Bei der Behandlung von Depressionen denken viele Menschen zunächst an die Psychotherapie und an eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva. Aber auch der alten Heilpflanze Johanniskraut wird eine beruhigende und depressionslindernde Wirkung nachgesagt. Ist da auch wissenschaftlich etwas dran? Mehr zur Wirkung von Johanniskraut gegen Depression sowie zu möglichen Nebenwirkungen und zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Was ist Johanniskraut und wie wirkt es gegen Depressionen?
Zu den Johanniskrautgewächsen (Hypericaceae) zählen weltweit etwa 500 Arten. Am bekanntesten ist das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum). Ein gewichtiger Grund für diese Bekanntheit: Die Pflanze mit den leuchtend gelben Blüten soll eine beruhigende und antidepressive Wirkung haben. Deshalb verwundert es nicht, dass das Echte Johanniskraut als Stimmungsaufheller vermarktet wird. Es kann in unterschiedlichen pflanzlichen Zubereitungsformen in Apotheken und Drogerien gekauft und teils sogar verschrieben werden. Erhältlich sind Johanniskrautpräparate in Form von Kapseln, Tabletten, Tropfen, als Heilpflanzensaft und Tees.
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Natürlich interessiert sich auch die medizinische Forschung für die potenziell antidepressiven Eigenschaften des Echten Johanniskrauts. Zahlreiche Studien liegen zu diesem Thema vor. Diese bilden die wissenschaftliche Basis, die 2009 den Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel HMPC der Europäischen Arzneimittelagentur zu einem offensiven Statement veranlasste: Bestimmte Johanniskrautpräparate seien bezüglich ihrer Wirkung gegen Depression vergleichbar mit synthetischen Antidepressiva – und das bei weniger Nebenwirkungen.
2016 bestätigte eine Analyse von 35 Studien diese Einschätzung des HMPC: Die alleinige Therapie mit Johanniskraut sei bei leichten und mittelschweren Depressionen einem Placebo (einem wirkstofflosen Scheinmedikament) überlegen und unterscheide sich nicht signifikant von der Wirkung der synthetischen Antidepressiva.
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Gegen Depressionen ist also tatsächlich ein Kraut gewachsen? Abschließend bewiesen ist das alles noch nicht. Denn die eben erwähnten zahlreichen Studien zur Wirksamkeit von Johanniskraut waren zu unterschiedlich aufgebaut, um daraus eine allgemeingültige, also beweiskräftige Aussage abzuleiten. Zudem ist bisher gar nicht geklärt, welche der in Johanniskrautextrakt enthaltenen Substanzen wie Hyperforin und Hypericin in welchem Maße für die vermuteten antidepressiven Wirkungen verantwortlich sind.
Welchen Stellenwert hat Johanniskraut in der ärztlichen Therapie von Depressionen?
Den Medien ist „Johanniskraut gegen Depression“ immer wieder eine Headline wert, aber auch in der ärztlichen Leitlinie „Unipolare Depression“ findet sich inzwischen ein ganzes Kapitel zur Behandlung mit Johanniskraut. Dort heißt es wörtlich: „Wenn bei leichten depressiven Episoden eine medikamentöse Therapie erwogen wird, kann nach Aufklärung über spezifische Nebenwirkungen und Interaktionen ein erster Therapieversuch mit einem als Arzneimittel zugelassenen Johanniskrautpräparat angeboten werden.“
Übersetzt bedeutet das: Ärztinnen und Ärzte können bei leichten depressiven Beschwerden ein Johanniskrautpräparat verordnen, beispielsweise um Symptome einer vorübergehenden Winterdepression zu lindern.
Wie lange dauert es, bis Johanniskraut wirkt?
Wie bei den Antidepressiva dauert es auch bei Johanniskrautpräparaten einige Zeit, bis sie eine antidepressive Wirkung entfalten. Zwei bis drei Wochen würden es mindestens bis zum Wirkeintritt sein, heißt es, manche Quellen reden sogar von wenigstens vier Wochen. Daher sollten Sie etwas Geduld mitbringen, wenn Sie sich zusammen mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt für ein Johanniskrautpräparat zur Linderung depressiver Symptome entscheiden.
