Wechselwirkung bedeutet, dass die Wirkung eines Medikaments durch ein anderes Arzneimittel beeinflusst wird. Wechselwirkungen können aber auch zwischen Arzneimitteln und Nahrungs- oder Genussmitteln auftreten. Je mehr Arzneimittel ein Mensch zu sich nimmt, desto höher ist das Risiko für unerwünschte Wechselwirkungen. Welche Faktoren noch eine Rolle spielen und was Sie tun können, um Wechselwirkungen zwischen Medikamenten bestmöglich zu vermeiden.
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten: Was bedeutet das?
Medikamente können die Wirkungen oder Nebenwirkungen von anderen Arzneimitteln verstärken oder auch abschwächen. Diese Wechselwirkungen von Medikamenten können auf verschiedene biologische Prozesse im menschlichen Körper zurückgehen. In vielen Fällen beeinträchtigt ein Arzneimittel die Verstoffwechselung eines anderen.
Die meisten bekannten Wechselwirkungen (Interaktionen) haben zur Folge, dass Arzneistoffe bei gleichzeitiger Einnahme toxischer werden, also schädlicher für die Patientinnen und Patienten. Seltener wird ein Wirkverlust bemerkt – oft aber gerade dann, wenn er besonders kritisch ist, etwa wenn:
- Antibiotika Infektionen nicht eindämmen
- Mittel, die das Immunsystem nach einer Transplantation unterdrücken sollen, nur unzureichend wirken
- Gerinnungshemmer das Blut nicht im gewünschten Ausmaß verdünnen.
Neben der Anzahl der verschiedenen Arzneistoffe spielen bei Wechselwirkungen von Medikamenten auch der Gesundheitszustand und das Alter der Patientinnen und Patienten eine Rolle. Infolge des demografischen Wandels steigt der Anteil an älteren Menschen mit mehreren Erkrankungen, die eine Therapie mit mehreren Medikamenten benötigen. Je mehr Medikamente Personen zur gleichen Zeit einnehmen, desto höher ist das Risiko für Wechselwirkungen.
Ihr Newsletter für ein gesünderes Leben
Jetzt unverbindlich anmelden und monatlich Gesundheitsthemen mit wertvollen Tipps erhalten und über exklusive Barmer-Services und -Neuigkeiten informiert werden.
Newsletter abonnieren
Höheres Risiko für Wechselwirkungen durch Polymedikation
Bevölkerungsübergreifend nimmt etwa jeder vierte Deutsche drei oder mehr Medikamente zur selben Zeit ein. Mit fortschreitendem Alter steigt bei vielen Menschen die Anzahl der bestehenden Erkrankungen und damit auch die Zahl der Medikamente, die sie einnehmen. Mit jedem neu angewendeten Medikament steigt jedoch auch das Risiko für Wechselwirkungen: Die Wirkung eines Arzneimittels kann verstärkt oder abgeschwächt, verlängert oder verkürzt werden.
Knapp die Hälfte aller Menschen über 65 nimmt mehr als fünf Arzneimittel gleichzeitig ein. Eine parallele und dauerhafte Einnahme von mindestens fünf verschiedenen Arzneimitteln bezeichnen Fachleute als Polymedikation. Polymedikation erhöht das Risiko für vermeidbare Schädigungen von Patientinnen und Patienten – in erster Linie aufgrund von vermehrten Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten.
Verschiedene Faktoren führen zur unerwünschten Polymedikation
Untersuchungen aus verschiedenen Ländern einschließlich Deutschland haben gezeigt, dass ein bis fünf Prozent aller Krankenhauseinweisungen die Folge von Arzneimittelwechselwirkungen sind. Polymedikation ist ein zentraler Aspekt bei der Entstehung von Wechselwirkungen – nicht immer sind jedoch alle verabreichten Medikamente zwangsweise notwendig. Die Gründe für unerwünschte Polymedikation sind vielseitig. Die Behandlung durch mehrere Ärztinnen und Ärzte ist Studien zufolge häufiger mit Polymedikation verbunden, da diese oft nicht vollständig über Therapien im Bilde sind, die von Kolleginnen und Kollegen verordnet wurden. Laut Arzneimittelreport 2023 erhalten zwei Drittel aller Patientinnen und Patienten ihre Medikamente von mehr als einer Ärztin oder einem Arzt, zwölf Prozent sogar von fünf oder mehr Ärztinnen und Ärzten.
