Dr. Janine Voß ist Leiterin der Abteilung Beschaffung und Nachhaltigkeit der Barmer.
Nachhaltigkeit

“Gesundes Leben braucht einen gesunden Planeten“

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Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Erstellt im Oktober 2021

Als Leiterin des Bereichs Zentrale Dienste, zu dem die Abteilung Beschaffung und Nachhaltigkeit gehört, koordiniert Dr. Janine Voß bei der Barmer die Klimaschutzmaßnahmen. Hier erklärt sie, warum auch Krankenkassen Verantwortung für die Umwelt tragen – und warum klimaverträgliches Handeln nicht unbedingt teurer sein muss. 

Frau Dr. Voß, die Barmer will bis 2030 klimaneutral werden. Warum haben Sie sich dieses Ziel gesetzt?

Janine Voß: Die Erderwärmung aufzuhalten ist ja kein Modetrend, bei dem wir mitmachen, sondern eine absolute Notwendigkeit – und das weltweit. Im Klimaschutzgesetz ist verankert, dass die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis zum Jahr 2030 deutlich verringert werden müssen. Für uns ist es selbstverständlich, daran mitzuarbeiten. Umwelt und Klima gehen schließlich alle etwas an. Durch die Flut an Erft und Ahr ist uns dies in den vergangenen Wochen noch einmal schmerzhaft bewusst geworden. Auch manche unserer Mitarbeitenden waren von den Hochwassern betroffen. Solche Katastrophen machen deutlich, dass Klimaschutz auch ein Gesundheitsthema ist – und damit für uns als Krankenkasse Priorität haben sollte.

Aktueller Hinweis: Seit wir diesen Text erstellt haben, haben sich die Dinge weiterentwickelt. Die Barmer ist bereits seit September 2022 klimaneutral. Erfahren Sie hier mehr. 

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Klimaschutz und Gesundheit?

Janine Voß: Belastende Wetterlagen wie die Hitzewellen, die in den vergangenen Sommern vielerorts auftraten, stellen viele Menschen vor große gesundheitliche Herausforderungen. Auch Starkregen kann Leib und Leben in Gefahr bringen. Werden Schadstoffe in Gewässer eingetragen, kann dies die Trinkwasserversorgung gefährden. Ganz erheblichen Einfluss auf die Gesundheit hat zudem Luftverschmutzung, also Belastung mit Feinstaub, Ozon, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid. Das hat direkten Auswirkungen auf Herz-Kreislauf-System und Atemwege.

Krankenkassen gehören zum Gesundheitssektor, nicht zur produzierenden Industrie. In welchen Bereichen gibt es dennoch Handlungsbedarf?

Janine Voß: Unser Fußabdruck ist natürlich nicht so groß wie der eines produzierenden Unternehmens. Aber auch Krankenkassen tragen zu den Emissionen bei. Relevant ist zum Beispiel der Fußabdruck, der durch die Nutzung unserer Gebäude entsteht: Wir heizen und verbrauchen Strom. Durch unsere Arbeit sind wir zudem ständig in intensivem Kontakt mit den Versicherten, Praxen, Krankenhäusern, Apotheken oder Lieferanten. Dafür benötigen wir Papier und Ausdrucke, auch wenn dies durch die Digitalisierung abnimmt. Weitere Aspekte sind die physische Postzustellung und Plastikabfälle. Letztendlich zählen auch die kleinen Veränderungen, die zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Dass man nicht so viel Emissionen erzeugt wie andere, ist ja kein Grund, sich rauszuziehen.

Welche Maßnahmen wurden bereits umgesetzt?

Janine Voß: Durch die bundesweite Umstellung auf Ökostrom im Jahr 2020 konnten wir das Ökosystem um etwa 6.830 Tonnen CO2 pro Jahr entlasten. Das entspricht der Menge Kohlendioxid, die ein deutscher Buchenwald mit über einer halben Million Bäumen in einem Jahr der Erdatmosphäre entziehen kann. Auch die teilweise Nutzung von Fernwärme brachte wichtige Reduktionen.

