachen. In leichten Fällen ist die Schleimhaut gerötet, trocken und fühlt sich pelzig oder geschwollen an. Sorgfältige Mundhygiene wie regelmäßiges Zähneputzen mit einer weichen Zahnbürste kann helfen, Entzündungen vorzubeugen. Es empfiehlt sich zudem, vor dem Beginn einer Chemotherapie eventuelle Zahnbehandlungen abzuschließen.

Wenn Sie Nebenwirkungen bemerken, sprechen Sie am besten mit Ihrem behandelnden Ärzteteam darüber. Mit Medikamenten oder anderen Hilfsmitteln lassen sich viele Probleme oft gut behandeln und vermindern.

Literatur und weiterführende Informationen

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