Ärzte betrachten eine Röntgen-Aufnahme einer Lunge
Krebs

Staging, Grading und TNM: So funktioniert die Tumor-Klassifikation

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Natalie Tutzer (Medical Writer, TAKEPART Media + Science GmbH)

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Utta Petzold (Dermatologin, Allergologin, Phlebologin, Barmer)

In den 1940er Jahren entwarf der Chirurg Pierre Denoix die TNM-Klassifikation, die die räumliche Ausdehnung eines Tumors abbildet. Später kam das Grading hinzu, das den Ausreifungsgrad der einzelnen Tumorzelle selbst beschreibt. Die internationale Vereinigung gegen Krebs (Union internationale contre le cancer, UICC) entwickelt diese Klassifikationen seitdem weiter, um Grundlagen für individuelle Behandlungspläne bei Krebs zu schaffen. Dieser Beitrag klärt, was Staging und Grading unterscheidet und wie die Tumor-Klassifikation im TNM-System funktioniert.

Was ist Staging?

Wird Krebs diagnostiziert, bestimmen Ärztinnen und Ärzte zunächst das Stadium der Erkrankung (Englisch: Staging), indem sie die Größe und Ausbreitung des Tumors im Körper beurteilen. Das Staging ist eine der Voraussetzungen, um eine Prognose stellen zu können. Prognose bedeutet, dass Ärzte anhand von Erfahrungswerten aus Studiendaten abschätzen, wie sich ein Tumor entwickeln wird. Diese Einschätzung ist notwendig, um auf Grundlage der individuellen Bedürfnisse des Patienten eine angemessene Behandlung zu planen.

Die meisten Ärzte und Wissenschaftler nutzen das englische Fachwort Staging, weil Forschungsdaten zur Behandlung von Krebs international geteilt werden. Für das Staging der meisten Krebsarten dient die TNM-Klassifikation.

Was ist die TNM-Klassifikation?

Die Klassifikation unterstützt Ärzte und Ärztinnen dabei, das Stadium von bösartigen Krebserkrankungen zu bestimmen. In Arztbriefen ist sie oft als Kombination von Zahlen und Buchstaben zu lesen.

In der eCare, der elektronischen Patientenakte der Barmer, können Ihre Ärzte und Ärztinnen alle wichtigen Unterlagen speichern. Bitten Sie sie Arztbriefe, Berichte und Befunde in Ihrer eCare einzustellen. So können Sie diese flexibel mit anderen Ärzten und Ärztinnen teilen – ohne die Unterlagen extra nachträglich anfordern zu müssen.

T, N und M sind die drei Säulen der Einteilung:

  • T steht für die Größe und Ausdehnung des ursprünglichen Krebsgeschwürs (Primärtumor).
  • N gibt an, ob in den benachbarten Lymphknoten (Englisch: node) Krebszellen nachweisbar sind (Lymphknoten-Metastasen).
  • M gibt an, ob der Tumor in anderen Körperregionen oder Organen Metastasen gebildet hat (Fernmetastasen).

Die TNM-Klassifikation ordnet Tumoren systematisch nach Größe und Ausbreitung im Körper ein. Die Einteilung wird bei der Diagnose und während oder nach der Behandlung vorgenommen, beispielsweise um den Stand nach einer Operation oder durchgeführten Chemotherapie zu dokumentieren.

Die TNM-Klassifikation kann nicht auf jede Krebserkrankung angewandt werden. Bei manchen Krebsarten beurteilen Ärzte das Stadium mithilfe anderer Systeme. Das ist unter anderem bei der Ann-Arbor-Klassifikation für Leukämien und Lymphome der Fall. Prostatatumoren werden anhand des GLEASON-Scores beurteilt, der sich stark auf das Grading stützt.

Die Lymphknoten sind wichtiger Bestandteil unserer Immunabwehr. Die kleinen, ovalen Organe sind Teil des Lymphsystems. Sie sind über den ganzen Körper verteilt. Ihre Aufgabe ist es, Schadstoffe und Krankheitserreger aus dem Gewebe zu filtern. Lymphknoten sind auch der Ort, wo Abwehrzellen (Lymphozyten) heranreifen, nachdem sie mit Krankheitserregern Kontakt hatten. Sind sie angeschwollen, arbeiten sie gerade besonders hart. Deshalb kann man sie bei einer Erkältung häufig zum Beispiel am Hals ertasten. Bei einer Infektion sind angeschwollene Lymphknoten ein Zeichen einer funktionierenden Immunabwehr, die gegen die Krankheitserreger ankämpft.

