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Multiple Sklerose: Ursachen, Symptome, Verlauf und Behandlung

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Redaktion:

Ulrike Schnyder (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Dr. med. Ewgenia Stenmans (Neurologin, Assistenzärztin für Psychiatrie)

Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Das Besondere: Sie verläuft bei jeder betroffenen Person unterschiedlich. Symptome wie Sehstörungen, Muskelschwäche und Missempfindungen können auftreten, sich verändern oder zeitweise verschwinden. Doch moderne Therapien können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen – oft besser als erwartet.

Auf einen Blick

  • Symptome: Multiple Sklerose zeigt sich bei allen Betroffenen anders, die Symptome können sich außerdem im Verlauf der Erkrankung verändern. Häufige Frühanzeichen sind etwa Sehstörungen, Missempfindungen wie Kribbeln, Lähmungen und Erschöpfung.
  • Ursachen: Das Immunsystem greift bei Multipler Sklerose körpereigene Nervenstrukturen an. Das führt zu Entzündungen und teilweise irreparablen neurologischen Schäden.
  • Verlauf: Bei Multipler Sklerose können die Symptome in Schüben auftreten oder sich kontinuierlich verschlechtern – beide Verlaufsformen können ineinander übergehen. Zwischendurch sind auch Phasen möglich, in denen Betroffene gar keine Beschwerden bemerken.
  • Diagnose: Zur Diagnose werden verschiedene Methoden eingesetzt, um andere Erkrankungen auszuschließen und typische Schäden in Gehirn und Rückenmark sichtbar zu machen – beispielsweise MRT-, Nervenwasser- und Blutuntersuchungen.
  • Therapie: Die Behandlung setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen: Medikamente hemmen akute Entzündungen und beeinflussen das Immunsystem, nicht medikamentöse Verfahren wie Physiotherapie und Psychotherapie helfen, Symptome zu lindern. In schweren Fällen kommt auch Blutwäsche infrage.
     

Was ist Multiple Sklerose?

Multiple Sklerose, kurz MS, ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), also der Nervenstrukturen im Gehirn und Rückenmark. Bei dieser Erkrankung greift das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Nervenfasern in diesem Bereich an – genauer gesagt die Hülle dieser Nervenfasern, auch Myelin genannt. 

Frau sitzt in der Empfangshalle eines Bürogebäudes im Rollstuhl, beugt sich nach vorne und lächelt. Sie schaut auf ein Tablet, das ihr ein Kollege, der sich neben sie hingehockt hat, zeigt.

Die Diagnose Multiple Sklerose heißt nicht automatisch, dass man irgendwann im Rollstuhl landet – und selbst wenn es so kommt, kann er ein Stück Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit zurückgeben.


Myelin isoliert die Nervenfasern, ähnlich wie eine Kunststoffhülle bei einem Stromkabel. Die isolierten Fasern übertragen Nervensignale rasend schnell vom Gehirn an den Rest des Körpers oder in die umgekehrte Richtung. Wird aber wie bei MS die isolierende Myelinschicht angegriffen und durch Entzündungen geschädigt, kann das zu Störungen in der Signalleitung führen: Die Nervensignale werden langsamer oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr weitergeleitet. Die Folge sind unterschiedliche neurologische Symptome, von Kribbeln oder Brennen auf der Haut bis zu Lähmungen. Die Stärke der Symptome kann ganz unterschiedlich ausfallen, es gibt kein typisches Muster von MS-Symptomen. Kribbeln und Taubheitsgefühle beispielsweise können an Armen, Beinen und Rumpf auftauchen – oder nur an Teilen davon. 

Welche Symptome sind typisch für Multiple Sklerose?

MS-Symptome sind sehr vielfältig und zeigen sich bei jedem betroffenen Menschen anders. Denn je nachdem, an welchen Nerven des Gehirns oder Rückenmarks die Entzündungen an den Nerven sitzen, unterscheiden sich die Art und Schwere der Symptome, die sich zudem im Verlauf der Krankheit verändern können. Das ist ein Grund, weshalb MS die Krankheit der tausend Gesichter genannt wird.

Symptome können je nach Verlaufsform schubförmig oder kontinuierlich auftreten und auch ineinander übergehen. Ein MS-Schub macht sich bemerkbar, indem ein Symptom innerhalb weniger Stunden oder über wenige Tage immer stärker wird, beispielsweise sehen Betroffene auf einem Auge deutlich schlechter. Das kann Tage oder Wochen so bleiben und sich dann komplett oder teilweise wieder normalisieren.

