Wie lässt sich das Gesundheitswesen nachhaltiger aufstellen? Kluge Antworten und innovative Lösungen soll der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Gesundheit liefern. Die Barmer hat ihn mitinitiiert.
Die Klimakrise ist eine wachsende Herausforderung. Nicht nur für Politik und Gesellschaft. Auch Unternehmen müssen sich zunehmend mit ihr auseinandersetzen. Der Anspruch, Klima und Umwelt besser zu schützen, ist für Firmen dabei nur ein Aspekt. Angesichts von Versorgungsengpässen oder extremen Wetterereignissen geht es für sie auch darum, langfristig profitabel und erfolgreich zu bleiben.
Deutsche Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit
Entsprechend tut sich auch etwas in der deutschen Wirtschaft. Mehr als 60 Prozent der Unternehmen hierzulande gestalten derzeit ihre Produkte und Dienstleistungen ökologisch orientiert um – und damit den Kern ihres Geschäftsmodells. Das ergab eine aktuelle Befragung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Die Nachhaltigkeit ist dabei kein Selbstzweck: Hinter den Veränderungen stecken überwiegend wirtschaftliche Interessen. Eine nachhaltige Ausrichtung kann effizienter machen, Kosten senken und das Image verbessern. Auch für die Mitarbeitenden sind nachhaltige Firmen attraktiver . In Zeiten, in denen viele Unternehmen Fachkräfte suchen, ist das ein Pluspunkt – auch, um die eigenen Chancen bei jüngeren Bewerbenden zu verbessern.
Nachzügler in Sachen Nachhaltigkeit: das Gesundheitswesen
Die Vorteile, die ein Umbau zu mehr Nachhaltigkeit birgt, sind bekannt. Das deutsche Gesundheitswesen zählt, wenn es um nachhaltige Prozesse geht, bisher jedoch eher zu den stoischen Dinosauriern. Es produziert etwa 6 Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland und verbraucht heute 80 Prozent mehr Rohstoffe als noch Mitte der 1990er-Jahre, Tendenz steigend. „Es wird natürlich sehr viel Energie in den Gesundheitseinrichtungen und auf den Intensivstationen verbraucht“, sagte Dr. Martin Herrmann, Mitgründer und Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG), in einem Interview. „Jede Klinik, jedes Gebäude oder jede Institution hat Emissionen durch die Art, wie sie gebaut sind, welche Heizungen und Lüftungen sie haben.
Hinzu kommen die Art der Mobilität, wie beispielsweise die Menschen von A nach B transportiert werden, und wie die Krankenhausernährung funktioniert.“ So sieht es auch Stefan Schulze-Hausmann. Der Journalist und Rechtsanwalt ist Gründer des Deutschen Nachhaltigkeitspreis (DNP). Seit 2008 werden damit jährlich gelungene Beispiele für Transformation in Wirtschaft, Kommunen und Forschung prämiert. Schulze-Hausmann: „Ein Krankenhaus ist eine Materialschlacht. Darüber wurde lange nicht nachgedacht, weil der Ressourcenverbrauch überhaupt nicht im Fokus lag.“
Nun ändern sich jedoch die Parameter. Denn die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise. Als solche betrifft sie alle medizinischen Disziplinen. Und jene, die im Gesundheitswesen arbeiten, müssen letztlich mit den daraus resultierenden Herausforderungen umgehen. Die Barmer setzt sich deshalb dafür ein, den Klimaschutz und die Klimaanpassung im Gesundheitswesen höher zu priorisieren. Um das Thema voranzutreiben, hat sie in diesem Jahr den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Gesundheit ins Leben gerufen, gemeinsam mit der von Dr. Eckart von Hirschhausen gegründeten Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen.
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Gesundheit sucht Leuchttürme und Pioniere
Der Preis unter dem Dach der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis zeichnet erstmals Pioniere und Leuchtturmprojekte für Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen aus – damit deren Ideen nicht nur Veränderung im Innern anstoßen, sondern auch nach außen wirken können. Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer: „Ohne Nachhaltigkeit ist ein gesundes Leben auf Dauer nicht möglich. Dafür brauchen wir Tempo, Mut für ein neues Denken, frische Ideen und nicht zuletzt die Überzeugungskraft guter Beispiele. Das alles schaffen wir mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Gesundheit.“
Angesichts sich mehrender Extremwettereignisse, Artensterben und schwindender Ressourcen sei der DNP wichtiger denn je, so Schulze-Hausmann: „Wir zeigen, wie nachhaltige Prozesse Ressourcenknappheit und Umweltzerstörung entgegenwirken, immer anspruchsvollerer Regulatorik gerecht werden und gleichzeitig wirtschaftlichen Erfolg optimieren.“
Ausgezeichnet: Finalistinnen und Finalisten mit Vorbildfunktion
Dass dies im Gesundheitswesen ebenso gut funktioniert wie in anderen Branchen, beweisen die Unternehmen, die 2023 den DNP in der Sparte Gesundheit und Soziales entgegennehmen durften. Von den angetretenen Pharmaunternehmen überzeugte der Konzern Boehringer Ingelheim die Jury vor allen anderen. Unter dem Motto MORE GREEN treibt das international agierende Unternehmen seit 2020 Nachhaltigkeitsprojekte voran. Über 60 wurden bislang umgesetzt. So ging Ende 2023 in Ingelheim ein Biomasseheizkraftwerk in Betrieb, das den Standort zu 80 Prozent mit nachhaltigem Strom versorgen und den CO2-Ausstoß verringern soll. In der Kantine am Stammsitz werden bevorzugt regionale, saisonale und ökologisch produzierte Lebensmittel verarbeitet. Küchenabfälle verwandelt die ebenfalls seit 2023 vor Ort laufende Kompostieranlage binnen 24 Stunden in Kompost.