Vergrößerte Lymphknoten können auch durch Krebs hervorgerufen werden. Dabei wandern die Tumorzellen von ihrem Ursprung durch die Lymphbahnen in andere Organe. Oft siedeln sie sich als erstes in den Lymphknoten an, die dem Primärtumor am nächsten liegen. Bei Brustkrebs sind das zum Beispiel die Lymphknoten in den Achselhöhlen.

Krebs-Stadium nach UICC: Zusätzliche Klassifikation nach dem Staging

Sind die Größe, Ausbreitung und Beschaffenheit des Tumors bekannt, wird dieser einem Stadium zugeordnet. Krebserkrankungen mit vergleichbarer Prognose werden im selben Stadium zusammengefasst. Die Stadien werden in römischen Ziffern von 0 bis IV angegeben. Das Stadium 0 steht für ein Frühstadium, in dem zwar Krebszellen mit bösartigen Gewebemerkmalen nachweisbar sind, aber der Tumor auf das Gewebe seines Ursprungs begrenzt ist und nur langsam wächst (Carcinoma in situ). Beispiele dafür sind auf die Schleimhaut begrenzte Magentumoren oder Bronchialkarzinome sowie auf die äußere Hautschicht begrenzte Melanome. 

Tumoren, die bereits in die Umgebung eingewachsen sind, aber noch nicht gestreut haben, werden in der Regel Stadium I oder II zugeordnet. Stadium III bedeutet, dass Tumoren bereits in die benachbarten Lymphknoten gestreut haben. Sind Metastasen an weiter entfernen Körperregionen nachweisbar, wird er in der Regel dem Stadium IV zugeteilt. Die international verwendeten Krebsstadien werden von der Union Internationale Contre le Cancer (UICC) entwickelt. 

Die Organisation, die sich der Krebsforschung widmet, besteht aus über 1.200 Mitgliedsorganisationen aus 172 Ländern, zu denen etwa auch die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft gehören.

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So sieht die TNM-Einteilung im Arztbrief aus

Neben den Kategorien T, N und M stehen im Arztbrief Ziffern, die für deren jeweilige Ausprägung stehen.

  • Für T ist die Größe und Ausbreitung des Primärtumors ausschlaggebend. Je nach Tumorart ist klar definiert, welche Werte T1 bis T4 zugeordnet werden. Sehr selten sind Metastasen nachweisbar, ohne dass ein Primärtumor gefunden wird. Diese spezielle Krebserkrankung wird CUP-Syndrom oder „Krebs ohne Primärtumor“ bezeichnet. In diesem Fall wird im Arztbrief T0 angegeben.
  • Die Werte N0 bis N3 stehen für einen möglichen Befall der nächstgelegenen Lymphknoten. N0 bedeutet, dass keine Krebszellen in den nahen Lymphknoten nachweisbar sind. Bei N1 sind nur wenige, nahe Lymphknoten betroffen. Bei N2 und N3 sind zunehmend mehr und auch entferntere Lymphknoten besiedelt.
  • Mit M unterscheidet man, ob Metastasen vom ursprünglichen Tumor bei weiteren Organen und Gewebe nachweisbar sind. M0 bedeutet, es sind sehr wahrscheinlich keine Metastasen vorhanden. Hat der Krebs gestreut, wird dies mit M1 bezeichnet. Wenn durch bildgebende Verfahren wie Röntgen- oder MRT-Aufnahmen keine Metastasen nachweisbar sind, kennzeichnen Ärzte das mit M0.

Beispiel für eine TNM-Klassifikation:
Wird bei einer Patientin Brustkrebs festgestellt, könnte die Klassifikation im Arztbrief etwa wie folgt aussehen: T2, N1, M0. Das würde bedeuten, dass

  • der Tumor zwischen 2 und 5 Zentimetern groß ist,
  • die Lymphknoten an den Achseln auf einer Körperseite befallen und
  • keine Metastasen an anderen Organen oder Gewebe nachweisbar sind.

Die Krebserkrankung würde mit diesen Werten dem Stadium II zugeordnet werden. Die Stadieneinteilung variiert für verschiedene Krebsarten.

