Nadine und Jörg sind zwei vegane Foodies, Vollzeit-Blogger und Kochbuchautoren. Auf ihrem Blog Eat this! teilen sie ihre Leidenschaft für die vegane Ernährung seit fast 12 Jahren mit ihrer Community, Vegan-Interessierten und allen, die es noch werden wollen. Im Interview hat Jörg uns die Vorzüge veganer Küche verraten und aufgezeigt, wie man sich und der Umwelt mit wenig Aufwand und viel Spaß etwas Gutes tut.
Jörg, euer Blog verrät, dass tierische Produkte bei euch weder in der Küche noch im Kleiderschrank oder sonst wo zu finden sind. Wie seid ihr auf das Thema Veganismus aufmerksam geworden und warum lebt und esst ihr ausschließlich vegan?
Jörg Mayer: Nadine hat bereits mit 12 Jahren beschlossen, vegetarisch zu leben. Mit der Entscheidung, Fisch und Fleisch von ihrem Speiseplan zu streichen, war sie die Erste in ihrer Familie. Den entscheidenden Schritt zum Veganismus ging sie dann aber lustigerweise als Letzte von ihnen. Bei mir war es ganz ähnlich. Schon als Kind habe ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt, auch wenn die Entscheidung, vegan zu leben, erst später fiel.
So sieht eine gesunde vegane Ernährung aus.
Informierte Entscheidungen treffen: Überblick über die wichtigsten Fakten zum Veganismus.
Hinweis: Die DGE rät von einer veganen Ernährung für bestimmte Personen ab. „Eine vegane Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindes- und Jugendalter wird von der DGE weiterhin nicht empfohlen.“
Der eigentliche Auslöser unserer Ernährungsumstellung war und ist die Liebe zu den Tieren und das Unverständnis darüber, dass Hunde, Katzen und Co. als Haustiere gehalten und andere Tiere zu Lebensmitteln verarbeitet werden. Dieser Gedanke brachte uns schließlich dazu, vegetarisch zu leben. Im Jahr 2005, kurz bevor wir uns kennenlernten, haben wir dann unabhängig voneinander beschlossen, den konsequenteren Weg einzuschlagen und gleich alle tierischen Produkte aus unserem Leben zu verbannen.
Dass eine vegane Lebensweise dem Tierwohl zugutekommt, liegt wohl auf der Hand, doch wie wird damit auch unserem Planeten geholfen?
Jörg Mayer: Fleisch hat mit die höchste CO2-Belastung aller Lebensmittel. Denn für die Produktion sind enorme Mengen von Futtermitteln notwendig, deren Anbau zudem riesige Mengen an kostbaren Ressourcen wie Wasser oder Land verbraucht. Laut Albert Schweizer Stiftung werden allein für ein Kilogramm Rindfleisch 15.400 Liter Wasser benötigt. Die Vorteile veganer Ernährung liegen also vor allem in ihrem deutlich geringeren Ressourcenverbrauch.
Fleisch, Gemüse und CO2: Noch etwas genauer weiß es unser CO2-Rechner zur Ernährung.
Außerdem: Alles über klimafreundliche Ernährung ohne Verzicht.
Und eine Übersicht über nachhaltige und klimafreundliche Lebensmittel.
Dennoch hält sich das Argument hartnäckig, dass Regenwälder insbesondere für den Sojaanbau von veganen Lebensmitteln wie Tofu oder Sojamilch gerodet werden. Fakt ist aber, dass der allergrößte Teil dieser Sojaproduktion zu Futtermittel für Nutztiere verarbeitet wird und nicht, wie fälschlicherweise oft angenommen, zu veganen Produkten.
Eine vegane Lebensweise ist also nachhaltiger als andere Ernährungsformen. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich persönlich?
