Jede natürliche Geburt ist mit Schmerzen verbunden. Aber es ist möglich, die Schmerzen zu lindern. Doch Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Was für eine Frau gut auszuhalten ist, kann für eine andere schon unerträglich sein.
Keine Schwangere kann vorhersehen, wie die Geburt verläuft und wie sie darauf reagieren wird. Glücklicherweise verlangt das auch niemand. Jede Frau darf sich auf das Geburtserlebnis einlassen und aus der Situation heraus entscheiden, ob sie mit den Schmerzen zurechtkommt oder ob sie Hilfe annehmen will.
Traditionelle Methoden zur Schmerzlinderung bei einer Geburt
Seit Jahrtausenden geben Frauen ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter, um eine erträgliche Geburt ohne Hilfsmittel zu ermöglichen. So vermitteln zum Beispiel Hebammen ihre Kenntnisse in Geburtsvorbereitungskursen.
Ganz entscheidend ist auch der verlässliche Beistand eines vertrauten Menschen unter der Geburt. Jemanden um sich zu haben, der Mut macht, Tee reicht oder bei Bedarf den Rücken massiert, kann so gut wie ein Schmerzmittel sein. Dieser vertraute Mensch kann der Partner, die eigene Mutter oder auch eine gute Freundin sein. Viele Frauen sind verständlicherweise bei der Geburt unsicher, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt.
Haben Sie keine Scheu, Ihrer Hebamme oder auch, wenn Sie in einer Klinik entbinden, Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin während der Geburt Fragen zu stellen. Das ist ein wichtiger Teil der Unterstützung während des Geburtsprozesses.
Zu den traditionellen beziehungsweise alternativen Methoden, die zur Schmerzlinderung und Beruhigung angewandt werden, gehören unter anderem:
- Entspannungs- oder Atemübungen
- unterschiedliche Körperpositionen ausprobieren, um die angenehmste Lage herauszufinden
- gehen und bewegen, zum Beispiel das Becken kreisen lassen
- Massagen
- Wärme, zum Beispiel eine Wärmflasche, ein Kirschkernkissen oder ein Wannenbad
- Aromatherapie
- Akupunktur
- Akupressur
- Hypnose
- Musik
- Pezziball
Alternative Methoden können Entspannung und Wohlbefinden verbessern
Auch wenn die schmerzlindernde Wirkung dieser Methoden wissenschaftlich kaum oder nicht hinreichend belegt ist, können sie dennoch helfen. Wenn Musik, ein Wannenbad oder eine Massage mit Lavendelöl eine beruhigende Wirkung auf Sie haben und Ihnen damit auch Stabilität geben, dann kann sich das positiv auf die Geburt auswirken.
Je sicherer Sie sich direkt vor der Geburt fühlen, desto entspannter ist Ihr Körper und desto besser sind Sie auf die Geburt vorbereitet. Sprechen Sie mit Ihrer Hebamme über die Möglichkeiten von alternativen Methoden zur Schmerzlinderung und probieren Sie möglichst schon einige Monate vor der Geburt aus, welche Methode für Sie in Frage kommt.
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Medikamente
Es gibt eine ganze Reihe von Medikamenten, die die Schmerzen unter der Geburt lindern können. Dazu zählen krampflösende Zäpfchen, Schmerzmittel, die in den Muskel verabreicht werden, oder Medikamente zur örtlichen Betäubung.
Muskelentspannende Mittel
Es können Zäpfchen verabreicht werden, die die Muskulatur der Gebärmutter und hier speziell den Muttermund entspannen und so zu einer Abmilderung der krampfartigen Wehenschmerzen beitragen. Diese Medikamente, Spasmolytika genannt, werden meist in der Eröffnungsphase der Geburt verabreicht. Sie sind für das Kind in der Regel ungefährlich.
Opioide
Wenn die Schmerzen stärker werden, können auf Wunsch entsprechend stärkere Schmerzmittel verabreicht werden. Dabei kommen sogenannte Opioide, dies sind Abkömmlinge des Morphins, zum Einsatz. Diese Medikamente werden meistens in den Gesäßmuskel gespritzt und führen relativ schnell zu einer erheblichen Schmerzlinderung.
Leider sind Opioide nicht ohne Nebenwirkung. Sie können bei der werdenden Mutter zu einer leichten Beeinträchtigung des Bewusstseins führen, auch Übelkeit und Erbrechen können auftreten. In seltenen Fällen können Opioide auch die Atmung der Mutter beeinträchtigen. In diesem Fall wird ein sogenannter Morphinantagonist gespritzt, der zwar die Wirkung des Medikaments abschwächt, damit aber auch den schmerzmildernden Effekt für die werdende Mutter.
