Ein Schüler hört beim Lernen Musik.
Hören

Welche Wirkung hat Musik auf uns?

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Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)

Musik beeinflusst unsere Laune, weckt Erinnerungen und hilft gegen Schmerzen. Wozu Melodien, Songs und Klänge im Stande sind.

Folgt man der Encyclopædia Britannica, dann ist Musik die Kunst, die sich damit beschäftigt, wie man Vokal- oder Instrumentalklänge so anordnet, dass sie besonders schön oder emotional ausdrucksstark wird. Bei Musik geht es also um Schönheit – einerseits.

Es geht aber auch um ihre Wirkung. Denn Musik bewegt Menschen auf ganz vielen verschiedenen Wegen: Sie löst Emotionen aus, weckt Energie, motiviert und bringt Menschen zusammen. Musik kann außerdem Erinnerungen wachrufen und Schmerzen lindern. Dass Musik wirkt, ist also eine klare Sache. Aber wie?

Die Wirkung von Musik auf die Psyche

Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, um welche Wirkung auf den Menschen es geht. Besonders auf die Psyche und verschiedene psychische Prozesse kann Musik einen starken Effekt haben. Welche das sind, weiß Clemens Wöllner, Professor für Systematische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg: „Die wohl stärkste psychische Wirkung von Musik ist ihr Einfluss auf unsere Emotionen. Das ist für viele Menschen sogar einer der Hauptgründe, warum sie Musik hören“, sagt Wöllner. Manchmal frage er unter seinen Studierenden nach, was ihnen spontan einfalle, wenn sie an Musik dächten. „An erster Stelle taucht in den Antworten sehr häufig das Wort ‚Emotionen‘ auf.“

Musik kann dabei alle möglichen Gefühle wecken. Mal macht die Musik fröhlich, heiter, ausgelassen oder sie motiviert und gibt Kraft. Andere Lieder stimmen eher sentimental, traurig oder sogar wütend.

Hören Menschen Musik, um damit Emotionen hervorzurufen, dann verfolgen sie dabei meist eine von zwei Strategien: Entweder sie wählen Stücke, die zur aktuellen Stimmungslage passen. Das ist das sogenannte Isoprinzip. Oder aber sie hören eine bestimmte Musik, die gewisse Emotionen auslöst, die sie zwar gerade nicht empfinden, aber gerne empfinden möchten. Kompensationsprinzip sagen Musikwissenschaftlerinnen und Musikwissenschaftler dazu.

„Vor allem empathische Menschen hören gerne mal traurige Musik, weil sie sich besonders gut in die Gefühle anderer hineinversetzen können, wie Studien gezeigt haben“, sagt Wöllner. „Außerdem ist Musikhören ein sicherer, geschützter Raum ist, wo man so etwas wie Katharsis erfahren kann. Wir können für eine gewisse Zeit auch eher negative Emotionen wie Traurigkeit oder Angst erleben. Gleichzeitig wissen wir dabei, dass die Situation nicht real traurig oder bedrohlich für einen selbst ist.“

Die Wirkung von Musik auf das Gehirn

Außer auf die Gefühlslage wirkt Musik noch auf eine ganze Reihe weiterer Prozesse und Funktionen. „Ganz besonders stark ist der Einfluss von Musik auf das Gedächtnis“, sagt Wöllner. Im Gehirn aktiviere Musik fast immer das limbische System. Und dort seien vor allem die mit Emotionen zusammenhängende Amygdala oder der an Gedächtnisprozessen beteiligte Hippocampus aktiv, wenn Menschen Musik hörten.

„Binnen Bruchteilen von Sekunden findet da ein Abgleich statt, ob man das Stück schon mal gehört hat, ob es mit einer spezifischen Situation oder Lebensphase verknüpft ist. Manchmal muss man nur ein paar Töne hören und kommt sofort man in die Stimmung, die man vor 20, 30 Jahren hatte. Das ist in der Forschung als ‚Casablanca-Effekt‘ bekannt, benannt nach dem Film, in dem dasselbe Musikstück die Protagonisten immer wieder an vergangene Zeiten erinnert.“

Neben dem limbischen System sind beim Musikhören aber noch viele andere Gehirnregionen aktiv.  Das Bewegungszentrum etwa: Scheinbar instinktiv beginnt man hier oder dort mal im Takt zu schnipsen oder mit dem Fuß zu wippen. Auch das Sehzentrum kann aktiviert werden. Zum Beispiel, weil ein bestimmtes Lied gewisse Bilder in einem weckt, die man mit dem Stück verbindet.

Ebenso kann der präfrontale Cortex beteiligt sein, wenn man konzentriert einem Lied folgt, um etwa seine Ästhetik zu bewerten. Und schließlich kann Musik auch die Zeitwahrnehmung beeinflussen: Hören wir Musik, die wir gerne mögen oder die Emotionen in uns auslöst, vergeht die Zeit scheinbar schneller.

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Die Wirkung von Musik auf den Körper

Die zahlreichen Effekte von Musik auf die Psyche und die Verarbeitung an zig Stellen im Gehirn legt nahe, dass Musik womöglich auch an anderen Stellen im Körper ihre Wirkung entfaltet. Und tatsächlich: Hören wir anregende Musik, nehmen Herz- und Atemfrequenz etwas zu.

Bei langsamer, beruhigender Musik hingegen sinken sie leicht, ebenso wie der Blutdruck. Außerdem werden beim Musikhören verschiedenste Hormone und Neurotransmitter ausgeschüttet – besonders, wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind oder sogar gemeinsam tanzen, schüttet der Körper das als Bindungshormon bekannte Oxytocin aus. Das stärkt unsere Verbindung zu anderen.

Wegen dieser Effekte setzen manche Ärzte und Therapeuten Musik zur Therapie ein. Bei einer Depressionserkrankung kann sie zum Beispiel genutzt werden, um die Stimmung aufzuhellen oder zu aktivieren. Bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder nach einem Schlaganfall helfen bestimmte Stücke, die Motorik zu trainieren.

In der Schmerztherapie wird Musik außerdem gegen chronische Schmerzen eingesetzt oder um die Beschwerden während einer Operation zu lindern. Und bei Menschen mit Demenz kann Musik dazu beitragen, dass bestimmte Erinnerungen abrufbar werden.

Doch bei der durch Musik ausgelösten Wirkung muss es sich nicht zwangsläufig um etwas Positives handeln. Musik kann auch Negatives bewirken. „Musik kann dazu verleiten, Dinge zu tun, die man sonst nicht machen würde. Weil sie eine Gruppendynamik aufbauen kann, die einen dann entsprechend beeinflusst“, sagt Clemens Wöllner. „Musik, die im Krieg eingesetzt wird, ist da ein gutes Beispiel. Aber auch an anderen Stellen kann Musik dazu führen, dass man in der Gruppe die Hemmung verliert.“ Zugehörigkeit könne einerseits etwas sehr Schönes sein, sie könne aber auch in etwas Destruktives umschlagen.

Welche Musik wirkt am besten?

Egal ob es um positive oder um negative Einflüsse geht, eine Frage schwing immer mit: Welche Musik wirkt wie? Welche Musik macht gute Laune, welche Musik macht aggressiv? Was müssen wir anhören, damit wir uns besser konzentrieren können oder reichen schon bestimmte Klangerlebnisse aus, um unser Gehirn zu verbessern?

Die Forschung zum Thema zeigt, dass es hier keine pauschalen Antworten gibt. Denn welche Wirkung Musik entfaltet, ist hochgradig individuell. Oft ist es die selbst mitgebrachte Lieblingsmusik der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die in verschiedensten wissenschaftlichen Studien die stärksten Effekte zeigt – egal ob Rock, Klassik, Jazz oder Pop.

Es liegt also nicht nur an der Musik selbst, was sie mit einem Menschen macht. „Beim Musikhören gibt es drei Facetten, die eine wichtige Rolle spielen“, sagt Wöllner. „Zum einen das klangliche Material selbst. Dann spielt die Person, die die Musik hört eine wichtige Rolle mit ihrem Hintergrund, ihrer Biografie. Und schließlich ist der Kontext wichtig, in dem man etwas hört. Ob man dabei alleine oder in einer Gruppe, zu Hause oder auf einem Konzert, auf der Arbeit oder im Feierabend am Badesee ist.“ Diese drei Bereiche seien es, die gemeinsam die Wirkung Musik prägten.

Die Wirkung des gleichen Stücks kann also bei zwei Menschen sehr unterschiedlich ausfallen, egal ob es um Emotionen, Kognitionen oder den Körper geht. Auf all diesen Ebenen kann Musik helfen, schaden oder verbinden. „Es ist diese Vielfältigkeit“, so sagt der Musikwissenschaftler Clemens Wöllner, „die die Macht der Musik ausmacht.“

Literatur und weiterführende Informationen

  • Patrik N. Jusllin: Musical Emotions Explained – Unlocking the secrets of musical affect (2019)
  • Christoph Schwabe: Methodik der Musiktherapie und deren theoretische Grundlagen (1978)
  • Peter Vorderer und Holger Schramm: Musik nach Maß. Situative und personenspezifische Unterschiede bei der Selektion von Musik (2004)
  • Stefan Kölsch: Good Vibrations – Die heilende Kraft der Musik (2020)
  • Britannica (Abruf vom 08.08.2022): Music 
  • DasGehirn.info (Abruf vom 08.08.2022): Das musikalische Gehirn 
  • BR (Abruf vom 08.08.2022): Durch Töne vernetzen sich die Hirnregionen

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