Jörg Mayer: Eine verbindliche Definition von Nachhaltigkeit habe ich eigentlich nicht. Mir geht es vor allem darum, mit meiner veganen Lebensweise so viel Leid wie möglich auf der Welt zu vermeiden. Dabei beziehe ich mich aber nicht nur auf das Wohl der Tiere, sondern auch auf die Gesundheit der Menschen und die unseres Planeten, welcher merklich unter den Folgen des Klimawandels leidet. Nachhaltigkeit könnte also bedeuten, dass jeder so viele Ressourcen wie möglich einspart.
Ohne Nachhaltigkeit keine Gesundheit - und umgekehrt. Alles über einen vielfältigen Zusammenhang.
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Wie das in der Praxis aussieht, muss jeder für sich selbst definieren. Der Verzicht auf tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte ist in jedem Fall eine effektive Methode, seinen ökologischen Fußabdruck schnell und einfach zu reduzieren und so einen wichtigen Teil zum Klima- und Umweltschutz beizutragen.
"Es geht es nicht darum, fehlerfrei zu sein, sondern auf so viele tierische Produkte wie möglich zu verzichten. Die Freude am Kochen und die Neugier auf neue Gerichte helfen bei all dem natürlich enorm".
Euch geht es also um mehr als nur leckere Rezepte auf eurem Blog?
Jörg Mayer: Genau, mit unserem Blog versuchen wir neben bunten und abwechslungsreichen Gerichten auch Tipps und Hilfestellungen an die Hand zu geben, die den Start der Ernährungsumstellung erleichtern und die Vorzüge einer veganen Ernährung hervorheben. Natürlich erhoffen wir so, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, ihren Speiseplan nachhaltiger zu gestalten.
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Was würde in den nächsten 10 Jahren passieren, wenn wir unser Denken und Handeln nicht an den Klimawandel anpassen?
Jörg Mayer: Ich muss kein ausgebildeter Klimawissenschaftler sein, um festzustellen, dass die weltweit gesetzten Klimaziele nicht erreicht werden können und dies zu irreversiblen Veränderungen auf unserem Planeten führt, sollten wir unser Denken und Handeln nicht unmittelbar an die Gegebenheiten anpassen.
Wer sich nicht an Hitzesommer oder Überschwemmungen gewöhnen möchte, sollte also dringend den eigenen Lebensstil und die eigenen Ernährungsgewohnheiten überdenken.
"Unsere Gerichte sind bunt, vielseitig, frisch und sehr geschmackvoll. Und da saisonales Obst- und Gemüse mit kurzen Transportwegen die Basis unserer Küche bilden, müssen wir dafür nicht einmal tief in unsere Taschen greifen".
Außerdem leiden jetzt schon unzählige Menschen auf der Welt an Hunger, da wichtige Ressourcen und Anbauflächen eher für die landwirtschaftliche Tierhaltung und den Anbau von Futtermitteln als für dringend benötigte Nahrungsmittel benutzt werden. Diese Umstände können zu Fluchtbewegungen aus dem globalen Süden und so zu einem politisch angespannten Klima führen. Die Klimakrise ist also nicht nur eine ökologische, sondern auch eine gesellschaftliche, politische und soziale Krise, der wir uns gemeinsam stellen müssen.
Was empfiehlst du Leuten, die mit dem Gedanken spielen, sich vegan zu ernähren?
Jörg Mayer: Einfach anzufangen. So banal es klingt, so banal ist es auch. War es früher noch schwierig, vegane Produkte im Supermarkt aufzuspüren, sind diese mittlerweile deutlich als solche gekennzeichnet und meist gebündelt an einem Ort zu finden. Das mühsame Studieren der Inhaltsangaben gehört also glücklicherweise der Vergangenheit an.
Und sollte versehentlich doch mal ein tierisches Produkt im Einkaufskorb landen, bedeutet dies nicht gleich den wortwörtlichen Weltuntergang. Schließlich geht es nicht darum, fehlerfrei zu sein, sondern auf so viele tierische Produkte wie möglich zu verzichten. Die Freude am Kochen und die Neugier auf neue Gerichte helfen bei all dem natürlich enorm.
Was darf in der Küche einer Veganerin oder eines Veganers auf keinen Fall fehlen?