In Brandenburg betreibt die Lafim-Diakonie, 2023 Gewinnerin im Bereich Pflege und soziale Dienste, ein Pflegenetzwerk mit über 120 Einrichtungen. 2018 bekamen diese ein zentrales Umweltmanagement. „Mit einem zertifizierten Nachhaltigkeitsmanagement und dem Ziel, bis 2035 CO2-Neutralität zu erreichen, setzt die Diakonie Maßstäbe“, so der DNP-Gründer Stefan Schulze-Hausmann. „Maßnahmen wie Energieeffizienz, erneuerbare Energien und inklusive Projekte unterstreichen dieses Engagement.“
Photovoltaik und Deutschlandticket statt Materialschlacht
Im Segment Gesundheitsversorgung wiederum demonstrierten die teilnehmenden Kliniken und Praxen, dass optimale Versorgung keine „Materialschlacht“ sein muss. Allen voran das Klinikum Stuttgart: Dieses reinigt und desinfiziert seit Anfang 2022 zum Beispiel Matratzen und Bestandteile von Betten in einer Anlage mit Wasserdampf. Dieser Prozess spart große Mengen Wasser ein. Es kommen auch keine Chemikalien mehr zum Einsatz. Dennoch entspricht das Verfahren höchsten Hygienevorgaben. Ebenfalls reduziert wurde der Verbrauch von klimaschädlichen Narkosegasen.
Die bereits bestehenden Photovoltaikanlagen wurden weiter ausgebaut, unter anderem auf den Dächern der Personalwohnungen. Als Plusenergiehäuser produzieren die Neubauten des Klinikums mehr Energie als sie verbrauchen. Das Klinikum arbeitet zudem mit 100 Prozent Ökostrom. E-Bike-Leasing, das Deutschlandticket kostenfrei für alle 8.000 Beschäftigten oder die Reduzierung klimaschädlicher Narkosegase sind weitere erwähnenswerte Maßnahmen. Darüber hinaus hat sich das Klinikum der WIN-Charta verpflichtet, einem Nachhaltigkeitsmanagement-System für kleine und mittlere Unternehmen des Landes Baden-Württemberg. Mit seinem vielfältigen Einsatz habe das Klinikum Stuttgart die Jury des DNP für sich eingenommen, sagt Stefan Schulze-Hausmann. „Die Unterzeichnung der WIN-Charta und Maßnahmen wie Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerke setzen eindrucksvolle Zeichen.“ Das Klinikum habe Vorbildcharakter.
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Beim Fachkongress des Deutschen Nachhaltigkeitspreises über Konzepte und Lösungen diskutieren
Während der DNP für Unternehmen ausschließlich Betriebe auszeichnet, richtet sich der neue DNP Gesundheit an Initiativen und Projekte, die Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen voranbringen. Gesucht seien „schlaue Ideen, Aktionen, Konzepte und Maßnahmen“, sagt Stefan Schulze-Hausmann. Diese können von Institutionen stammen aber auch von Gruppen oder einzelnen Personen – von Verbänden, Kommunen oder Menschen, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen. „Indem wir die Tür weit aufmachen, möchten wir Interessierte, die sich vielleicht alleine nicht reif genug für den Preis fühlen, dazu ermutigen, Allianzen zu bilden.“ Denn um die Transformation des Gesundheitssektors zu beschleunigen – oder flapsig gesagt: den Dinosauriern Beine zu machen –, braucht es Mut und Innovationskraft. Die Barmer sei dafür eine sehr gute Partnerin: „Im Gesundheitswesen ist sie ein hochseriöser, renommierter Player mit einem langjährigen und glaubwürdigen Engagement im Bereich Nachhaltigkeit“, so der DNP-Gründer.
Preisverleihung im November 2024
Verliehen wird der DNP, und nun erstmalig auch der DNP Gesundheit, während eines zweitägigen Fachkongresses im November 2024. So haben die Teilnehmenden Gelegenheit, sich zu vernetzen und zu Herausforderungen und Lösungen auszutauschen. Ein Ansatz, den bereits der Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte: Beim Thema Nachhaltigkeit komme man am besten voran, wenn unterschiedliche Akteure und Disziplinen an einem Strang zögen: „Mich hat es nie überzeugt, Nachhaltigkeit automatisch mit Verzicht gleichzusetzen. Wachstum und Fortschritt sind in uns angelegt. Aber nicht als ein ‚Weniger‘, sondern vor allem als ‚smarter‘ und ‚besser‘“, so Scholz. Der DNP Gesundheit kann zeigen, wie das geht.
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