Typische Frühanzeichen

Erste Anzeichen, die viele Multiple-Sklerose-Patientinnen und -Patienten bemerken, sind:

  • Sehstörungen wie trüber Blick, Sehausfall im Zentrum des Blickfelds, Doppelbilder, eingeschränktes Farbensehen, (vorübergehende) Blindheit, Schmerzen bei Augenbewegung
  • Missempfindungen wie Taubheitsgefühl oder Kribbeln
  • Lähmungen
  • Koordinationsstörungen, beispielsweise bei Gleichgewicht, Fein- und Zielmotorik
  • Erschöpfung und Konzentrationsschwierigkeiten

Viele dieser Symptome können jedoch auch bei anderen Erkrankungen auftreten oder ganz harmlose Ursachen haben. Wer also gelegentlich ein Kribbeln in der Hand spürt, braucht nicht gleich an Multiple Sklerose zu denken. Bei anhaltenden Beschwerden oder großer Unsicherheit empfiehlt sich jedoch immer ein ärztlicher Check.

Weitere mögliche Symptome

Im Verlauf der Erkrankung können vielfältige weitere MS-Symptome auftreten, dazu gehören:

  • Darm- und Blasenprobleme wie Verstopfung, Blasenschwäche
  • Benommenheit und Schwindel (Vertigo)
  • Schluck- und Sprechschwierigkeiten
  • Kopfschmerzen
  • Epileptische Anfälle
  • Sexualstörungen wie vermindertes Lustgefühl und Impotenz
  • Muskelsteife (Spastik), Muskelzittern (Tremor)

Was sind Ursachen der Multiple Sklerose?

Wieso greift das Immunsystem bei MS die Myelinhüllen der Nervenfasern an und verursacht so diese Fülle an Symptomen? Darauf haben Forscherinnen und Forscher noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden. Klar ist bisher nur der Krankheitsmechanismus: eine fehlerhafte Ausbildung bestimmter Immunzellen.

Immunzellen lernen, bevor sie im Körper patrouillieren, zwischen körpereigenen und fremden, potenziell gefährlichen Strukturen zu unterscheiden. Greifen sie während ihrer „Ausbildung“ körpereigene Strukturen an, werden sie sicherheitshalber vernichtet. Nur Immunzellen, die diesen Test bestehen und ausschließlich fremdes Gewebe erkennen, sollen in den Blutkreislauf entlassen werden.

Doch bei Multipler Sklerose – wie auch bei anderen Autoimmunerkrankungen – funktioniert dieser Auswahlprozess nicht korrekt: Auch Immunzellen, die den Abschlusstest nicht bestanden haben, gelangen in den Blutkreislauf und können MS-typische Schäden anrichten.

Während die genauen Ursachen für die fehlerhafte Immunreaktion bei Multipler Sklerose noch nicht vollständig geklärt sind, ist der Mechanismus der Krankheitsentstehung bereits besser verstanden. 

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Welche Risikofaktoren für Multiple Sklerose sind bekannt?

In der wissenschaftlichen Welt kursieren unterschiedliche Theorien, warum sich in die Ausbildung der Immunzellen Fehler einschleichen können. Einig sind sich Forscherinnen und Forscher darin, dass wahrscheinlich mehrere Faktoren zusammenspielen müssen, damit eine Erkrankung wie Multiple Sklerose entsteht.

Die wichtigsten Risikofaktoren für Multiple Sklerose: 

  • Genetische Faktoren: Multiple Sklerose ist zwar keine erbliche Erkrankung – allerdings ist es wahrscheinlicher zu erkranken, wenn ein Familienmitglied MS hat.
  • Bestimmte Infektionen im Kindes- und Jugendalter: Das Epstein-Barr-Virus steht besonders im Verdacht, das Risiko für Multiple Sklerose zu erhöhen. Auch Masern und das humane Herpesvirus 6, das beispielsweise das Drei-Tage-Fieber auslöst, werden diskutiert.
  • Vitamin-D-Mangel: Zu wenig Vitamin D im Blut ist ebenfalls ein Risikofaktor für MS. Denn Vitamin D, das unser Körper mithilfe von Sonnenlicht bildet, unterstützt die optimale Funktion unseres Immunsystems.
  • Rauchen: Wer raucht, riskiert einen schnelleren und stärkeren Verlauf einer Multiplen Sklerose. Mit dem rauchen aufzuhören, lohnt sich in jedem Fall und verlangsamt das Fortschreiten der Krankheit.
  • Übergewicht: Studien zeigen, dass Übergewicht im Kindes- und Jugendalter wie auch im jungen Erwachsenenalter das MS-Risiko erhöht.
  • Luftverschmutzung: Schadstoffe wie Stickoxide, Schwefeloxide und Mikrofeinstaub stehen im Verdacht, Multiple Sklerose zu begünstigen beziehungsweise zu verschlimmern. Über welchen Mechanismus das geschehen könnte, ist allerdings noch nicht geklärt. 