In den vergangenen drei Jahren haben wir unseren Bedarf an Kopierpapier um etwa 20 Prozent gesenkt und den Anteil von Recyclingpapier stark erhöht. Dabei helfen auch unsere digitalen Angebote wie die Barmer-App, über die Kunden zum Beispiel Anträge übermitteln können, ohne den Postweg zu nutzen. Zudem haben wir recycelte Materialien im Einsatz und machen uns für die Kreislaufwirtschaft stark: Möbel, die bei uns nicht mehr eingesetzt werden konnten, stehen jetzt in den Büroräumen von 15 Start-Ups.

Wie nachhaltig eine Maßnahme ist, lässt sich nicht immer sofort durchschauen. Nach welchen Kriterien entscheidet die Barmer, was klimaverträglich ist und was nicht?

Janine Voß: Das ist richtig, deshalb ist der systematische Aufbau von Nachhaltigkeits-Expertise ein wichtiges Ziel für uns. Für manche Fragen bedarf es auch wissenschaftlicher Unterstützung. Wir arbeiten beispielsweise mit dem Wuppertal Institut zusammen, einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung, die auch international einen sehr guten Ruf genießt.

Inwieweit ist die von Ihnen geleitete Abteilung Beschaffung und Nachhaltigkeit in die Veränderungen eingebunden?

Janine Voß: Die Abteilung übernimmt die Koordination der unternehmensweiten Aktivitäten und bereitet die Ergebnisse für das Reporting auf. Bei Anschaffungen kamen schon länger Nachhaltigkeitsaspekte zum Tragen, insofern passten die Themen gut zusammen. Ein Beispiel dafür ist unser seit März 2021 gültiger Lieferantenkodex. Dieser informiert unsere Zulieferer darüber, welche Standards bei Menschenrechten und dem Schutz der Umwelt wir von ihnen erwarten. Die dort formulierten Anforderungen entsprechen natürlich gleichzeitig unserem Anspruch an unser eigenes Handeln.

Entstehen durch das Mehr an Ökologie nicht auch automatisch höhere Kosten?

Janine Voß: Das müssen wir natürlich immer abwägen. Als Krankenkasse hat die achtsame Verwendung von Versichertengeldern für uns Priorität. Insofern ist die Frage berechtigt, wie viel Nachhaltigkeit kosten darf. Um unser Klimaschutzziel zu erreichen, sind Investitionen nötig. Das ist klar. In vielen Bereichen bedeutet die nachhaltigere Lösung aber nur sehr geringe oder gar keine Zusatzkosten.

Auch als privater Verbraucher stellt man zum Beispiel fest, dass ein Wechsel auf Ökostrom keine hohen Zusatzkosten erzeugt. Viele unserer Zulieferer, die hohe Umweltstandards einhalten, sind heute schon in der Lage, uns wettbewerbsfähige Angebote zu machen. Ich rechne damit, dass Produkte und Dienstleistungen, die dem Klima abträglich sind, zukünftig auch teurer werden. Nachhaltigkeit kann sogar bedeuten, dass man spart – durch die optimalere Nutzung von Büroflächen oder durch weniger Dienstreisen.

Wie reagieren die Mitarbeitenden auf das Thema? Veränderungen im Unternehmen können ja auch für Unruhe sorgen.

Janine Voß: Bei unseren Mitarbeitenden gibt es in dieser Hinsicht schon ein großes Bewusstsein. Im Rahmen der wegen Corona verstärkten Hygienemaßnahmen haben wir die Handtuchrollen in den Waschräumen durch einzelne Papierhandtücher ersetzt. Daraufhin meldeten sich mehrere Kolleginnen und Kollegen mit der Frage, ob das denn nachhaltig sei. So viel Engagement freut mich natürlich. Über 2.000 Kolleginnen und Kollegen nutzen derzeit unser JobRad-Angebot.

Bei der diesjährigen Fahrradchallenge haben Mitarbeiter gemeinsam mehr als 14 Mal den Globus umrundet. Um unsere Ziele zu erreichen, brauchen wir die Unterstützung aller. Deshalb bieten wir Schulungen und Austauschformate an, um weiter für das Thema zu sensibilisieren. Dabei lassen wir uns auch von außen inspirieren und holen uns für Vorträge Expertinnen und Experten anderer Unternehmen ins Haus.

Herzlichen Dank und viel Erfolg weiterhin!