- Das Gerücht: Radfahren und Impotenz
- Was ist die Definition von Impotenz?
- Führen gequetschte Nerven und Blutgefäße bei Radfahrern zu Impotenz?
- Neue Daten liefern Entwarnung: Kein Zusammenhang zwischen Radfahren und erektiler Dysfunktion und Unfruchtbarkeit
- Fazit
- Beim Radfahren Taubheitsgefühle im Schritt?
Radfahren stärkt das Herz, kräftigt die Muskeln und verbessert die Ausdauer. Doch Männer, die zu lange auf einem Rennradsattel sitzen, das liest man immer wieder, werden angeblich durch das Radfahren impotent. Ist da was dran?
Das Gerücht: Radfahren und Impotenz
Schon Ende der 90er-Jahre soll der US-amerikanische Sexualmediziner Irwin Goldstein behauptet haben: „Es gibt zwei Sorten männlicher Radfahrer. Die einen sind impotent und die anderen werden es.“ Goldstein, Urologe an der Boston University School of Medicine, berief sich auf seine eigenen Untersuchungen an Amateurfahrern lokaler Radsportvereine.
Vier Prozent aller Hobbyradler, schloss der Arzt damals nach Tests an mehr als 500 Männern, seien impotent. Das Risiko steige mit dem Körpergewicht und wenn jemand wöchentlich mehr als zehn Stunden auf dem Rad sitze.
Was ist die Definition von Impotenz?
Doch was bedeutet überhaupt impotent? Dass ein Mann keine Kinder mehr zeugen kann? Der Begriff „impotent“ ist schwammig – im englischen Wissenschaftsjargon genauso wie in der deutschen Umgangssprache. Streng genommen muss man unterscheiden: zwischen „Zeugungsunfähigkeit“, also Sterilität, und „Erektiler Dysfunktion“.
Ist ein Mann „steril“, gilt er medizinisch als zeugungsunfähig. Er kann Sex haben, jedoch keine Kinder zeugen – etwa, weil die Qualität seiner Spermien nicht ausreicht, die Samenleiter anatomisch fehlgebildet sind oder aufgrund einer Sterilisation (Vasektomie) chirurgisch durchtrennt wurden.
Die Erektionsfähigkeit ist dabei nicht eingeschränkt. Anders bei einem Mann mit „erektiler Dysfunktion“. Der ist theoretisch zeugungsfähig, hat aber Probleme, eine Erektion zu bekommen oder sie lange genug aufrecht zu erhalten, um Geschlechtsverkehr zu haben. „Impotenz“ ist ein aus medizinischer Sicht eher unscharfer Begriff, der beides meinen kann.
Eine Studie aus Norwegen, die damals viel Aufsehen erregte, bestätigte Goldsteins Warnungen mit folgenden Worten: „Die Häufigkeit von Impotenz und Penis-Taubheit im Radsport scheint größer als bisher angenommen“, lautete das Fazit der skandinavischen Forscher.
Jeder fünfte der von ihnen befragten Amateur-Radfahrer klagte beim Radfahren über Taubheitsgefühle im Schritt. 21 der 160 befragten Männer gaben gar an, sie hätten Erektionsprobleme. Führt Rennradfahren also tatsächlich früher oder später zu erektiler Dysfunktion?
Führen gequetschte Nerven und Blutgefäße bei Radfahrern zu Impotenz?
„Impotent“ im Sinne von „zeugungsunfähig“ macht zu viel Zeit im Fahrradsattel nicht. Radfahrer mit erektiler Dysfunktion gibt es jedoch schon. Vor allem schmale Rennradsättel üben oft großen Druck auf die Dammregion eines Mannes aus, den Bereich zwischen Hodensack und After.
Darunter können Nerven und Blutgefäße leiden, weiß PD Dr. Georgios Hatzichristodoulou, Chefarzt der Urologischen Klinik am Krankenhaus Martha-Maria in Nürnberg: „Bis zu 90 Prozent der Rennradfahrer klagen über Taubheit im Schritt. Durch den Druck des Sattels kommt es zu kleinsten Verletzungen der feinen Nervenfasern im Dammbereich. Zudem verläuft hier die Arteria pudenda, ein Gefäß, das den Penis durchblutet.“
Nerven und Blutgefäße würden auf dem Fahrrad komprimiert und gleichzeitig gestreckt, sodass es langfristig zu einer Minderdurchblutung komme. Diese kann tatsächlich zu Taubheitsgefühlen und Erektionsproblemen führen – vor allem, wenn ein Mann sehr lange auf dem Fahrrad sitzt.
Glaubt man Hatzichristodoulou, besteht bereits für alle ein deutlich erhöhtes Risiko, die mehr als drei Stunden pro Woche auf dem Fahrrad sitzen. „Die Gefahr ist umso größer, je flacher die Sitzposition und je schwerer der Fahrer ist“, sagt Hatzichristodoulou. Das bedeutet: Auf einem Hollandrad wird der Penis nicht so schnell taub wie auf einem Rennrad.
Schon gewusst? Erektile Dysfunktion kann auch ein Symptom von zu viel Stress und Belastung sein.
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Neue Daten liefern Entwarnung: Kein Zusammenhang zwischen Radfahren und erektiler Dysfunktion und Unfruchtbarkeit
Dass ein Fahrradsattel dort Druck ausübt, wo keiner sein sollte, ist nicht von der Hand zu weisen. Neuere Studien mit mehr Probanden relativieren die über 20 Jahre alten Daten von Goldstein und den Norwegern jedoch: Laut einer britischen Untersuchung mit mehr als 5.200 Männern beispielsweise besteht zwischen regelmäßigem Radfahren, erektiler Dysfunktion und Unfruchtbarkeit kein ursächlicher Zusammenhang – auch dann nicht, wenn Männer mehr als 8,5 Stunden pro Woche im Sattel verbringen.
Eine internationale Studie aus Saudi Arabien und den USA, für die Wissenschaftler fast 4.000 Männer aus verschiedenen Sportarten miteinander verglichen hatten, liefert ebenfalls Entwarnung: „Radfahrer haben keine schlechtere Sexualfunktion als Schwimmer oder Läufer.“ Wer auf dem Rad das Gefühl hätte, der Penis werde taub, so die Forscher, sollte aber öfter mal kurz aus dem Sattel aufstehen und ein paar Meter im Stehen fahren. Außerdem helfe es, den Lenker etwas höher zu stellen.
Um Problemen vorzubeugen, rät auch der Nürnberger Urologe Hatzichristodoulou sportlichen Fahrern, unterwegs öfter mal aus dem Sattel zu gehen, bei Bedarf Pausen einzulegen und eventuell über einen anderen Sattel nachzudenken. „Aus urologischer Sicht wären Sättel ohne Nase am besten oder zumindest solche mit einer Aussparung.“
Fazit
Trotz hartnäckiger Gerüchte: Auch regelmäßiges Rennradfahren schadet der Fruchtbarkeit nicht, wie aktuelle Daten zeigen. Auch kommt es durch das Radfahren normalerweise nicht zu Erektionsproblemen.
Verspüren Männer jedoch während der Ausfahrt oder danach regelmäßig Taubheitsgefühle im Genitalbereich oder haben sie bereits Schwierigkeiten, eine Erektion zu bekommen, sollten sie sich von einer Urologin oder einem Urologen untersuchen lassen. Bei Beschwerden lohnt es sich, die Sitzposition auf dem Fahrrad zu überdenken und eine andere Sattelform auszuprobieren.
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