Opioide können auch auf das Baby wirken und direkt nach der Geburt zu Schwierigkeiten beim selbstständigen Atmen führen. Auch hier wird ein Morphinantagonist gespritzt. Die Atmung des Babys erholt sich dadurch in der Regel sehr schnell.
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Lachgas
In den letzten Jahren bieten auch immer mehr Kliniken Lachgas als Methode zur Schmerzlinderung an. Das Gasgemisch besteht zu 50 Prozent aus Lachgas, also Distickstoffmonoxid, und zu 50 Prozent aus Sauerstoff. Die Schwangeren atmen das Gas selbstständig über eine Maske ein und können über die Atemtiefe die Dosierung bestimmen.
Das Medikament wirkt nach rund 30 Sekunden und schwächt den Geburtsschmerz, die Wehen werden so für die Frau erträglicher. Sie kann dadurch besser entspannen, alles wirkt etwas gedämpft, wie unter leichtem Alkoholeinfluss. Die Wirkung lässt nach wenigen Minuten wieder nach. Als Nebenwirkungen können Übelkeit, Erbrechen oder selten auch Halluzinationen auftreten.
Durch Absetzen der Maske verschwinden die Nebenwirkungen jedoch schnell wieder. Trotzdem warnen die Fachgesellschaften für Gynäkologie und Intensivmedizin, dass mögliche Schäden an Mutter, Kind und Personal durch Lachgas nicht komplett auszuschließen sind. Sie fordern weitere Studien zur Nutzung von Lachgas unter der Geburt.
Bei COVID-19-infizierten Frauen wird von der Verwendung von Lachgas ausdrücklich abgeraten, weil dadurch die Ausbreitung des Virus erhöht werden kann.
Opioide oder Lachgas haben Auswirkungen auf den ganzen Körper der werdenden Mutter, insbesondere auf das zentrale Nervensystem. Sie können deswegen auch die Vitalität des Kindes beeinflussen. Bei lokal wirkenden Schmerz- und Betäubungsmitteln ist das anders.
Auch hier können Opioide zum Einsatz kommen. Sie wirken sich aber nicht auf das Kind aus, weil die Substanz nicht in den mütterlichen Blutkreislauf injiziert wird, sondern auf eine bestimmte Körperregion begrenzt ist, meist im Rückenbereich. Somit gelangt das Mittel nicht in den kindlichen Kreislauf. Zu den Verfahren, die am weitesten verbreitet sind, gehören die Periduralanästhesie und die Spinalanästhesie.
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Periduralanästhesie (PDA)
Eine wirksame Methode zur Schmerzlinderung ist die Periduralanästhesie, kurz PDA oder auch „Rückenspritze“ genannt. Dafür legt eine Ärztin oder ein Arzt mit dem Fachgebiet Anästhesie oder Gynäkologie oder auch der Kreißsaalarzt einen sehr dünnen Kunststoffschlauch, den Periduralkatheter, am unteren Rücken zwischen die äußeren Schutzhüllen des Rückenmarks. Durch den Katheter wird eine Mischung aus Schmerz- und Betäubungsmitteln in den sogenannten Periduralraum gespritzt.
Die Medikamente umspülen den Rückenmarkskanal, in dem die schmerzleitenden Nervenfasern verlaufen. Diese Betäubung reduziert die Schmerzempfindlichkeit im gesamten Bauchraum und Unterleib. Bis der Schmerz nachlässt, vergehen in der Regel 15 bis 20 Minuten. Die Verabreichung der Medikamente bei der PDA wird in Fachkreisen Bolusgabe genannt. Dabei gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen:
- Die Bolusgabe kann einmalig, mit einer festgelegten Dosis stattfinden. Die Wirkung hält circa 2 bis 3 Stunden an. Lässt die Wirkung nach, kann ein weiterer Bolus verabreicht werden.
- Die werdende Mutter kann den Bolus auch als kontinuierliche Gabe über einen sogenannten Infusomaten erhalten. Dabei wird der Katheter mit einer tragbaren Pumpe (dem Infusomaten) versehen, die in regelmäßigen Abständen eine bestimmte Medikamentenmenge abgibt. Die Dosisabgabe kann je nach Wirkung durch Rückmeldung der Schwangeren hoch- oder runtergesetzt werden.
- Zusätzlich zur kontinuierlichen Gabe über den Infusomaten besteht die Möglichkeit, dass Frauen bei Bedarf weitere Dosen selbstständig auf Knopfdruck abrufen. Die Pumpe ist so eingestellt, dass eine Überdosierung vermieden wird. Diese Form wird häufiger in operativen Abteilungen angewandt, zur Schmerzeinstellung nach großen Eingriffen, aber auch im Kreißsaal.
Manche Frauen können während der PDA vorübergehend ein Bein oder beide Beine nicht bewegen, oder diese fühlen sich taub an. Um das zu vermeiden, bieten Kliniken die Möglichkeit einer niedrigdosierten PDA an, einer sogenannten Walking-PDA.
