Phiolen mit Impfstoff
Medikamente

Biologika – moderne Medikamente gegen Rheuma, Diabetes und Krebs

Lesedauer unter 5 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Heidi Günther (Apothekerin bei der Barmer)

Moderne Biologika haben die Behandlung chronischer und schwerer Erkrankungen erleichtert. Für viele betroffene Patientinnen und Patienten bieten die Biopharmazeutika damit eine verbesserte Therapiemöglichkeit. Der Bedarf für die Gruppe von Arzneistoffen ist weiterhin hoch. In den kommenden Jahren dürfte der Anteil der Biologika unter den verschriebenen Medikamenten noch weiter steigen.

Was sind Biologika?

Biologika werden mit Hilfe lebender Zellen von Mikroorganismen, Tieren und Pflanzen gewonnen, die gentechnisch verändert sind. Biologika werden auch als biologische Arzneimittel, Biopharmazeutika oder biotechnologisch hergestellte Arzneimittel bezeichnet. Gängig ist zudem der englische Begriff Biologicals. Diese Arzneistoffe werden seit nunmehr 40 Jahren in kontinuierlich zunehmendem Umfang hergestellt, die guten Erfahrungen mit Biologika werden täglich mehr.

Herkömmliche Arzneien wie Schmerzmittel, Mittel gegen Bluthochdruck oder Antibiotika gehören zu den chemischen Wirkstoffen. Sie werden beispielsweise in Tablettenform, als Tropfen oder Salben eingesetzt. Biologika dagegen sind komplexe Eiweißverbindungen (Proteine und Peptide) sowie Nukleinsäuren, die bei der Passage durch den Magen-Darm-Trakt zerstört würden. Patientinnen und Patienten bekommen Biologika daher per Injektion unter die Haut oder über die Vene als Infusion.

Bei welchen Erkrankungen werden Biologika eingesetzt?

Der erste gentechnisch hergestellte Wirkstoff war im Jahr 1982 Insulin, das aus modifizierten Kolibakterien gewonnen wurde. In den folgenden 40 Jahren hat sich die Anzahl der eingesetzten Biologika vervielfacht. Zahlreiche neue Indikationen sind dazugekommen, vor allem im Bereich der Autoimmun- und Krebserkrankungen. Während früher bei entzündlichen Autoimmunerkrankungen nur sehr eingeschränkte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung standen, sind heute Biologika zusätzliche hochwirksame Alternativen für die Patientinnen und Patienten. Sie ermöglichen z. B. Menschen mit Rheuma, entzündlichen Darmerkrankungen, mit Schuppenflechte (Psoriasis) oder Multipler Sklerose ein möglichst beschwerdefreies Leben. Dank Biologika ist auch die Therapie von Erkrankungen möglich, bei denen Eiweißstoffe wie Hormone und Gerinnungsfaktoren fehlen, etwa Diabetes, Bluterkrankungen oder Wachstumsstörungen.

Die Umsätze biotechnologisch hergestellter Therapeutika sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Zukünftig dürfte der Anteil der Biologika weiter steigen: Fast die Hälfte der im Jahr 2021 neu zugelassenen Medikamente waren Biopharmazeutika. Die Einsatzmöglichkeiten sind dabei vielfältig. Neben Insulin sind etwa Blutgerinnungsfaktoren wichtige Biologika, mit denen Menschen mit „Bluterkrankheit“ behandelt werden können. Biotechnologisch hergestellte Wachstumsfaktoren, Sexualhormone oder Insulin ersetzen fehlende körpereigene Hormone. Sogenannte Interferone, Immunglobuline, dämpfen entzündliche Reaktionen bei Autoimmunerkrankungen. Auch zahlreiche Impfstoffe, etwa die Impfung gegen das Sars-Cov2-Virus oder gegen Influenza, sind Biologika.

Wie wirken Biologika?

Biologika sind identisch mit körpereigenen Eiweißen oder werden diesen nachempfunden. Vorteil dieser Arzneimittel ist, dass sie gezielt in den Mechanismus der Erkrankung eingreifen. Beispiel Rheuma: Die verwendeten Antikörper legen nicht das ganze Immunsystem lahm, sondern zielen auf bestimmte Signalstoffe ab, die die Entzündung vorantreiben.

Welche Biologika gibt es?

Biologika haben zwar vergleichbare Herstellungsprozesse, unterscheiden sich jedoch in ihren Wirkmechanismen, je nach Molekül, das sie ersetzen oder blockieren. Allen Biologika ist gemeinsam, dass sie gezielt in den Mechanismus der jeweiligen Krankheit eingreifen.

