Die Inflation ist in Deutschland momentan so hoch wie seit 70 Jahren nicht. Strom, Gas, Benzin, aber auch Dienstleistungen und vor allem Lebensmittel sind deutlich teurer geworden. In Deutschland findet gerade eine starke Geldentwertung statt. Weil aber die Löhne in der gleichen Zeit kaum oder gar nicht angepasst wurden, machen sich viele Menschen große Sorgen um ihre wirtschaftliche Situation. Viele befürchten, dass sie ihren Lebensstandard nicht halten können, die Gebühr für den Sportkurs ihres Kindes bald nicht mehr bezahlbar sein könnte oder kein Geld für Weihnachtsgeschenke übrig bleibt.
Wir haben drei Familien gefragt, wie sich die Inflation auf ihren Alltag auswirkt, was ihnen Angst macht und wie sie versuchen damit umzugehen. Drei Erfahrungsberichte:
„Fitnessstudio und Spanischkurs sind nicht mehr drin.“
Christina Bordewick (43) ist alleinerziehende Mutter einer sechzehnjährigen Tochter. Sie betreibt einen kleinen Bio-Laden und musste bereits den einzigen Mitarbeiter entlassen.
Gerade ist eine neue Brotlieferung in Christina Bordewicks Bio-Laden eingetroffen – frisch vom Bäcker um die Ecke. Seit die 43-Jährige vor fünf Jahren ihr Geschäft eröffnet hat, bezieht sie von diesem Bäcker ihr Brot. „Es ist das beste Brot, was man hier weit und breit kriegen kann“, sagt Christina Bordewick. „Keine Massenware, sondern handgemachter Teig ohne Triebmittel aus guten Biozutaten.“
Doch seit Anfang des Jahres bleibt am Abend immer etwas Brot in ihren Regalen liegen. Ein Preis von 6,70 Euro pro Laib ist für viele ihrer Kundinnen und Kunden mittlerweile zu teuer. „Viermal hat der Bäcker wegen der erhöhten Rohstoffkosten schon die Ankaufpreise nach oben gesetzt. Die letzten zwei Erhöhungen habe ich schon gar nicht mehr an meine Kunden weitergegeben“, erzählt die alleinerziehende Mutter einer sechszehnjährigen Tochter.
Bei den meisten anderen Waren verhält es sich ähnlich. Ihre Hoffnung: Irgendwie konkurrenzfähig bleiben gegenüber größeren Geschäften oder Ketten, denen es leichter fällt, die Preise stabil zu halten. „Im Grunde kann ich sogar verstehen, wenn man nach günstigeren Angeboten schaut. Meine Tochter und ich sparen jetzt auch, wo wir nur können“, sagt die 43-Jährige. Im letzten Monat haben beide ihre Fitnessstudio-Mitgliedschaft gekündigt und Christina Bordewicks Spanischkurs liegt auch auf Eis – alles zu teuer, obwohl ihre Tochter nebenbei noch Zeitungen austrägt. Dabei würde beiden die Bewegung als Ausgleich sehr guttun.
Bis vor kurzem lief der Bio-Laden wunderbar. Erst letzten Sommer konnte Christina Bordewick in die Haupteinkaufsstraße ihres Viertels ziehen und einen zweiten Mitarbeiter einstellen. „Eigentlich hatte ich geplant, mir im Januar 2023 eine lang ersehnte Auszeit zu gönnen.“ Einen Monat lang wollte Christina Bordewick reisen, Fortbildungen besuchen und sich vom Stress erholen. Eine Pause, die eigentlich dringend nötig wäre. „Seit der Gründung meines Ladens war ich nicht einmal im Urlaub. Erst sollte das Geschäft gut laufen.“
Selbst Corona hat sie dank vieler kreativer Verkaufsideen gut überstanden. „Doch seit durch die teureren Preise immer weniger Kunden kommen, weiß ich nicht, wie lange ich noch meine Rechnungen bezahlen kann. Vor allem, weil bald auch meine Strom- und Gaspreisbindung wegfällt.“
Um darauf vorbereitet zu sein, hat Christina Bordewick ihre Auszeit auf unbestimmte Zeit verschoben und ihren neuen Mitarbeiter wieder entlassen, was sie seelisch sehr belastet: „Es tat mir so weh, diesen Schritt gehen zu müssen. Hoffentlich geht es ja im nächsten Jahr wieder bergauf. Dann hole ich den Mitarbeiter wieder zurück und ich fahre endlich mit meiner Tochter in den Urlaub.“