Walking Epidural
Viele Kliniken bieten die Möglichkeit einer patientengesteuerten PDA. Bei dieser auch „Walking Epidural“ genannten Variante bestimmen die werdenden Mütter ihren Bedarf über die Pumpe auf Knopfdruck weitestgehend selbst. Mehrere Mechanismen schützen die werdende Mutter dabei vor einer Überdosierung. Die die Höhe jeder einzelnen Dosis (Bolus) sowie die Gesamtmenge aller Dosen wird vorher vom medizinischen Fachpersonal festgelegt.
Zudem sorgt ein sogenanntes Sperrintervall dafür, dass die Pumpe nach jeder Medikamentengabe für einen gewissen Zeitraum gesperrt ist. Die Selbstbestimmung, die Medikamente nur dann zu nehmen, wenn die Schmerzen zu stark werden, in Verbindung mit einer niedrigen Dosierung, verschafft den Frauen in der Regel mehr Bewegungsfreiheit. Es fällt ihnen leichter, die Sitzposition zu ändern, und sie können in Begleitung auch auf und ab laufen – daher der Begriff „Walking Epidural“.
Viele Frauen empfinden eine PDA als Erleichterung. Die Wehen bleiben in der Regel weiter spürbar und die Gebärende kann aktiv mitarbeiten. Nur der Schmerz tritt in den Hintergrund. Mögliche Nebenwirkungen einer PDA sind Blutdruckabfall, Fieber und Juckreiz.
Die Spinalanästhesie
Die Spinalanästhesie ist eng mit der Periduralanästhesie verwandt. Es wird die gleiche Mischung aus Schmerz- und Betäubungsmitteln genutzt und auch die Punktionsstelle, also die Einstichstelle am Rücken, ist bei beiden Verfahren gleich. Im Unterschied zur PDA wird das Schmerz- und Narkosegemisch aber noch näher an die Rückenmarksnerven, in den sogenannten Spinalraum, gespritzt.
Eine Spinalanästhesie wirkt deswegen wesentlich schneller als eine PDA und sie betäubt einen größeren Körperbereich. Deshalb wird sie beispielsweise eingesetzt, wenn ein Kaiserschnitt erforderlich wird und es für eine PDA zu spät ist.
Eine typische Nebenwirkung der Spinalanästhesie sind Kopfschmerzen, die in der Regel ein bis zwei Tage später auftreten. Bei der Injektion wird die innere Schutzhülle des Rückenmarks durchdrungen. In dieser Schutzhülle befindet sich Nervenwasser, das sogenannte Liquor, das neben dem Rückenmark auch das Gehirn umgibt. Tritt das Nervenwasser nach dem Einstich aus, sinkt der Flüssigkeitsdruck um das Gehirn und Kopfschmerzen entstehen.
Obwohl bei einer PDA die Schutzhülle des Rückenmarks nicht durchstochen wird, kommt es vor, dass diese versehentlich verletzt wird. Der „postpunktionelle“ oder „postspinale“ Kopfschmerz kann also auch nach einer PDA entstehen. Zum Glück lässt sich der Schmerz in der Regel durch die Gabe von Koffeintabletten, viel Flüssigkeit und gegebenenfalls flaches Liegen erfolgreich behandeln und verschwindet meist noch am selben Tag.
Es gibt aber auch die Möglichkeit, Spinal- und Periduralanästhesie zu kombinieren. Ob dies im Vergleich zur alleinigen PDA wesentliche Vor- oder Nachteile hat, ist unklar. Durch die Kombination tritt die schmerzlindernde Wirkung etwas schneller ein, allerdings kann sie auch eher zu Juckreiz führen.
Ihre individuelle Entscheidung zur Schmerzlinderung bei der Geburt
Welche der unterschiedlichen Methoden zur Schmerzlinderung bei der Geburt zum Tragen kommen, wird neben den Wünschen und Bedürfnissen der werdenden Mutter auch von anderen Faktoren beeinflusst. Die Entwicklung des Babys und der Gesundheitszustand sowie mögliche Vorerkrankungen der Schwangeren sind mitentscheidend, wie zum Beispiel eine Allergie auf Medikamente.
Aber auch die technische und personelle Ausstattung des Geburtsorts spielt bei der Entscheidung eine Rolle. Geburtshäuser oder Kliniken bieten in der Regel Besichtigungs- und Informationstermine. Erkundigen Sie sich am besten vor Ort über die Möglichkeiten der Schmerzlinderung und nutzen Sie die Erfahrung und Kompetenz Ihrer Hebamme oder Ihrer Frauenärztin beziehungsweise Ihres Frauenarztes für ein intensives Beratungsgespräch.
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