Monoklonale Antikörper
Diese speziellen Antikörper ähneln körpereigenen Abwehrstoffen. Sie können gezielt krankheitsauslösende Faktoren abfangen oder spezifisch an eine Zielstruktur binden und diese etwa blockieren. Monoklonale Antikörper werden für viele unterschiedliche Krankheiten eingesetzt, beispielsweise zur Behandlung von Krebsleiden und bei Autoimmunerkrankungen, zu denen auch Rheuma und Schuppenflechte (Psoriasis) zählen. Sie werden aber auch bei der Osteoporose und zur Unterdrückung der körpereigenen Abwehr eingesetzt, um etwa nach einer Organtransplantation zu verhindern, dass der Organismus das fremde Organ abstößt.

Hormone
Der erste biotechnologisch hergestellte Wirkstoff war im Jahr 1982 Humaninsulin. Vorher gewann man Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen. Weil Schweineinsulin vom Aufbau her nicht ganz identisch mit menschlichem Insulin ist, provozierte das tierische Insulin teilweise schwere allergische Reaktionen. Diese Gefahr fällt beim gentechnisch hergestellten Humaninsulin weg.

Gerinnungsfaktoren
Patientinnen und Patienten mit der vererbbaren „Bluterkrankheit“ fehlen bestimmte Eiweiße, die das Blut gerinnen lassen. Früher gewann man die fehlenden Gerinnungsfaktoren aus Blutspenden, heute werden sie biotechnologisch hergestellt.

Fibrinolytika
Im Gegensatz zu den Gerinnungsfaktoren können biotechnologisch hergestellte Fibrinolytika unerwünschte Blutgerinnsel auflösen, sie verdünnen das Blut gewissermaßen.

Hämatopoetische Wachstumsfaktoren
Diese Wirkstoffe werden unter anderem unterstützend bei Chemotherapien eingesetzt. Sie helfen das Blutbild zu verbessern und mindern damit die Infektionsgefahr.

Interferone
Interferone sind körpereigene Hormone, die bei der Regulation des Immunsystems eine wichtige Rolle spielen. Biotechnologisch hergestellte Interferone werden beispielsweise bei der Therapie der Multiplen Sklerose eingesetzt.

Wer wird mit Biologika behandelt?

Biologika kommen bei zahlreichen Erkrankungen zum Einsatz. Manchmal entscheidet sich die Ärztin oder der Arzt von Anfang an für eine Therapie mit einem Biologikum, oftmals erst im Verlauf der Therapie. Teilweise werden Biologika auch zusammen mit chemischen Arzneimitteln verabreicht. Dadurch lässt sich die Wirkung der Biologika verstärken, ohne dass die Dosis erhöht werden muss. Einige Patientinnen und Patienten dürfen nicht mit Biologika behandelt werden. Bei Patienten etwa, die ein geschwächtes Immunsystem haben, können Biologika, die als Nebenwirkung die Funktion des Immunsystems weiter herabsetzen, schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.

Haben Biologika Nebenwirkungen?

Keine Wirkung ohne Nebenwirkungen – das gilt auch für Biologika. Abhängig davon, was sie im Körper bewirken, können Biologika auch für unerwünschte Effekte sorgen. Solche, die die Aktivität des Immunsystems drosseln, können beispielsweise die Anfälligkeit für Infekte erhöhen. Wie bei anderen Medikamenten auch, kann es zu Unverträglichkeiten kommen. Echte allergische Reaktionen sind dagegen eher selten. An der Einstichstelle von Pen, Spritze oder Infusion können Hautausschlag, Juckreiz oder Schmerzen auftreten. Zu weiteren produktspezifischen Nebenwirkungen wird Sie gerne Ihre Ärztin oder Ihr Arzt bzw. Ihre Apothekerin oder Ihr Apotheker beraten. 

Wie werden Biologika hergestellt und zugelassen?

Die Entwicklung und Zulassung von Biologika unterliegt strengen gesetzlichen Regelungen. Biologika werden gentechnisch in lebenden Zellen hergestellt; ihre Produktion ist damit sehr viel komplexer als bei chemischen Arzneimitteln. Die Herstellung findet letztlich in sogenannten Fermentern oder Bioreaktoren, statt, in denen Billionen Zellen die gewünschten Eiweißstoffe bilden. Um eine gleich bleibende Qualität zu gewährleisten, müssen Faktoren wie Temperatur, Nährstoffgehalt, Sauerstoffzufuhr konstant gehalten werden.

In Europa läuft die Zulassung von Biologika über die Europäische Arzneimittelagentur (EMA). Im Vergleich zu chemischen Arzneimitteln gibt es für Biologika besondere Regeln für die Herstellung und Zulassung.

Literatur: