Mutter verzweifelt mit Haushalt, Wäsche und Kinderbetreuung
Stress und Leistungsdruck

Was ist Leistungsdruck? Wenn Erwartungen und Ansprüche in eine Überforderung münden

Lesedauer unter 5 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Marie-Victoria Assel (Psychologin, Barmer)
  • Andrea Jakob-Pannier (Diplom-Sozialpädagogin/ Psychologin/ Psychoonkologin, Barmer)

Eine gewisse Grundspannung sorgt dafür, dass wir aufmerksam und konzentriert sind und den Anforderungen des Alltags gewachsen sind. Werden jedoch dauerhaft Leistungen auf hohem Niveau gefordert, dabei eigene Bedürfnisse zurückgestellt und eigene Ressourcen überstiegen, kann uns der Leistungsdruck schaden.

Leistungsdruck ist heutzutage allgegenwärtig

In unserer heutigen Lebenswelt ist ein gewisser Leistungsdruck allgegenwärtig. Er findet sich in vielen unterschiedlichen Lebensbereichen. Die allermeisten Menschen werden von Zeit zu Zeit den psychischen Druck spüren, hohe Anforderungen erfüllen zu müssen. Das betrifft Erwachsene an ihrem Arbeitsplatz ebenso wie Kinder, die in der Schule Lernziele erreichen sollen. Eltern geben Leistungsdruck weiter, so dass dieser durch die Erziehung in Verhaltensmuster der Kinder übergehen kann.

Die gesellschaftlichen Erwartungen an den Einzelnen sind in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen: Menschen sollen und wollen erfolgreich im Beruf sein, gleichzeitig perfekte Körper besitzen, interessante Hobbies ausüben, sich politisch oder sozial engagieren, nachhaltig leben, eine perfekte Beziehung führen und viel Zeit mit der Familie verbringen – für viele bedeutet das eine Überforderung.

Anzeichen von Leistungsdruck: Wenn das Herz rast und das Gehirn blockiert

Jeder kennt Situationen, in denen wir uns hohem Leistungsdruck ausgesetzt sehen: Eine mündliche Prüfung ist zum Beispiel eine klassische Gelegenheit, bei der Leistungsdruck zu einer körperlichen Stressreaktion führt. 

Die Hände schwitzen, das Herz rast, der Magen rebelliert. Ist die Stressreaktion in akuten Situationen sehr groß, kann Druck in entscheidenden Momenten zu Denkblockaden bis hin zum Blackout führen. Im Allgemeinen kann Leistungsdruck Symptome wie Nervosität, Atemnot, Zittern, Schlafstörungen und Durchfall auslösen.

Eine Ursache für Leistungsdruck ist Digitalisierung

Forscher führen den gestiegenen Leistungsdruck unter anderem auf die Digitalisierung und die neuen technologischen Entwicklungen zurück . Da wir heute via Smartphone theoretisch immer erreichbar sind, verschwimmen Arbeit und Freizeit. Wer echte Erholung finden will, muss sich aktiver und bewusster von der Arbeit abgrenzen als früher. Außerdem werden wir in den sozialen Netzwerken ständig mit Bildern scheinbar perfekter Körper, Reisen und Leben konfrontiert. Der Vergleich zu unseren im Vergleich „normalen“ Leben, kann unzufrieden machen. Das Nacheifern der abgebildeten, unmöglichen Standards, Druck erzeugen.

Geschäftsmann steht unter Leistungsdruck und telefoniert unterwegs mit Kaffee und Getränken in den Händen.

Eine Ursache für vermehrten Leistungsdruck ist die ständige Erreichbarkeit und das Verschwimmen von Arbeit und Freizeit.

Natürlich sind nicht alle digitalen Entwicklungen als negativ zu betrachten. Vernetzung und die Entlastung durch technische Hilfsmittel werden teilweise auch als entlastend empfunden – zu diesem Ergebnis kam die umfangreiche Studie social health@work der Barmer und der Universität St. Gallen.

Leistungsdruck ist allerdings vielfältig und fühlt sich für jeden Menschen anders an. Genauso sind die Ursachen für Leistungsdruck individuell

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Vorteile von Leistungsdruck

Je nach Situation kann Leistungsdruck auch positiv sein: Obwohl dauerhafter Leistungsdruck negative Auswirkungen hat, können wir unter situativem Druck auch zu Höchstleistungen auflaufen. Wichtig ist hierbei unter anderem wie wir mit dem Druck umgehen.

So verbessert Druck zum Beispiel das Gedächtnis. In Studien belegten z. B. Psychologen, dass gestresste und unter Druck stehende Probanden in einer Situation – ähnlich einem Vorstellungsgespräch mit äußerst ungnädigen Gesprächspartnern – sich besser an Gegenstände erinnerten als entspannte Probanden. Auch zuvor gelernte Wortlisten blieben besser hängen. Hier zeigt sich allerdings die zwiespältige Natur von Leistungsdruck: Wenn der Druck zu groß wird, kann er auch Gedächtnisblockaden auslösen.