Um Besonderheiten zu kennzeichnen, werden weitere Buchstaben vor- oder nachgestellt. Beispielsweise kann der Ort von Metastasen mit bestimmten Abkürzungen angegeben werden, beispielweise PUL für die Lunge oder LYM für entfernte Lymphknoten.

Je nachdem, wann das Staging erfolgt, unterscheidet man unter anderem zwischen einem klinischen und einem pathologischen Befund. Dies wird in der Klassifikation mit vorangestellten Kleinbuchstaben c beziehungsweise p angegeben. Bei einem klinischen Befund „c“ erfolgt die Klassifikation beispielsweise mithilfe bildgebender Diagnoseverfahren oder anhand einer Gewebeprobe (Biopsie). 

Die Einteilung nach dem pathologischen Befund „p“ erfolgt anhand der mikroskopischen Untersuchung - der Histopathologie - des entfernten Tumorgewebes nach einer Operation. Pathologische Einteilungen sind meist genauer als klinische, da Ärzte durch Operationen die Größe und Ausbreitung eines Tumors noch genauer bewerten können als durch bildgebende Verfahren. Verschiedene Arten von Krebs werden mit diesem System unterschiedlich beurteilt. 

Da Krebserkrankungen sich stark in Ausbreitung und Prognose unterscheiden können, gibt es für jede Krebsart eine eigene Definition, welche Eigenschaften für welche Werte von T, N und M stehen.

Vorteile der TNM-Klassifikation

Die TNM-Klassifikation ist international etabliert, um Krebserkrankungen zu beurteilen. Ein System, dass über die Ländergrenzen hinweg einheitlich ist, hat große Vorteile:

  • Ergebnisse der Krebsforschung können weltweit in einer einheitlichen Sprache geteilt und verglichen werden. Fehlinterpretationen von Studiendaten aufgrund einer ungenauen „Übersetzung“ zwischen verschiedenen Systemen werden verringert.
  • Informationen zu den Behandlungen verschiedener Krebsarten können in Leitlinien einfließen. Durch die Stadieneinteilung kann individuell für jeden Betroffenen die bestmögliche Behandlung geplant werden. Während der Krankheitsverlauf von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein kann, geben Informationen der Klassifikation einen ersten Hinweis auf die Prognose.
  • Während der Therapie hilft dieser Wissensfundus dabei, Ergebnisse zu interpretieren und den Therapieerfolg abzuschätzen. Auch Screenings zur Früherkennung von Krebs können durch Informationen der TNM-Klassifikation besser geplant werden.

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Was ist Grading?

Durch das Staging wird also die Größe und Ausbreitung eines Tumors im Körper bestimmt. Mithilfe des Gradings beurteilen Ärztinnen und Ärzte gewissermaßen den Charakter des Tumors: Wie „bösartig“ er ist, wird daran gemessen, wie stark sich die Krebszellen von gesunden Zellen unterscheiden.

Gesunde Körperzellen erfüllen spezielle Aufgaben. Sie sind stark differenziert und unterscheiden sich voneinander: Nierenzellen sind anders beschaffen als Haarzellen oder Hautzellen. Krebszellen sind jedoch krankhaft veränderte Zellen und erfüllen anders als die gesunden Zellen, von denen sie abstammen, nicht deren Aufgaben im Körper. Sie sind weniger differenziert. Sie sind also entweder weniger deutlich an eine bestimmte Funktion angepasst oder sogar vollkommen „entdifferenziert“. 

Dann fehlt ihnen ein Großteil der Eigenschaften, die gesunde Zellen haben. Gleichzeitig sind die „Wachstumsbremsen“ in Krebszellen ausgefallen, weshalb sie sich unkontrolliert immer weiter teilen. Je weniger differenziert Krebszellen sind, desto schneller vermehren sie sich und bilden möglicherweise Metastasen im Körper.

Das bedeutet: Je stärker sich Krebszellen von gesundem Gewebe unterscheiden, also je weniger differenziert sie für eine Aufgabe sind, als desto „bösartiger“ werden sie bewertet. Die Klassifikation des Gewebes wird mit dem Buchstaben G und einer Ziffer von 1 bis 4 angezeigt. G1 bedeutet, dass Tumorzellen gut differenziert und damit weniger bösartig sind. G4 heißt, dass die Zellen überhaupt nicht differenziert und damit sehr bösartig sind.

Literatur und weiterführende Informationen

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