Jörg Mayer: Neben den ohnehin veganen Produkten wie Hartweizenpasta, Getreide und Hülsenfrüchten, sind frische Kräuter und saisonales sowie regionales Obst und Gemüse ein absolutes Muss in jeder Küche. Saisonal und regional bedeutet, dass diese Lebensmittel von Natur aus zu bestimmten Jahreszeiten in der Region reifen und geerntet werden, in der sie auch verkauft und schließlich verzehrt werden. Dadurch sind die Lebensmittel nicht nur frischer und qualitativ hochwertiger, der kürzere Transportweg schont zudem die Umwelt und den Geldbeutel.
Wer keinen Hofladen um die Ecke hat, der wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf dem Wochenmarkt und ausgewählten Supermärkten fündig. Und für alle, die gerade erst anfangen, ihre Ernährung umzustellen, aber noch nicht auf gewohnte Kochrituale verzichten wollen, eignen sich Fleischersatzprodukte. Diese haben nicht nur einen weitaus geringeren Fußabdruck als echtes Fleisch, sie kommen diesem auch geschmacklich sehr nah.
Ist eine 100%ige vegane Ernährung überhaupt möglich?
Jörg Mayer: Eine fast schon philosophische Frage, die dazu anhält, nicht nur das Endprodukt, sondern den gesamten Kontext zu betrachten: Wurde ausschließlich pflanzlicher Dünger eingesetzt? Können wir sichergehen, dass bei der Ernte nicht doch versehentlich Tiere oder Insekten getötet wurden? Oder hat man mal eine Obstfliege mitgegessen?
Auch wenn diese Fragen zeigen, wie schwierig eine 100%ige vegane Ernährung sein kann, der Versuch, möglichst viel Leid zu vermeiden, ist es nicht.
Hand aufs Herz, du als Veganismus-Experte machst bestimmt hin und wieder auch mal etwas falsch, oder?
Jörg Mayer: Mittlerweile habe ich ein sehr geschultes Auge dafür, was vegan ist und was nicht. Das betrifft sowohl Lebensmittel als auch Produkte aller anderen Lebensbereiche.
Aber auch ich bin mal unaufmerksam und übersehe oder überlese etwas. Im ersten Moment dominiert der Ärger über mich selbst, im zweiten überlege ich schon, an wen ich das Produkt weitergeben oder wie ich es selbst verwerten könnte. Denn einmal gekauft, sollte kein Lebensmittel – egal ob tierisch oder pflanzlich – einfach so weggeschmissen werden.
Damit widerlegst du schon mal das Vorurteil, alle Veganerinnen und Veganer seien dogmatisch. Gibt es noch mehr Vorurteile, mit denen du gerne aufräumen möchtest?
Jörg Mayer: Ein Vorurteil, dass sich ziemlich hartnäckig hält, ist, dass vegane Ernährung sehr teuer sei. Das wäre auch der Fall, würde unser Speiseplan ausschließlich aus Mandelmus bestehen, womit wir gleich bei Vorurteil Nummer zwei wären. Dem ist natürlich nicht so. Unsere Gerichte sind bunt, vielseitig, frisch und sehr geschmackvoll. Und da saisonales Obst- und Gemüse mit kurzen Transportwegen die Basis unserer Küche bilden, müssen wir dafür nicht einmal tief in unsere Taschen greifen. Außerdem sehen uns viele in der Rolle des Spielverderbers, wenn es um gemeinschaftliche Aktivitäten, wie z. B. die Grillparty bei Freunden, geht. Dazu kann ich nur sagen: Wer Corn Ribs, gegrillten Zucchinipäckchen oder Seitan-Jackfruit-Burgern keine Chance gibt, ist selbst schuld.
Gibt es einen Rat, den du uns noch mit auf den Weg geben möchtest?
Keiner macht alles von Beginn an richtig. Deshalb fangt einfach an und habt Spaß dabei.
Vielen Dank für das Gespräch!