Weitere Faktoren, die zu Polymedikation und damit zu unerwünschten Arzneimittelwechselwirkungen führen können, sind ein fehlendes Gesamtbehandlungskonzept und mangelnde Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Wechselwirkungen können auch als klassische Nebenwirkung fehlinterpretiert werden und zur Verschreibung eines weiteren Arzneimittels führen statt zur Anpassung der bestehenden Therapie.
Barmer eCare: Zur richtigen Zeit das passende Medikament nehmen
Mit der elektronischen Patientenakte der Barmer vergessen Sie dank Erinnerungsfunktion keine Einnahme eines Medikamentes mehr und können jederzeit die Liste Ihrer Medikamente mit Praxen teilen. So vermeiden Sie Wechselwirkungen.
Barmer eCare
Wechselwirkungen von Medikamenten: Einige prominente Beispiele
Heutzutage sind Wechselwirkungen zwischen einer Vielzahl von Medikamenten bekannt. Ein Arzneistoff kann die Wirkung eines anderen Arzneimittels verstärken oder vermindern. Beides kann verheerende Folgen für die Patientinnen und Patienten haben – gerade bei Personen im fortgeschrittenen Alter. Zu den am häufigsten beteiligten Arzneimitteln zählen:
Schmerzmittel: Wenn Menschen mit einer Verengung der Herzkranzgefäße Acetylsalicylsäure (ASS) zur Blutverdünnung bekommen und zur gleichen Zeit Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Ibuprofen einnehmen, steigt ihr Risiko für einen Herzinfarkt. Ibuprofen gehört zur Klasse der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Bei Medikamenten dieser Art ist zu beachten, dass sie die Wirkung verschiedener blutdrucksenkender Medikamente – zum Beispiel der sogenannten ACE-Hemmer – abschwächen. In Kombination mit bestimmten Antidepressiva, den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), erhöhen sie wiederum die Gefahr von Blutungen im Magen-Darm-Trakt.
Protonenpumpenhemmer (PPI): Das häufig bei Magengeschwüren und Sodbrennen verschriebene Omeprazol verlangsamt den Abbau des Antidepressivums Citalopram (ein SSRI) und erhöht so das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen.
Antidepressiva aus der Wirkstoffklasse der SSRI wiederum können Einfluss auf die Verstoffwechselung verschiedener anderer Medikamente nehmen (zum Beispiel Neuroleptika) und so ihre Wirkung beeinträchtigen.
Gefährliche Dreier-Kombination für die Niere: Werden NSAR in Kombination mit einem ACE-Hemmer und einem entwässernden Medikament (Diuretikum) eingesetzt, erhöht das maßgeblich das Risiko für Nierenversagen. Mehr als ein Viertel der über 65-Jährigen mit NSAR-Verordnung erhält Untersuchungen zufolge dennoch diese Kombination aus Arzneistoffen.
Johanniskraut verändert die Wirkung von Medikamenten
Das Naturheilmittel Johanniskraut kommt vor allem zur Behandlung von psychischen Verstimmungen und Depressionen zum Einsatz.
Mittlerweile sind jedoch verschiedene Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten bekannt. Johanniskraut kann die Ausscheidung bestimmter Arzneistoffe beschleunigen und so ihre Wirksamkeit beeinträchtigen. Das gilt unter anderem für Gerinnungshemmer, hormonelle Verhütungsmittel, Chemotherapeutika zur Behandlung von Krebserkrankungen und bestimmte Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken. Gleichzeitig kann das Johanniskraut auch die Wirkung anderer Antidepressiva verändern.
