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Anämie: Ursachen, Symptome und Behandlung

Lesedauer

unter 10 Minuten

Redaktion

  • Constanze Löffler (Wissenschaftsjournalistin, Ärztin)

Qualitätssicherung

  • Annette Mittmann (Gynäkologie, Psychotherapie, Psychoonkologie - medproduction GmbH )

Von einer Anämie spricht man, wenn das Blut eines Menschen weniger rote Blutkörperchen oder weniger roten Blutfarbstoff enthält, als das normalerweise der Fall ist. Die roten Blutkörperchen transportieren den Sauerstoff ins Gewebe und in die Organe. Sind davon zu wenige vorhanden, wird der Körper schlechter mit Sauerstoff versorgt. Menschen mit einer Anämie sind daher häufig blass, schneller erschöpft und können sich schlechter konzentrieren. Umgangssprachlich spricht man auch von Blutarmut oder Blutmangel – beides ist aber nicht ganz korrekt. Bei einer Anämie hat man nicht zu wenig Blut, sondern zu wenig roten Blutfarbstoff.

Was versteht man unter einer Anämie?

Die Anämie ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom, das verschiedene Ursachen haben kann. Sie tritt auf, 

  • wenn nicht ausreichend rote Blutkörperchen gebildet werden, wie bei einer Eisenmangelanämie
  • bei einem gesteigerten Abbau der roten Blutkörperchen, beispielsweise durch bestimmte Medikamente oder Infektionskrankheiten
  • durch Blutverlust nach einer OP, bei einem Unfall, durch starkes Bluten während der Menstruation oder
  • infolge einer Verteilungsstörung, wenn sich die roten Blutkörperchen beispielsweise vermehrt in einer vergrößerten Milz sammeln

Die Ursache der Blutarmut sollte in jedem Fall geklärt werden. Am häufigsten kommt sie bei Eisenmangel und chronischen Erkrankungen vor.

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Was ist eine Eisenmangelanämie?

Am Tag nimmt unser Darm zwischen ein und drei Gramm Eisen aus der Nahrung auf. Wenn wir mehr brauchen, etwa im Wachstum, Schwangerschaft und Stillzeit, wenn wir sehr viel Sport treiben oder einen Eisenmangel ausgleichen müssen, steigert unser Körper die Aufnahme. Bereits eine geringe Störung der Balance zwischen Aufnahme und Verlust kann zur Eisenmangelsituation führen.

Die Hauptursache des Eisenmangels ist eine Mangel- oder Fehlernährung. Bei ausreichendem Eisenangebot über die Nahrung, kann einem Eisenmangel daran liegen, dass der Darm nicht genügend aufnehmen kann wie z. B. bei Zöliakie. Auch ein chronischer Blutverlust (z. B. bei Menorrhagie) kann beitragen, eine chronische entzündliche Erkrankung (z. B. rheumatoide Arthritis, chronisch entzündliche Darmerkrankung). Selten können auch genetische Ursachen zu Grunde liegen.

Gleichzeitig verlieren wir das Spurenelement, zum Beispiel mit Haut- und Schleimhautzellen, die wir untertags verlieren oder kleineren Blutverlusten. Wir erleiden einen Mangel, wenn wir dies nicht mit der Nahrung ausgleichen. Ältere Menschen kommen häufiger in diese Situation, weil ihr Magen-Darm-Trakt Eisen nicht mehr so gut aufnehmen kann.

Wie führen Infekte und chronische Erkrankungen zu einer Anämie?

Bei einer Infektanämie kann der Körper das Eisen infolge der entzündlichen Veränderungen schlechter verwerten. Es handelt sich um eine Blutarmut, die aufgrund einer chronischen Abwehr des Körpers bei langanhaltenden Entzündungen entsteht. Das liegt einerseits daran, dass das Spurenelement aufgrund der Entzündung schlechter aus dem Dünndarm aufgenommen wird. Zudem wird der Vorrat aus den Eisenspeichern nicht so gut freigesetzt; der Körper kann also seine Reserven nicht nutzen. Man spricht auch von einem funktionellen Eisenmangel. Länger bestehende Entzündungsabläufe sind verantwortlich und auch Krebs oder bestimmte chronische Krankheiten wie Rheuma beeinflussen den Eisenhaushalt.

Wann ist der Wert des roten Blutfarbstoffs zu hoch oder zu niedrig?