Wie häufig ist Multiple Sklerose?

Weltweit sind laut Schätzungen etwa 2,8 Millionen Menschen an Multipler Sklerose erkrankt, in Deutschland rund 280.000. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Meist wird MS zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr festgestellt, in manchen Fällen aber auch im Kindes- und Jugendalter. Vorboten von Multipler Sklerose wie Ängstlichkeit, Depression und Migräne können allerdings schon Jahre vor der Diagnose auftreten.
 

Erwachsenen Frau liegt im MRT

Um die Multiple Sklerose zu diagnostizieren, kommen mehrere Untersuchungen zum Einsatz – eine davon ist die Magnetresonanztomografie, kurz MRT.

Was sind typische Multiple-Sklerose-Verlaufsformen?

Die Erkrankung verläuft bei jeder Patientin und jedem Patienten anders. Fachleute unterscheiden bei der Multiplen Sklerose drei grundlegende Verlaufsformen, die ineinander übergehen können.

Schubförmig remittierende MS: Bei den meisten Betroffenen treten die ersten Symptome in Schüben auf und lassen zwischendurch wieder komplett oder teilweise nach – das wird schubförmig remittierend (kurz: RRMS für Relapsing Remitting MS) genannt. Bei etwa 80 Prozent der Patientinnen und Patienten beginnt die Erkrankung auf diese Weise im jungen Erwachsenenalter.

Sekundär progrediente MS: Eine ursprünglich schubförmig verlaufende Multiple Sklerose (RRMS) entwickelt sich häufig nach 10 bis 20 Jahren in ihrem Verlauf: Die Beschwerden verändern sich bei etwa 15 Prozent der Betroffenen langsam und kommen weniger in Schüben, sondern bleiben länger oder sogar dauerhaft. Dann spricht man von einer sekundär progredienten MS (kurz: SPMS).

Primär progrediente MS: Die Symptome treten nicht in Schüben auf: Bei rund 5 Prozent der Betroffenen nehmen die MS-Symptome stetig und langsam zu.

Wie wird die Diagnose Multiple Sklerose gestellt?

Die Diagnose ist nicht immer einfach, denn die Symptome sind vielfältig und können unspezifisch beginnen, etwa mit einem Kribbeln im Arm. Die erste Anlaufstelle bei solch unspezifischen Symptomen ist die hausärztlich Praxis, die bei einem Verdacht auf eine neurologische Erkrankung wie Multiple Sklerose an eine Facharztpraxis überweist. Um Multiple Sklerose eindeutig festzustellen, schließen Neurologinnen und Neurologen dort zunächst andere Erkrankungen aus, die MS-ähnliche Symptome hervorrufen können. Dazu zählen beispielsweise Migräne und psychische Störungen.

Um eine MS festzustellen oder auszuschließen, helfen unterschiedliche Untersuchungen:

Magnetresonanztomografie (MRT): Eine MRT-Untersuchung macht MS-typische Entzündungen in Gehirn und Rückenmark sichtbar. Auf den Bildern sind sie als helle oder dunkle Flecken zu sehen und werden Läsionen oder Herde genannt. Die MRT dient nicht nur der Diagnose, sondern auch der Verlaufsbeobachtung.

Blutuntersuchung: Manche Erkrankungen wie die durch Zecken übertragene Borreliose und die Autoimmunerkrankung Lupus verursachen ähnliche Symptome wie MS und auffällige Blutwerte. Mit einer Blutuntersuchung lassen sich solche Erkrankungen ausschließen.