Bei Johanniskrautpräparaten sollten Sie außerdem keine Wunderwirkung erwarten. Die Präparate ersetzen schon gar keine anderen Therapiemaßnahmen bei Depression. Ob Johanniskrautpräparate für Sie infrage kommen und sinnvoll sind oder ob ein Risiko von Wechselwirkungen besteht, besprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt
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Welche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen können bei Johanniskraut gegen Depression auftreten?
In den Studien, die die Wirkung von Johanniskraut bei Depression untersuchten, wurde Johanniskrautpräparaten auch eine allgemein gute Verträglichkeit bescheinigt. Das klingt erst einmal gut. Jedoch lieferten die Studien aufgrund ihres unterschiedlichen Aufbaus bezüglich der Nebenwirkungen von Johanniskrautpräparaten keine Erkenntnisse von hoher wissenschaftlicher Beweiskraft (fachsprachlich: hoher Evidenzqualität).
Davon unabhängig sollten Ärztinnen und Ärzte bei ihren Patientinnen und Patienten, die ein Johanniskrautpräparat einnehmen, immer die individuell auftretenden Nebenwirkungen im Blick behalten.
Zu den möglichen Nebenwirkungen bei der Einnahme von Johanniskraut gehören:
- Störungen und Beschwerden des Magen-Darm-Traktes (gastrointestinale Störungen)
- Allergische Hautreaktionen
- Müdigkeit und Unruhe
- Erhöhte Empfindlichkeit der Haut gegenüber Sonnenlicht (Photosensibilisierung) mit sonnenbrandähnlichen Reaktionen, vor allem bei hellhäutigen Personen. Wenn Sie ein Johanniskrautpräparat einnehmen, sollten Sie wegen der Gefahr einer Photosensibilisierung mit Aufenthalten in der Sonne besonders vorsichtig sein.
Johanniskraut: Mögliche Wechselwirkungen beachten
Besonders vorsichtig sollten Sie mit Johanniskraut sein, wenn Sie Medikamente einnehmen müssen. Bestimmte Wirkstoffe dürfen nicht mit Johanniskraut kombiniert werden. Wenn Sie Medikamente einnehmen, fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke, ob Sie Johanniskrautpräparate einnehmen dürfen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie schwangere und stillende Frauen sollten Johanniskrautpräparate nicht einnehmen.
Der Begriff Wechselwirkung bezeichnet in der Pharmakologie die gegenseitige Beeinflussung von Arzneistoffen in ihrer Wirkung. Auch bei Johanniskrautpräparaten können mit bestimmten Medikamenten solche Wechselwirkungen auftreten:
- Johanniskrautpräparate können die Wirkung von Medikamenten beeinflussen und verstärken, die auf den Gehirnbotenstoff Serotonin einwirken. Zu diesen Medikamenten gehören Antidepressiva aus der Klasse der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Medikamente mit dem angstlösenden Arzneistoff Buspiron und die Migränemedikamente aus der Klasse der Triptane.
- Mitunter schwerwiegende Wechselwirkungen können im Zusammenhang mit bestimmten Medikamenten (Protease-Inhibitoren) auftreten, die zur Behandlung einer HIV-Infektion zugelassen sind.
- Gleiches gilt für bestimmte Arzneimittel aus der Chemotherapie (Zytostatika) und einige Immunsuppressiva, die insbesondere nach Organtransplantationen notwendig sind.
- Möglich sind außerdem Wechselwirkungen mit Antikoagulantien (Blutverdünner) und mit oralen Kontrazeptiva (Verhütungspillen), deren Wirkung durch Johanniskrautpräparate herabgesetzt sein kann. Zusätzliche Verhütungsmaßnahmen, beispielsweise mit Kondomen, können daher sinnvoll sein.
Johanniskraut bei Depression in Absprache mit der behandelnden Arztpraxis
Nur die als Arzneimittel zugelassenen Johanniskrautpräparate sind in ihrer Zusammensetzung standardisiert. Konkret bedeutet das: Allein bei diesen Präparaten können Ärztinnen und Ärzte die Wechselwirkungen zuverlässig einschätzen. Bei den frei verkäuflichen Johanniskrautpräparaten lässt sich schlechter beurteilen, ob diese Produkte wirksam sind und welche Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen sie hervorrufen können. Bevor Sie sich für ein Präparat entscheiden, sollten Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt besprechen, ob ein Johanniskrautpräparat sinnvoll ist – und wenn ja, welches.