Blut setzt sich aus Flüssigkeit und verschiedenen Blutzellen zusammen. Dazu gehören die roten Blutkörperchen, die sogenannten Erythrozyten. Sie enthalten den Farbstoff Hämoglobin, der dem Blut seine Farbe verleiht und hilft, Sauerstoff mit dem Blut ins Gewebe und in die Organe zu transportieren. Der Körper braucht verschiedene Nährstoffe, um Hämoglobin zu bilden. Dazu gehören zum Beispiel verschiedene Eiweiße, Vitamine und Eisen.

Der Wert des Hämoglobins wird als „Hb“ angegeben. Er variiert abhängig vom Alter und Geschlecht: Frauen, insbesondere Schwangere, und ältere Menschen haben niedrigere Werte. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben Männer eine Anämie, wenn bei ihnen die Hämoglobinkonzentration (Hb-Wert) 13 g/dl unterschreitet. Bei Frauen liegt die Grenze bei 12 g/dl.

Wie häufig ist eine Anämie?

Eine Blutarmut, wie die Anämie umgangssprachlich genannt wird, ist ein häufiges Phänomen: Schätzungen zufolge leiden 600 Millionen Menschen weltweit daran. In Deutschland und Europa sind zwischen fünf und zehn Prozent der Menschen betroffen, bei Frauen im gebärfähigen Alter sind es bis zu 20 Prozent.

Frauen sind häufiger von einer Anämie betroffen, weil sie unter anderem während der Menstruation regelmäßig Blut verlieren oder während der Schwangerschaft einen erhöhten Bedarf an Eisen haben. In vier von fünf Fällen von Anämie liegt eine Eisenmangelanämie vor. Vor allem auf diese Form des Phänomens wird hier genauer eingegangen.

Wie viel Eisen enthält der menschliche Körper?

Der Körper eines Mannes enthält 50 Milligramm Eisen pro Kilogramm Körpergewicht, bei den Frauen sind es 35. Der Eisenbestand des Körpers gliedert sich auf in 

  • Häm-Eisen in Form des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin (70%),
  • Depoteisen, das in Zellen gespeichert wird (18%), 
  • Funktionseisen im Knochenmark, im Muskelprotein Myoglobin und in einer Reihe von Enzymen, die Eisen als Kofaktor benötigen (12%) sowie 
  • Transporteisen (0,1%).

Wie äußert sich eine Anämie?

Eine Anämie zeigt sich in verschiedenen Symptomen, ausgelöst durch den fehlenden Blutfarbstoff: 

  • blasse Haut und blasse Schleimhäute
  • Erschöpfung und Schwindel
  • Konzentrationsschwierigkeiten und Leistungsknick
  • Kopfschmerzen und
  • Müdigkeit

Manche Menschen klagen auch über einen beschleunigten Herzschlag (Herzrasen) und Atemnot, die dann meist schon bei leichten Anstrengungen auftreten.

Bei einer Eisenmangelanämie können zudem die Haare ausfallen, die Nägel brüchig werden und sich verformen sowie die Mundwinkel einreißen. 

Vitamin-B12-Mangelanämie

Eine weitere Form der Anämie ist die Vitamin-B12-Mangelanämie, auch perniziöse Anämie genannt. Der Körper braucht Vitamin B12 (Cobalamin) für verschiedene Aufgaben, zum Beispiel bei der Blutbildung, der Zellteilung und um Nervenhüllen aufzubauen. Häufiger sind Menschen betroffen, die sich vegan ernähren oder vegetarisch leben, da es nicht immer gelingt, den Vitamin B12 Bedarf über die Ernährung zu decken. Menschen mit einer Vitamin-B12-Mangelanämie bemerken neben den typischen Anzeichen einer Anämie häufig auch Veränderungen an den Nerven: Sie haben Taubheitsgefühle, besonders in den Füßen, beklagen ein gestörtes Gleichgewicht und einen unsicheren Gang sowie Muskelschwäche. Bei manchen leidet auch der Geruchssinn.

Wie wird die Anämie bestimmt?

Für die Diagnose wird der Arzt oder die Ärztin Sie im Gespräch nach Beschwerden und Vorerkrankungen fragen. Die Antworten geben erste Hinweise auf die Ursachen der Blutarmut. Es folgen Laboruntersuchungen, um festzustellen, dass tatsächlich eine Anämie vorliegt und unter welcher Form Sie leiden könnten.

