Fast alles Digitale hat zwei Seiten, eine eher positive und eine eher negative. Über das Smartphone zum Beispiel würden viele sagen, dass es fast alles besser mache. Schließlich erleichtert es den Alltag ungemein und gibt seinem Nutzer schnell und einfach Zugang zu sämtlichen Informationen. Gleichzeitig sehen die Nutzer auch Kritikpunkte. Die ständige Erreichbarkeit kann einem die Nerven rauben, viele Dienste erfordern die Freigabe sensibler Daten zu ihrer Nutzung und alles, was wir damit tun, kann nachverfolgt werden. Ähnlich ist es mit den digitalen Gesundheitsanwendungen.
Dass sie uns dabei helfen können, gesünder zu leben und viel dazu beitragen können, Krankheiten vorzubeugen - das leuchtet den meisten ein. Andererseits ist da eine gewisse Furcht, dass man damit zu schnell zu viel über sich preisgibt. Aspekte unserer Gesundheit können sehr sensibel sein, sogar unseren engsten Vertrauten erzählen wir manchmal nicht alles darüber. Und nun sollen wir zu gläsernen Patienten werden, über die man mit einem Klick alles weiß?
Der digital mündige Patient und Versicherte ist das Ziel. Unsere Versicherten sollen informierte Entscheidungen treffen können, ob und welchen Weg sie in die digitale Welt nehmen möchten.
Das ist ein Dilemma, das auch die Barmer auf unserem bisherigen und auch unserem zukünftigen Weg immer wieder beschäftigt. Dabei sind die Rahmenbedingungen für uns klar: Der Mensch bleibt bei uns im Mittelpunkt, er ist für uns mehr als die Ansammlung seiner Daten. Aber mit diesen soll er aktiv und datensouverän umgehen können. Der digital mündige Patient und Versicherte ist das Ziel.
Unsere Versicherten sollen informierte Entscheidungen treffen können, ob und welchen Weg sie in die digitale Welt nehmen möchten. Ebenso kann jeder Versicherte die Frage anders beantworten, ob er wirklich alles wissen möchte, was seine Daten preisgeben können. Der Weg dahin jedoch, dass unsere Kunden wirklich souverän über ihre Daten verfügen, ist in der immer komplexer werdenden digitalen Welt alles andere als einfach. Bei fehlendem Wissen über konkrete digitale Lösungen, sehen wir uns in der Pflicht aufzuklären und zu informieren.
Das lässt sich am Beispiel der elektronischen Patientenakte (ePA) sehen, die bei der Barmer eCare heißt. Ab Januar 2021 muss die ePA verpflichtend von allen Krankenkassen angeboten werden. Sie ist das Herzstück aller Digitalisierungsbemühungen im Gesundheitswesen.
Der große Unterschied zur heutigen Situation: Anstatt die Patientendaten immer dort zu speichern, wo sie entstehen - im Zweifel in Papierakten in der Arztpraxis - ist es mit der ePA möglich, sämtliche auf einen Patienten bezogene Daten unabhängig vom Entstehungsort zusammenzufassen. In der ePA sollen in den nächsten Jahren nach und nach etwa der eArztbrief, das Zahnbonusheft oder der Medikationsplan hinterlegt werden können. Auch den Ärzten kann die Einsicht in die Daten erlaubt werden - dadurch wären sie stets auf dem aktuellen Stand über die Gesundheit ihrer Patienten.
Alles in eigener Hand
Beim Aufbau der ePA ist der Leitgedanke, dass der Versicherte allein über alles bestimmt. Möchte man überhaupt eine Akte haben, welche Dokumente sollen dort zu sehen sein, und wer bekommt sie zu sehen? All das bleibt unseren Kunden überlassen. Zum ersten Mal verfügt der Versicherte überhaupt selbst über die Daten und kann sein Gesundheitsmanagement selbst in die Hand nehmen.
Das klingt vernünftig, doch für uns als Versicherer und vor allem für die Ärzte und medizinischen Mitarbeiter, deren Arbeit die ePA erleichtern soll, tun sich da gleich die nächsten Fragen auf. Wie sollen sich Ärzte auf die Daten in der ePA verlassen, wenn es sein kann, dass die Akte eben nicht vollständig ist. Ärzte bemängeln das schon jetzt. Wir befürworten zudem die freiwillige Datenspende aus der ePA für Forschungszwecke - selbstverständlich komplett anonymisiert. Hier bringt die Selbstbestimmtheit mit sich, dass viele Daten für Forschungsprojekte in der Gesundheit nicht zur Verfügung stehen werden, z. B. aus Angst vor Datenmissbrauch. Hier ist es unsere Pflicht, genau zu erklären, was mit den Daten passiert und wie sicher diese sind.
Bei der Barmer sind wir uns bewusst, dass wir diese Konflikte letztlich nicht vollständig lösen können. Deswegen tun wir alles dafür, dass unsere Versicherten ihre Entscheidungen nicht nur selbstbestimmt, sondern auch aufgeklärt treffen.
Was passiert mit meinen Daten eigentlich, wenn ich sie in der eCare hinterlege? Welche Daten möchte ich weitergeben, etwa mit einer freiwilligen Datenspende, und welche nicht? Wir möchten, dass unsere Versicherten diese Fragen nicht ängstigen, sondern sie diese mit einem guten Gefühl für sich beantworten können. Das fängt mit einem nutzerfreundlichen Design der eCare an, das einfach erklärt, welche Möglichkeiten die einzelnen Module überhaupt bieten und wie alles funktioniert.
Darüber hinaus aber sehen wir es als unsere gesellschaftliche Aufgabe an, das Thema „selbstbestimmter Umgang mit Gesundheitsdaten“ auf die Agenda zu stellen, Diskussionen und Forschung dazu zu fördern. Nicht unsere Versicherten sollen gläsern sein, sondern wir als Versicherung - und nicht im Sinne von durchsichtig, sondern von transparent.