- Was bedeutet Herzfrequenzvariabilität?
- Was sagt die Herzfrequenzvariabilität aus?
- HRV-Messung: Wie werden die Werte ermittelt?
- Herzfrequenzvariabilität: Normwerte
- Welche Faktoren beeinflussen die Herzfrequenzvariabilität?
- Warum sollte man die Herzfrequenzvariabilität messen?
- Was bedeutet eine von den Normwerten abweichende HRV?
- Niedrige HRV
- Hohe HRV
- Herzfrequenzvariabilität: Wie lässt sich die HRV verbessern?
Die Herzfrequenzvariabilität zeigt an, wie gut sich unser autonomes Nervensystem an Belastungen anpassen kann. Ein gesunder Lebensstil kann die Herzfrequenzvariabilität verbessern.
Was bedeutet Herzfrequenzvariabilität?
Unser Herz schlägt mal langsamer, mal schneller. Je nachdem, ob wir ruhig auf dem Sofa sitzen oder uns gerade beim Sport auspowern. Doch unser Herz ist kein Metronom. Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Herzschlägen ist nie genau gleich, sondern schwankt im Bereich von Millisekunden. Das nennt man Herzfrequenzvariabilität oder auch Herzratenvariabilität (HRV).
Was sagt die Herzfrequenzvariabilität aus?
Wir können unseren Herzschlag fühlen, doch bewusst steuern können wir ihn nicht. Dafür verantwortlich ist das autonome Nervensystem, das zum Beispiel auch den Blutdruck, die Atmung oder die Verdauung reguliert. In diesem gibt es zwei Gegenspieler: Sympathikus und Parasympathikus.
„Wenn man unseren Körper mit einem Auto vergleicht, dann ist der Sympathikus das Gas und der Parasympathikus die Bremse“, erklärt Dr. Sylvain Laborde, Psychologe und Sportwissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule Köln. In Ruhe oder bei geringer Anstrengung dominiert der beruhigende Effekt des parasympathischen Nervensystems. Die Herzfrequenzvariabilität ist dann hoch. In einer akuten Situation von Stress versetzt uns der Sympathikus in Alarmbereitschaft und die Herzfrequenzvariabilität sinkt.
„Eine hohe Herzfrequenzvariabilität weist auf ein gesünderes autonomes Nervensystem hin, was dem Organismus ermöglicht, besser auf Stressoren zu reagieren“, sagt Dr. Pascal Bauer, Privatdozent und Leiter der Angiologie und Sportkardiologie an der Universitätsklinik Gießen. Als Stressoren gelten sowohl körperliche als auch psychische Belastungen.
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HRV-Messung: Wie werden die Werte ermittelt?
Die beste Methode zur Messung der Herzfrequenzvariabilität ist ein Elektrokardiogramm (EKG). Dabei wird die elektrische Aktivität, die für den Herzschlag verantwortlich ist, mit auf der Brust aufgeklebten Elektroden aufgezeichnet. Auf einem Bildschirm sieht man den Herzschlag als charakteristischen Zackenverlauf. Die größte Zacke wird als R-Zacke bezeichnet. Diese stellt die Erregung der beiden Hauptkammern des Herzens dar und korreliert mit der eigentlichen Herzaktion. Für die Berechnung der Herzfrequenzvariabilität sind die Abstände zwischen jeweils zwei Herzschlägen, also zwei R-Zacken, relevant: die RR-Intervalle. Synonym wird der Begriff NN-Intervall verwendet (normal to normal). Die HRV wird meist über einen Zeitraum von fünf Minuten gemessen. Bei einem Langzeit-EKG beträgt der Messzeitraum 24 Stunden.
Aus den Daten der NN-Intervalle lassen sich verschiedene statistische Kennzahlen und damit unterschiedliche Parameter der Herzfrequenzvariabilität ableiten. Zwei Beispiele: SDNN (standard deviation of NN intervalls) ist ein Indikator für die Höhe der Gesamtvariabilität. Hohe SDNN-Werte bedeuten eine hohe Herzfrequenzvariabilität und umgekehrt. Ein weiterer wichtiger Parameter ist RMSSD (root mean square of successive differences), der zur Betrachtung des parasympathischen Einflusses dient.
Viele Smartwatches werben damit, dass sie die Herzfrequenzvariabilität messen können. „Was Smartwatches oder andere Wearables an den Extremitäten messen, ist jedoch in Wirklichkeit die Pulsratenvariabilität“, sagt Kardiologe Bauer. „Bei gesunden Personen mit normalem Herzrhythmus (Sinusrhythmus) korreliert diese annähernd mit der Herzfrequenzvariabilität. Bei Herzrhythmusstörungen ist das jedoch nicht mehr der Fall, weshalb diese Messmethodik dann in der Regel ungeeignet ist.“
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass zumindest einzelne Geräte gute Daten liefern. Allerdings schreiben die Studienautoren selbst, dass ihre Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen seien, der korrekte Sitz der Smartwatch eine wichtige Rolle spiele und die Messungen nur in Ruhe und nicht bei sportlicher Aktivität stattfanden, was Messfehler verringere.
Herzfrequenzvariabilität: Normwerte
Die Herzfrequenzvariabilität kann mit vielen unterschiedlichen Parametern bestimmt werden. Jeder davon hat einen anderen Normalbereich. Als Faustregel gilt: „Bei einer 24-Stunden-Langzeitmessung sind SDNN-Werte zwischen 50 und 100 Millisekunden als normal anzusehen. Bei RMSSD gelten Werte zwischen 30 und 70 Millisekunden als normal“, erklärt Kardiologe Bauer. „Dabei ist zu allerdings zu beachten, dass die Referenzwerte je nach Alter, Geschlecht und Messmethodik variieren.“ Es handelt sich also um dynamische und hochindividuelle Werte.
