Der Tod eines geliebten Menschen verändert das Leben der Angehörigen von Grund auf. Im Falle eines Hirntods sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, mit den nächsten Angehörigen über das Thema Organspende zu sprechen. Sie informieren die Angehörigen über die Entscheidung, wenn Verstorbene ihren Willen zu Lebzeiten festgehalten haben. Gibt es jedoch keinen Organspendeausweis oder keine Patientenverfügung, müssen die Hinterbliebenen über die Organspende entscheiden. Bei einem Großteil der Menschen in Deutschland ist das der Fall. Im emotionalen Ausnahmezustand der Trauer müssen Menschen dann eine grundlegende Frage über den Körper ihres Angehörigen treffen – eine belastende Situation.
Eine schwierige Situation
In Deutschland gilt für die Organspende die Entscheidungslösung. Das bedeutet, dass Menschen zu Lebzeiten mit dem Organspendeausweis, im Organspende-Register oder in ihrer Patientenverfügung ihre Entscheidung festhalten sollen. Wurde keine Entscheidung dokumentiert, müssen die Angehörigen im Todesfall entscheiden, ob sie die Organe für eine Spende freigeben. Die nächsten Angehörigen sind vor dem Gesetz in der Regel Partnerinnen oder Partner der Verstorbenen, Eltern, Großeltern, volljährige Kinder oder Geschwister. Im Jahr 2020 gaben 4 von 10 Organspenderinnen und Organspender ihre Einwilligung zu Lebzeiten. Für 5 von 10 Spenderinnen und Spender entschieden die Angehörigen nach deren vermuteten Willen. War dieser nicht bekannt, mussten für 1 von 10 Organspendern Angehörige nach ihren eigenen Wertvorstellungen entscheiden.
Der Abschied von einem geliebten Menschen ist immer unvorstellbar. Der Hirntod, oder irreversible Hirnfunktionsausfall, ist die Voraussetzung für eine Organspende. Er tritt häufig durch Unfall oder Vorfälle wie Hirnblutungen ein – und ist in vielen Fällen vollkommen unerwartet. Die Entscheidung über die Organspende ist für Angehörige eine große Belastung, die zu ihrer Trauer hinzukommt. In diesem Erfahrungsbericht schildert Maria, was es für sie bedeutet hat, über die Organspende ihres Sohnes entscheiden zu müssen.
Es ist schwierig, sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen. Doch um unsere Angehörigen im möglichen Trauerfall zu entlasten, ist es wichtig, dass wir uns zu Lebzeiten Gedanken über das Thema Organspende machen. Unsere persönliche Entscheidung – egal, wie diese ausfällt – können wir in einem Organspendeausweis festhalten.
Das Angehörigengespräch
Ärztinnen und Ärzte müssen den Patientenwillen zur Organspende erkunden und mit den Angehörigen über das Thema Organspende sprechen – und zwar dann, wenn der Hirntod entweder unmittelbar bevorsteht oder vermutlich bereits eingetreten ist. Im Gespräch ist es die Aufgabe der Ärzte, den Angehörigen den Hirntod verständlich zu erklären. Der Hirntod muss von den Angehörigen verstanden sein. Die Hauptvoraussetzung für die Frage nach der Organspende ist der festgestellte Hirntod. Nach einem plötzlichen Verlust wirkt für Menschen häufig alles unwirklich. Wenn Verstorbene an Beatmungsgeräte angeschlossen sind, um die Durchblutung der Organe aufrechtzuerhalten, kann es außerdem so wirken, als würden sie nur schlafen. Der Hirntod ist jedoch nicht umkehrbar. Mit der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls gilt der Mensch als verstorben und der Totenschein wird ausgestellt. Lediglich der Körper kann durch Maschinen noch künstlich in der Funktion gehalten werden.
