Ein junges Paar bereitet gemeinsam Essen zu.
Ernährung

Epi-Food: Lässt sich mit bestimmten Lebensmitteln die Funktion der Gene positiv beeinflussen?

Lesedauer unter 6 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Katrin Steffens (Diplom Ökotrophologin (FH))

Unser Lebensstil trägt entscheidend dazu bei, welche Gene in unseren Zellen an- oder abgeschaltet werden. Mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel – Epi-Food – soll die Funktion der Gene gezielt zu unserem Vorteil beeinflusst werden. Forschende sind skeptisch. Was ist dran am Ernährungstrend? 

Was ist Epigenetik?

Wer verstehen will, wie man mit einem gesunden Lebensstil die Funktion der Gene beeinflussen kann, der kommt um einen kleinen Ausflug in die Biologie nicht herum. Der Bauplan für unseren Körper sind die Gene, die sich in Form von DNA (Desoxyribonukleinsäure) in unserem Zellkern befinden. Die Reihenfolge der Basenpaare in der DNA legt zum Beispiel fest, welche Augenfarbe wir haben. Doch nicht bei allen Merkmalen ist der Einfluss der Genetik so dominant: Ob wir zum Beispiel von Adipositas oder Typ-2-Diabetes geplagt werden, liegt nur zu einem Teil an den Genen.

„Wir können nur 20 Prozent der Übergewichtsfälle mit Genetik erklären“, sagt Professorin Annette Schürmann, die am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke zu dem Thema forscht. „Gleichzeitig ist offensichtlich, dass es sehr wohl eine familiäre Komponente gibt: Übergewichtige Eltern haben öfter auch übergewichtige Kinder.“ 

Ein Grund dafür ist die Epigenetik. Darunter versteht man verschiedene Möglichkeiten, mit denen die Gene in unseren Zellen an- oder abgeschaltet werden. „Man kann sich das wie einen Lichtdimmer vorstellen“, sagt Schürmann. „Das Licht ist das Gen, welches entweder sehr hell leuchten, schwach glimmen oder ganz ausgeschaltet sein kann.“

Zurzeit sind drei zentrale Möglichkeiten bekannt, mit denen Gene reguliert, also an- oder abgeschaltet werden können:

  • Das Anhängen sogenannter Methylgruppen an die DNA-Base Cytosin verhindert das Ablesen eines Gens. 
  • Veränderungen an Histon-Proteinen, um die die DNA gewickelt ist, verändern die Genexpression, also die Umsetzung der genetischen Information. 
  • Micro-RNAs (kleine Ribonukleinsäure-Moleküle) können verhindern, dass bereits abgelesene Gene in Proteine übersetzt werden. 

Doch wer bedient diese Genschalter? Es ist unser Lebensstil, also unter anderem unsere Ernährung.

Infografik Epi-Food: Der Lebensstil kann die Funktion unserer Gene beeinflussen

Zum Thema Epi-Food wird noch viel geforscht. Eine wichtige Erkenntnis ist aber, dass unser Lebensstil Einfluss auf die Funktion unserer Gene und die Gesundheit unserer Nachkommen haben kann.

Epigenetik: Welchen Einfluss hat die Ernährung auf die Funktion unserer Gene?

Epigenetische Veränderungen durch die eigene Ernährung

„Du bist, was du isst“ – in dieser Volksweisheit steckt viel Wahres. Denn was wir essen, hat auch einen Einfluss auf die Funktion unserer Gene und damit auf unsere Gesundheit. Wer viel Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte, aber wenig tierische Fette zu sich nimmt, verringert das Risiko an Darmkrebs oder anderen Krebsarten zu erkranken. Dieser positive Einfluss wird zum Teil durch die Epigenetik vermittelt. 

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Auch eine Kalorienrestriktion wirkt sich positiv auf unsere Genfunktion aus. Werden alle lebenswichtigen Nährstoffe in ausreichender Menge verzehrt, jedoch weniger Kalorien, verhindert das im Körper Entzündungsprozesse – vermittelt durch epigenetische Mechanismen. 

Studien an Mäusen haben zudem gezeigt, dass eine um 40 Prozent reduzierte Nahrungsaufnahme die Lebenszeit um 30 Prozent verlängert. Denn beim Altern ändert sich das Methylierungsmuster der DNA und damit die Genaktivität – leider nicht zum Positiven. Der Fettstoffwechsel zum Beispiel wird mit zunehmendem Alter immer träger. Ein Nahrungsmangel verhindert solche ungünstigen, altersbedingten epigenetischen Veränderungen. Mäuse auf Diät hatten daher auch im Alter einen aktiven Fettstoffwechsel, der sie vor Fettablagerungen in der Leber schützte und einer Insulinresistenz vorbeugte. 

Epigenetische Eigenschaften, die Eltern auf das Kind übertragen

Der Einfluss der Ernährung auf die Epigenetik macht nicht beim eigenen Körper halt, sondern kann mehrere Generationen umspannen. Liegen bei Vater oder Mutter epigenetische Veränderungen vor, etwa aufgrund der Ernährung, können diese auf das Kind übertragen werden.

Eine Studie hat beispielsweise gezeigt, dass das Körpergewicht von Vätern in Zusammenhang mit dem Gewicht ihrer Nachkommen und deren Neigung zu Stoffwechselkrankheiten steht. Vermutlich bringen die Spermien bei der Befruchtung der Eizelle kleine RNA-Fragmente mit, die den Stoffwechsel in den „Kraftwerken“ der Zellen (Mitochondrien) des Embryos beeinflussen.