Ist einmal die Variante geklärt, stehen den Ärztinnen und Ärzten verschiedene Folgeuntersuchungen zur Verfügung, um die genauen Ursachen herauszufinden. Sie suchen beispielsweise mit Hilfe einer Magen- oder einer Darmspiegelung nach Blutungsquellen wie einer chronisch entzündeten Magenschleimhaut oder Polypen, die im Darm bluten. Weitere Untersuchungsmöglichkeiten sind verschiedene bildgebende Verfahren wie Ultraschall.

Auf welche Werte kommt es im Labor an?

Der wichtigste Wert ist das Hämoglobin, kurz HB. Alter und Vorerkrankungen, aber auch die Analysemethode des Labors beeinflussen das Ergebnis. Wichtig ist auch der Hämatokrit-Wert, kurz HK. Er bezeichnet das Verhältnis fester zu flüssigen Bestandteilen des Blutes. Da die roten Blutkörperchen den größten Anteil aller Blutzellen ausmachen, ist die Höhe des HK-Wertes eine alternative Messgröße zum Hämoglobin-Wert. Hämoglobin- und Hämatokrit-Wert hängen miteinander zusammen und sind die entscheidenden Parameter bei den Laboruntersuchungen für die Diagnose.

Daneben existieren zahlreiche andere Werte, anhand derer sich eine Blutarmut und ihre Ursachen genau erkennen lassen.

Was verursacht eine Anämie?

Meist ernähren sich Betroffene so, dass sie nicht genug Eisen zu sich nehmen. Vor allem für Menschen, die keine tierischen Produkte, insbesondere kein Fleisch essen, kann es schwer sein, ausreichende Mengen davon über die Nahrung aufzunehmen.

Weitere Gründe für eine Eisenmangelanämie sind: 

  • verminderte Aufnahme von Eisen im Dünndarm wie bei der entzündlichen Darmerkrankung Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) oder einem Magen-Bypass
  • Blutverlust, beispielsweise bei häufigem Nasen- und Zahnfleischbluten, durch Operationen, Unfälle, Blutspenden, Geburt oder Menstruation
  • chronische entzündliche Erkrankung wie rheumatoide Arthritis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder selten
  • genetische Ursachen

Eisenmangel in der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft sinkt der Anteil des roten Blutfarbstoffs leicht, unter anderem, weil mehr Blut zirkuliert, um auch das Baby versorgen zu können. Als Grenzwert für eine Behandlung gilt am Beginn und am Ende der Schwangerschaft ein Hämoglobin-Wert von unter 10 g/dl.

Im Verlauf der Schwangerschaftsvorsorge werden die Blutwerte mehrfach kontrolliert. Dadurch kann die Ärztin oder der Arzt eine Blutarmut infolge eines Eisenmangels frühzeitig entdecken. Eine leichte Anämie in der Schwangerschaft ist unbedenklich.

Sinkt der Hämoglobin-Wert zu stark ab, können Schwangere Eisenpräparate einnehmen, um den Mangel auszugleichen. Die vorsorgliche Einnahme von Eisen von Schwangeren, die keine Blutarmut haben, hatte in Studien keine gesundheitlichen Vorteile für Mutter oder Kind.

Wie gefährlich ist eine Blutarmut?

Vor allem für ältere Menschen und solche, die an Begleiterkrankungen, beispielsweise des Herzens, oder an Krebs leiden oder denen eine größere Operation bevorsteht, ist eine Anämie bedeutsam. Sie sollte auf jeden Fall behandelt werden, da sonst das Komplikationsrisiko steigt und Betroffene sich von Eingriffen und Erkrankungen schlechter erholen. Zunehmend mehr Kliniken berücksichtigen daher bei der Behandlung ihrer Patienten das Konzept des Patient Blood Management (PBM).

Das Patient Blood Management (PBM) ist ein Versorgungskonzept, das die körpereigenen Blutreserven der Patienten schonen und stärken soll, um die Sicherheit der Patienten zu verbessern. Es besteht aus drei Säulen: 
1.    frühe Diagnose und Therapie einer Blutarmut (mit der Konsequenz, Wahl-Operationen bei einer Anämie zu verschieben)
2.    schonende Untersuchungsmethoden und Eingriffe, die den Blutverlust minimieren (Eingriffe nach dem Schlüssellochverfahren, Zuführung des eigenen gereinigten Blutes, geringere Probenmengen bei Blutabnahmen)
3.    rationaler Einsatz von Blutkonserven
Ziel ist es, die Patienten optimal auf die Operation vorzubereiten und Blutverluste während des Krankenhausaufenthalts weitestgehend zu reduzieren. Nur in medizinisch begründeten Fällen wird Fremdblut ressourcenschonend verwendet.