Auch die Ernährung kann Wirkung von Medikamenten beeinflussen
Einige Lebensmittel können ebenfalls Einfluss auf die Wirkung von Arzneimitteln nehmen. Besondere Vorsicht ist bei Grapefruits geboten. Sie enthalten Substanzen, die die Wirkung bestimmter körpereigener Enzyme hemmen, die normalerweise für den Abbau von Medikamenten zuständig sind. Werden diese Enzyme beeinträchtigt, verstärkt das die Wirkung der Arzneimittel. Das gilt zum Beispiel für Cholesterinsenker, bestimmte Beruhigungsmittel sowie Bluthochdruck- und Herzmedikamente. Um Wechselwirkungen vorzubeugen, sollten Menschen, die ein solches Medikament einnehmen, auf den Verzehr von Grapefruits verzichten.
Milch und Milchprodukte enthalten Calcium und den Eiweißstoff Casein, beide Inhaltsstoffe können mit verschiedenen Medikamenten wechselwirken. Sie behindern zum Beispiel die Wirkung von bestimmten Antibiotika wie den Tetrazyklinen, die etwa bei Haut- und Atemwegsinfektionen zum Einsatz kommen.
Alkohol kann neben seiner berauschenden Wirkung auch mit einer Vielzahl von Medikamenten wechselwirken. Nehmen Patientinnen und Patienten zum Beispiel längerfristig Ibuprofen oder ASS zu sich, erhöht Alkohol das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre.
Kaffee, grüner und schwarzer Tee enthalten Gerbstoffe, die die Wirksamkeit mancher Antidepressiva herabsetzen können. Umgekehrt können gewisse Medikamente den Abbau des wachmachenden Koffeins verlangsamen, was Schlafprobleme zur Folge haben kann.
Einige entwässernde Medikamente (Diuretika) sorgen für eine vermehrte Ausscheidung von Kalium. Das in Lakritz enthaltene Glycyrrhizin kann diesen Effekt verstärken und das Risiko für einen Kaliummangel erhöhen. Aus diesem Grund sollten Menschen, die ein Diuretikum einnehmen, Lakritz nur in geringen Mengen verzehren.
Wechselwirkungen möglichst vermeiden – durch einen Medikationsplan
Ein sogenannter Medikationsplan ist hilfreich, um den behandelnden Ärztinnen und Ärzten einen Überblick über die aktuell angewendeten Medikamente zu verschaffen. Er enthält eine Auflistung aller Medikamente, die eine Person einnimmt. Zudem sind auch Wirkstoff, Dosierung, Grund der Einnahme und sonstige relevante Hinweise dort festgehalten.
Seit Oktober 2016 haben alle Patientinnen und Patienten Anspruch auf einen ärztlich erstellten Medikationsplan, wenn sie dauerhaft (für mindestens 28 Tage) drei oder mehr Medikamente einnehmen beziehungsweise anwenden. Der Medikationsplan ist als Ausdruck erhältlich, lässt sich auf Patientenwunsch hin aber auch als elektronischer Medikationsplan (eMP) auf der elektronischen Gesundheitskarte speichern. Der eMP ermöglicht es allen behandelnden Ärztinnen und Ärzten, aktuelle und vergangene Behandlungen einzusehen und mögliche Neuverschreibungen darauf abzustimmen. So lassen sich Wechselwirkungen zwischen Medikamenten vermeiden beziehungsweise verringern. Darüber hinaus zeigen Untersuchungen der kassenärztlichen Bundesvereinigung, dass Patientinnen und Patienten mit einem Medikationsplan sich besser informiert fühlen. Den Plan fertigt in der Regel die Hausärztin oder der Hausarzt an. Ihn auf dem aktuellen Stand zu halten, liegt in der Verantwortung aller Beteiligten: Den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, den Apotheken, aber auch bei den Patientinnen und Patienten selbst – vor allem hinsichtlich frei verkäuflicher Arzneimittel.
Außerdem wird Patientinnen und Patienten geraten, möglichst Eigenverantwortung für ihre Medikamente zu übernehmen. Sie sollten sorgfältig die Beipackzettel ihrer Medikamente lesen. Die Packungsbeilagen warnen in der Regel vor gefährlichen Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder Lebensmitteln. Wer sich von der Fülle fachlicher Informationen überfordert fühlt, kann sich in der Apotheke beraten lassen.