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Epigenetische Veränderungen, die während der Schwangerschaft entstehen

Wie die Ernährung der Mutter den sich entwickelnden Embryo beeinflusst, ist besonders gut im Zusammenhang mit dem niederländischen Hungerwinter von 1944/45 untersucht. Der Stoffwechsel der Kinder, die während dieser Zeit geboren wurden, hatte sich im Mutterleib an eine extreme Mangelernährung angepasst. Das war notwendig, wurde später aber zum Verhängnis. Denn als diese Kinder nach dem Ende des Krieges wieder Zugang zu einem reichhaltigeren Nahrungsangebot hatten, entwickelten sie häufiger ein metabolisches Syndrom, inklusive Fettleibigkeit, erhöhten Blutzuckerwerten und einer verminderten Toleranz für Glukose. 

Schwangere Frau in der etwa 22. Schwangerschaftswoche liegt im Bett und Isst Frühstück auf einem Tablett

Schwangere haben einen erhöhten Nährstoffbedarf. Hier geht es weniger darum, einfach mehr zu essen, sondern das Richtige – damit das Baby sich gesund entwickeln kann.

Eine Mangelernährung schadet also dem ungeborenen Kind langfristig. Allerdings ist auch das Gegenteil wahr. Wenn Frauen sich vor oder während der Schwangerschaft sehr fettreich ernähren, ist dies ebenfalls sehr ungünstig. Studien haben gezeigt, dass dann das Risiko für die Nachkommen steigt, ein erhöhtes Körpergewicht und eine verminderte Glukosetoleranz aufzuweisen. Der Effekt war selbst in der Enkelgeneration noch nachweisbar.

Die richtige Ernährung in der Schwangerschaft ist wichtig: Der Körper braucht jetzt ausreichend Nährstoffe, die über Methylgruppen verfügen. Dazu gehören zum Beispiel Folsäure oder Cholin. Fehlen diese Nährstoffe während der Schwangerschaft, wird die DNA nicht ausreichend methyliert – ein Effekt, der sich später auf die Krankheitsanfälligkeit des Kindes auswirken kann. 

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Epi-Food: Gene über die Ernährung gezielt beeinflussen – geht das?

Was genau sollte man essen, wenn man sein Epigenom möglichst positiv beeinflussen möchte? Welches Epi-Food wirkt sich so günstig auf die Funktion unserer Gene aus, dass es von jetzt an immer auf unserem Speiseplan stehen sollte? 

Die Antwort ist: Man weiß es nicht. Bisher gibt es keine Studien, die konkrete Belege für Ernährungsempfehlungen liefern. „Wir können nicht sagen, dass jemand, der viel Brokkoli isst und auf Zucker verzichtet, dadurch fehlregulierte Gene wieder korrigiert“, sagt auch Wissenschaftlerin Schürmann. „Für gezielte Ratschläge ist es zu früh.“

Epi-Food-Rezepte gibt es also nach derzeitigem Forschungsstand nicht. Stattdessen gelten die gleichen Ernährungsempfehlungen, die Fachleute schon seit Jahrzehnten betonen: viel Gemüse und Obst, regelmäßig Fisch, wenig Zucker und Fett. 

Epi-Food: Weniger ist mehr

Studien zeigen immerhin schon jetzt, dass die Nahrungsmenge eine Rolle spielt. „Wir sehen, dass sich nach intermittierendem Fasten oder starkem Gewichtsverlust aufgrund einer operativen Magenverkleinerung das Methylierungsmuster der DNA und die freien Micro-RNAs zum Positiven hin verändern“, erklärt Schürmann. Auch bei Mäusen gebe es Hinweise in diese Richtung: Wenn man eine dicke Maus einem Fastenprogramm unterziehe, dann gleiche sie sich laut der Wissenschaftlerin auch hinsichtlich der Epigenetik wieder einer schlanken Maus an.

Sport und Bewegung

Doch nicht nur die Ernährung, auch Sport beeinflusst die Epigenetik. Wer regelmäßig aktiv ist, verändert damit die Zusammensetzung der frei im Blut zirkulierenden Micro-RNAs. Bei werdenden Müttern schützt ihr eigenes Fitnessprogramm sogar ihre Nachkommen davor, an Fettleibigkeit zu erkranken – vermutlich vermittelt durch ein verändertes Methylierungsmuster der DNA

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Gene bestimmen nicht alles

Gene sind wichtig, aber in vielen Fällen nicht allmächtig. Ein Beispiel: „Wir kennen 400 bis 600 Gene, die irgendetwas mit Adipositas zu tun haben, aber jedes einzelne spielt nur eine winzige Rolle“, sagt Schürmann. „Selbst das stärkste Gen, das FTO (fat mass and obesity-associated gene), führt nur zu 1,5 bis 3 Kilogramm mehr auf der Waage. Den viel größeren Anteil am Körpergewicht hat also das eigene Verhalten.“

Die gute Nachricht für alle, die gern aktiv ihr Leben bestimmen: Selbst, wenn wir von unseren Eltern ungünstige Gene und ein ungünstiges epigenetisches Muster geerbt haben, ist es möglich, in gewissem Maße gegenzusteuern. Die Zutaten für das Erfolgsrezept der Epigenetik sind laut Wissenschaftlerin Schürmann: mehr Sport treiben, zeitlich begrenzt essen und gesunde Lebensmittel wählen. 

Literatur und weiterführende Informationen

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