Wo Menschen hungern, leiden auch vermehrt Kinder unter einer Eisenmangelanämie. Bei ihnen können gesundheitliche Langzeitschäden wie Herzerkrankungen oder Entwicklungsstörungen die Folge sein. Eisenmangel ist in Entwicklungsländern zudem eine wichtige Ursache für Impfversagen. Eine Studie konnte kürzlich zeigen, dass sich die Effektivität der Masernimpfung durch die Gabe von Eisen steigern lässt.

Welche Therapien gibt es bei Anämie?

Es stehen verschiedene Behandlungen zur Verfügung – abhängig von der Art der Anämie. Bei der Eisenmangelanämie besteht der erste Schritt darin, dafür zu sorgen, dass Betroffene genug Eisen mit der Nahrung aufnehmen.

Weitere Therapiemöglichkeiten:

  • Bei einer Anämie, die infolge einer Blutung verursacht wird, ist es oberstes Gebot, die Blutungsquelle im Körper zu finden und zu stoppen
  • Frauen, die während der Menstruation viel Blut verlieren, können mit hormonellen Verhütungsmitteln die Blutung reduzieren
  • Bei Infekten und chronischen Erkrankungen bessert sich die Anämie, wenn die Grunderkrankung behandelt wird

Wie ernähre ich mich bei einem Eisenmangel richtig?

Eisen ist in allen Nahrungsmitteln enthalten, allerdings kann es sich der Körper nicht aus allen gleich gut erschließen. Grundsätzlich hilft es, auf folgende Dinge zu achten:

  • Fleisch und Leber enthalten besonders viel Eisen
  • Eisen aus Fleisch und in der Muttermilch kann der Körper am besten verwerten
  • Getreide, am besten als Vollkorn verwendet, und Hülsenfrüchte wie Linsen und Bohnen enthalten viel Eisen
  • Eisen aus Fleisch können wir besser verwerten als Eisen aus Gemüse
  • Lebensmittel mit hohem Gehalt an Vitamin C verbessern die Aufnahme von Eisen. Auch ein Glas Orangen- oder Apfelsaft zu den Mahlzeiten kann helfen
  • Milch, Kaffee und Tee bilden mit Eisen unlösliche Komplexe und behindern die Aufnahme im Darm

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Eisen als Tabletten, Tropfen oder Infusion

Reicht das Eisen aus der Nahrung nicht aus, um den Mangel auszugleichen, empfiehlt sich eine „Eisenkur“. Der Arzt oder die Ärztin wird Ihnen dazu Arzneimittel wie Tabletten, Tropfen oder in schweren Fällen eine Infusion verschreiben, um die Vorräte des Körpers wieder aufzufüllen. Bei der Gabe von Eisentabletten und -tropfen kann es einige Wochen dauern, bis der Organismus die verlorenen Zellen nachgebildet hat. Bei einem ausgeprägten Mangel sollten Sie die Therapie daher für mindestens drei Monate durchführen.

Eine Eiseninfusion bekommen vornehmlich Menschen, bei denen eine Entzündung vorliegt – hier kann der Körper Eisen nicht aufnehmen und verwerten. Auch Menschen mit einer schweren Anämie, solche, die auf eine OP oder eine kräftezehrende Behandlung warten, erhalten eine direkte Eisengabe. So werden die Eisenspeicher schneller aufgefüllt.

Bei einer schweren Anämie oder ausgeprägtem Blutverlust besteht die Möglichkeit, eine Bluttransfusion durchzuführen. Dabei erhalten die Patienten gewöhnlich konzentrierte rote Blutkörperchen, sogenannte Erythrozytenkonzentrate (EKs). Eine solche Übertragung kann allerdings mit Risiken und Nebenwirkungen einhergehen. Blut sollte daher nur mit klarer Indikation und unter Ausschöpfung sonstiger Behandlungsmöglichkeiten eingesetzt werden.

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