Nervenwasseruntersuchung: Im Nervenwasser, das Gehirn und Rückenmark umgibt, lassen sich ebenfalls Hinweise auf Entzündungen finden – beispielsweise in Form von bestimmten Immunzellen oder Eiweißen, die bei autoimmunen Entzündungen entstehen. Für die Untersuchung wird der Patientin oder dem Patienten mit einer dünnen Nadel ein wenig Nervenwasser aus dem Rückenmarkskanal entnommen.

Nervenvermessung: Bei Menschen mit Multipler Sklerose schädigt die Erkrankung nach und nach die isolierenden Hüllen von Nervenfasern. Die betroffenen Nervenzellen leiten Signale langsamer weiter als bei gesunden Menschen. Diese verlangsamte Leitfähigkeit der Nervenfasern lässt sich mit speziellen Methoden messen.

Welche Möglichkeiten zur Behandlung der Multiplen Sklerose gibt es?

Multiple Sklerose ist nicht heilbar – aber behandelbar. Doch da die Symptome und Verläufe bei allen Betroffenen unterschiedlich sind, gibt es auch keine Multiple-Sklerose-Therapie, die für alle funktioniert. Die Behandlung setzt sich daher aus unterschiedlichen Therapieformen zusammen, die auf die Betroffenen abgestimmt werden.

Medikamentöse Therapie bei Multipler Sklerose 

Damit sich akute MS-Schübe schneller zurückbilden, wird in der Regel entzündungshemmendes Cortison eingesetzt, entweder in Tablettenform oder als Infusion in eine Vene. Zusätzlich stehen Immuntherapien zur Verfügung, die das Immunsystem verändern oder dämpfen. Dadurch können sie den Krankheitsverlauf verlangsamen und abmildern sowie MS-Schübe dämpfen. Immuntherapien werden auch verlaufsmodifizierende Therapien genannt.

Haben die Medikamente nicht die gewünschte Wirkung und drohen daher bei einem akuten Schub bleibende Schäden, kann eine sogenannte Blutwäsche (Plasmapherese beziehungsweise Immunadsorption) zum Einsatz kommen. Dabei werden bestimmte Bestandteile aus dem Blut der MS-Betroffenen gefiltert, die bei Entzündungsprozessen eine Rolle spielen.

Behandlung der Symptome

Manche MS-Symptome können den Alltag der Betroffenen einschränken. Gezielte Therapien helfen, die Beschwerden zu lindern und Komplikationen zu verhindern. Physiotherapie wirkt beispielsweise Bewegungs- und Gleichgewichtsstörungen und Blasenstörung entgegen. Neuropsychologisches Training vermindert Aufmerksamkeit- und Gedächtnisschwäche. Und Psychotherapie kann helfen, besser mit der Erkrankung umzugehen.

Anpassung des Lebensstils

Multiple-Sklerose-Patientinnen und -Patienten können durch einen gesunden und ausgewogenen Lebensstil zu einem gewissen Grad selbst den Verlauf ihrer Erkrankung und die Stärke ihrer Symptome beeinflussen. Kraft- und Ausdauertrainings helfen, die Muskelkraft und Balance zu verbessern. Zudem profitieren die Lebensqualität und Psyche von regelmäßigem Sport – ein wichtiger Punkt bei einer Erkrankung, die sehr belasten kann. Eine ausgewogene Ernährung spielt bei Multipler Sklerose ebenfalls eine Rolle, auch um Übergewicht entgegenzuwirken, das den Verlauf verschlechtern könnte.

Was ist sonst noch wichtig?

Rund um die Multiple Sklerose halten sich noch immer hartnäckig einige Vorurteile. Beispielsweise, dass sie zwangsläufig zu schweren Behinderungen oder einem Leben mit Rollstuhl führt und die Lebenserwartung stark verkürzt. Doch das stimmt so nicht: Viele Betroffene leben über Jahrzehnte hinweg ohne Gehhilfe. Selbst nach einer Krankheitsdauer von etwa 40 Jahren benötigen nur rund 30 Prozent einen Rollstuhl. Und auch dann unterstützen Mobilitätshilfen dabei, möglichst aktiv und selbstbestimmt zu bleiben.

Zudem ist Multiple Sklerose mittlerweile dank moderner Medikamente und eines besseren Verständnisses der Krankheit gut behandelbar. Die Lebenserwartung stieg bei Menschen mit Multipler Sklerose immer stärker an die der Allgemeinbevölkerung an.
 

Literatur

Weiterführende Informationen

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