Hinsichtlich Normwerttabellen gibt auch Sportwissenschaftler Laborde zu bedenken: „Die Herzfrequenzvariabilität ist eine höchst persönliche Eigenschaft. Anstatt mit anderen Menschen sollten wir uns mit uns selbst vergleichen.“
Welche Faktoren beeinflussen die Herzfrequenzvariabilität?
Die Herzfrequenzvariabilität wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören:
- Alter: Bis zum 15. Geburtstag steigt die HRV an und erreicht im jungen Erwachsenenalter ihren Höhepunkt. Dann nimmt sie mit zunehmendem Alter wieder ab.
- Schwangerschaft: Während einer Schwangerschaft steigt die Herzfrequenzvariabilität üblicherweise an.
- Tageszeit: Nachts, wenn wir schlafen, ist die HRV am höchsten. Zum Morgen hin sinkt sie ab.
- Biologisches Geschlecht: Frauen unter 50 Jahren haben meist eine höhere HRV als Männer, mit zunehmendem Alter verringert sich dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern.
- Krankheiten: Wer an Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit oder Stoffwechselstörungen leidet, hat häufig auch eine niedrigere HRV. Auch zahlreiche psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder Posttraumatische Belastungsstörungen stehen mit einer verringerten HRV in Zusammenhang.
- Lebensstilfaktoren: Ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI), Alkoholkonsum, Rauchen oder Stress verringern häufig die HRV. Regelmäßiger Ausdauersport lässt die Werte steigen.
- Äußere Faktoren: Feinstaub und bestimmte Medikamente können die Herzfrequenzvariabilität senken. Auch hohe Temperaturen oder Lärm scheinen sie negativ zu beeinflussen.
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Warum sollte man die Herzfrequenzvariabilität messen?
Der große Vorteil der Herzfrequenzvariabilität liegt darin, dass sie einfach zu messen ist. Sportwissenschaftler Laborde empfiehlt, die HRV direkt nach dem Aufwachen und vor dem Aufstehen fünf Minuten lang zu messen. Dazu sollte man auch immer den Kontext notieren: Hat man gut geschlafen, am Vortag Sport getrieben, Alkohol getrunken oder einen besonders stressigen Tag gehabt? Wer sich und seine HRV somit über einen längeren Zeitraum beobachtet, kann feststellen, ob sie sich verbessert oder verschlechtert und welchen Einfluss der eigene Lebensstil darauf hat.
„Die besondere Stärke für den Einzelnen besteht darin, diesen Biomarker zu festen Zeiten zu messen und so einen individuellen Verlauf zu dokumentieren, anstatt sich nur auf eine einmalige Messung zu stützen“, sagt auch Kardiologe Bauer. Er sieht darin ein großes Potenzial. „Wenn ich an meinem Lebensstil etwas verändere und selbstständig einen Biomarker messen kann, der mir zeigt, ob meine Intervention wirkt, ist das hervorragend“, erläutert er. „Das kann das Zünglein an der Waage sein, das darüber entscheidet, ob die Leute weiter motiviert bleiben und durchhalten oder ob sie aufgeben. Die HRV eignet sich besonders gut dafür, da sie schneller auf Lebensstiländerungen reagiert als beispielsweise der Ruhepuls.“
Die HRV-Messungen können auch dazu genutzt werden, die nächste Trainingseinheit zu planen. „Wenn meine HRV im Vergleich zu den Vortagen niedriger ist, dann bedeutet das, mein Körper braucht mehr Erholung und ich sollte an dem Tag nur eine leichte Einheit absolvieren oder sie sogar ausfallen lassen“, rät Laborde.
Was bedeutet eine von den Normwerten abweichende HRV?
Niedrige HRV
Eine niedrige HRV kann darauf hindeuten, dass unser Körper unter physischem oder psychologischem Stress steht. Schichtarbeit oder Mobbing am Arbeitsplatz können genauso die HRV verringern wie zahlreiche Krankheiten. Auch direkt während und nach einer intensiven Sporteinheit sinkt die HRV ab, weil der Körper in diesem Moment Erholung braucht.
Hohe HRV
Eine hohe HRV ist ein Hinweis darauf, dass unser Körper in guter Verfassung ist und sich flexibel an psychologische oder physische Stressfaktoren anpassen kann. Wer regelmäßig Ausdauersport betreibt, hat häufig nicht nur einen niedrigen Ruhepuls, sondern auch eine hohe HRV.
Herzfrequenzvariabilität: Wie lässt sich die HRV verbessern?
Eine akute Steigerung der HRV kann mit Atemübungen erreicht werden. „Wer in einer Minute sechs Mal ein- und ausatmet, der stimuliert den Vagusnerv, den Hauptnerven des parasympathischen Nervensystems“, erklärt Sportwissenschaftler Laborde. Dadurch steigt die Herzfrequenzvariabilität. „Den gleichen Effekt hat es, den Kopf oder sogar den ganzen Körper in kaltes Wasser einzutauchen.“
Wer langfristig seine Herzfrequenzvariabilität verbessern will, kann dies mit einfachen Veränderungen des Lebensstils erreichen. Ganz oben auf der Liste steht mehr Bewegung, vor allem Ausdauersport. „Während des Trainings sinkt die HRV ab, weil unser Körper sich anstrengt, aber wer regelmäßig Sport treibt, der erhöht seine HRV“, sagt Laborde.
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