Zusätzlich lassen Leistungsdruck und der dadurch ausgelöste Stress uns emotional intensiver empfinden, wir sind konzentrierter und fokussieren uns stärker auf eine Aufgabe. Leistungsdruck kurbelt kurzfristig sogar das Immunsystem an – kein Wunder, so können wir anstrengende und belastende Situationen gesund überstehen. Jeder Mensch braucht im Leben Erfolgserlebnisse, Situationen, in denen er stolz auf sich sein kann und die er sich erarbeiten musste. Und deshalb tut uns ein wenig Stress sogar gut. Er ist der Motor für inneres Wachstum. Manchen Menschen bereiten stressige Situationen, in denen sie Leistungsdruck empfinden, sogar einen regelrechten Kitzel.

Negative Folgen von Leistungsdruck

Doch das miese Image des Leistungsdrucks hat leider auch seine Berechtigung. Findet eine solche Reaktion gelegentlich statt, kommt unser Körper gut damit klar. Insbesondere, wenn wir uns den Anforderungen gewachsen fühlen, können wir in so einer Situation sogar besonders gute Leistungen erbringen. Problematisch wird es jedoch, wenn Menschen andauernd Leistungsdruck spüren, der sie zu beständiger Betriebsamkeit und Arbeit treibt.

Ist es über längere Zeit nicht möglich, genügend Ruhepausen zu finden und entspannt zu sein, kann zu viel Leistungsdruck krank machen. Zum Beispiel kehrt sich der positive Effekt auf das Immunsystem um: Wer unter dauerndem Leistungsdruck ackert, wird irgendwann häufiger krank, weil Infekte ein leichteres Spiel haben.

Frau sitzt mit Arbeitsutensilien und Kopfschmerzen auf dem Wohnzimmerfussboden

Anhaltender Leistungsdruck kann unter anderem zu Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Depressionen und Burnout führen.

Hält der Stress über längere Zeit an, führt das auch zu körperlichen Beschwerden wie Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Muskel-Skelett- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Anspannung lässt unsere Muskeln verhärten, erschöpft uns und erschwert rationales Denken. Innerlich sind Betroffene meist nervös, unzufrieden und reizbar bis hilflos. Oft konsumieren sie auch übermäßig Tabak, Alkohol oder Medikamente. Zu den psychischen Auswirkungen von Dauerstress können unter anderem das Erschöpfungssyndrom beziehungsweise das sogenannte Burnout-Syndrom oder eine depressive Episode gehören. Darüber hinaus kann Stress auch eine unterschwellig bereits existierende Depression zutage fördern.

Andere wiederum leiden unter psychosomatischen Symptomen, wie zum Beispiel Schmerzen ohne körperliche Ursache, Hautproblemen oder Schwindel. Besonders Kinder neigen bei zu starkem Leistungsdruck dazu: Sie bekommen Bauchweh, Kopfweh, Schwindel oder Ohnmachtsanfälle.

Das Maß sollte stimmen – Leistungsdruck vorbeugen

Leistungsdruck ist vor allem dann kritisch, wenn er dauerhaft und allübergreifend auf einem Menschen lastet oder dieser hohe Maßstäbe an sich selbst anlegt. Spürt dieser, dass seine Fähigkeiten und Ressourcen nicht ausreichen, um den Aufgabenberg zu bewältigen oder die Aufgabe für ihn keinen Sinn ergibt, kann Leistungsdruck großen psychischen Stress auslösen. 

Es ist allerdings nicht immer die Gesellschaft oder der Chef, die Leistungsdruck auf den Einzelnen ausüben. Manche Menschen legen an sich sehr hohe Maßstäbe an und treiben sich selbst zu immer neuen Höchstleistungen. Finden Betroffene keine Erholung mehr, kann Leistungsdruck beispielsweise zur Entstehung von Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen oder sogar auch Essstörungen beitragen. 

Den Gründen von Dauerstress sollte man unbedingt auf den Grund gehen, da er sonst langfristig krank machen kann. Wer sich bewusst gemacht hat, wo und warum er sich gestresst fühlt, kann versuchen, Veränderungen vorzunehmen. Im Berufsalltag können Betroffene große Verbesserungen erzielen, wenn sie bewusst ihre Arbeitszeiten regulieren und sich ihre Erfolge und erreichten Meilensteine vor Augen halten. 

Wenn aber ein guter Ausgleich für den enormen Leistungsdruck gefunden wurde, können sich Geist und Körper zum Beispiel durch Sport und Entspannungsrituale wieder schnell regenerieren und dem chronischen Leistungsdruck ein Ende bereiten.

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