Ist die Entscheidung der Verstorbenen dokumentiert, werden Angehörige darüber informiert. Oft liegt jedoch keine dokumentierte Entscheidung der Verstorbenen vor. Wenn die Verstorbenen ihre Gedanken zur Organspende mit ihren Angehörigen geteilt haben, müssen sie sich an deren mündliche Entscheidung halten. Gab es dieses Gespräche nicht, liegt es an den Angehörigen zu vermuten, was der oder die Verstorbene gewollt hätte. Ärztinnen und Ärzte sowie Ansprechpartner der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) unterstützen sie bei dieser schwierigen Abwägung. Fragen wie "Hat dieser Mensch sich irgendwann positiv über Organspende geäußert?" oder "Hat er oder sie oft Blut gespendet?" können dabei helfen, den vermuteten Willen der Verstorbenen zu erahnen. Die DSO ist eine gemeinnützige Stiftung, die die postmortale Organspende in Deutschland koordiniert und auch für die Angehörigenbetreuung zuständig ist. Dabei begleitet sie Angehörige während des gesamten Prozesses der Entscheidungsfindung und darüber hinaus und achtet auch darauf, dass bei der Entscheidung kein Zeitdruck wahrgenommen wird. Die Organisation bietet umfassende Informationen zur Organspende und Transplantation an und beantwortet die Fragen der Angehörigen. Dabei ist jederzeit ihr höchstes Gebot, die Würde der Verstorbenen zu achten.
Angehörige werden darüber informiert, ob und welche Organe für eine Spende geeignet sind. Ist eine Organspende aus verschiedenen Gründen nicht möglich, kann eine Gewebespende in Betracht kommen. Das ist etwa eine Spende von Herzklappen, Blutgefäßen oder Knochengewebe. Anders als bei der Organtransplantation kann eine Gewebespende zunächst für einige Zeit konserviert werden, bis sie Empfängerinnen oder Empfängern vermittelt wird.
Wenn Angehörige einer Organspende widersprechen
Angehörige sollen frei von jedem Druck entscheiden, wie sie denken, dass der oder die Verstorbene entschieden hätte. Lehen sie ab, die Organe für eine Transplantation freizugeben, werden die künstliche Beatmung und alle intensivmedizinischen Maßnahmen beendet.
Was passiert nach einer Zustimmung der Angehörigen für die Organspende?
Stimmen Angehörige einer Organspende zu, beginnt ein genau festgelegter Ablauf. Die verstorbene Person wird weiter beatmet und intensivmedizinisch versorgt. In einer Operation werden die Organe entnommen, die sich für eine Spende eignen. Die Organspende wird unter den gleichen Bedingungen wie jede andere Operation durchgeführt. Die Ärzte verschließen die durch den Eingriff entstandene Wunde. Nach der Entnahme der Organe beenden die Ärzte die künstliche Aufrechterhaltung des Herz-Kreislauf-Systems. Die Angehörigen können den Organspender oder die Organspenderin in einem würdevollen Zustand in dem von ihnen gewählten Rahmen verabschieden.
Die Namen der Personen, die die gespendeten Organe empfangen, erfahren Angehörige nicht. Sie können sich aber, wenn sie das wünschen, über das Ergebnis der Transplantation informieren.
Was passiert nach der Transplantation?
Die DSO unterstützt Angehörige auch über die Organspende hinaus und beantwortet Fragen und Anliegen. Manchen Menschen hilft es, an regionalen Angehörigentreffen teilzunehmen. Bei diesen können sie sich mit anderen über ihre Erfahrungen austauschen und werden dabei psychologisch begleitet. Diese Treffen gibt es teilweise auch für besondere Spendergruppen, etwas für Eltern, die ein Kind verloren haben.
Viele Empfängerinnen und Empfänger von Spenderorganen und ihre Familien haben den Wunsch, sich bei den Hinterbliebenen der Organspender zu bedanken. Das Transplantationsgesetz schreibt vor, dass eine Organspende anonym bleiben muss, das heißt, der Organempfänger erfährt nicht, von wem sein oder ihr transplantiertes Organ gespendet wurde. Seit 2019 können Organempfänger über die DSO jedoch anonyme Dankschreiben wie Briefe an die Familien der Spender und Spenderinnen weiterleiten lassen. Es gibt für beide Seiten keine moralische Verpflichtung, Briefe zu schreiben oder empfangene Briefe zu öffnen.