Was tun, wenn die Eltern, Großeltern oder ältere Freunde und Verwandte einsam sind und Entfernungen oder ein straffer Alltag häufige Besuche unmöglich machen? Wir haben verschiedene Möglichkeiten zusammengestellt, um der Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken.
„… und kommt doch bald mal wieder vorbei.“ – so locker die betagte Tante beim wöchentlichen Telefonat zunächst klingt: Der sehnsuchtsvolle Unterton dringt doch durch. Sie scheint einsam zu sein, auch wenn sie es womöglich niemals zugeben würde.
Was nun? Für einen spontanen Kurzbesuch wohnt sie zu weit weg. Und selbst wenn dieser möglich wäre: Würde das etwas an der Einsamkeit in ihrem Alltag ändern?
Gleich, ob es Hunderte von Kilometern sind, die zwischen Großeltern, Eltern oder älteren Verwandten oder Freunden liegen, oder ob ein straffer Alltag mit forderndem Job, kleinen Kindern oder Engagements häufige Treffen verhindert: Der Wunsch, etwas gegen die Einsamkeit unserer Liebsten zu tun, ist da.
Ideen, Initiativen und Projekte gegen Einsamkeit im Alter
Leider gibt es gegen die Einsamkeit weder eine Pille noch ein Patentrezept – dafür aber jede Menge Projekte und neue Initiativen, gerade für ältere Menschen. Welche davon passend und hilfreich sind, hängt ganz von der Situation und der Art der Einsamkeit ab.
Gründe für Einsamkeit erkennen und passende Optionen finden
Einsamkeit ist das subjektive Gefühl, dass das Bedürfnis nach sozialem Kontakt und sozialen Beziehungen nicht befriedigt wird. Nicht jeder, der viel allein ist, fühlt sich einsam. Hingegen können sich auch Menschen, die viele soziale Kontakte haben, einsam fühlen. Beispielsweise, weil sie die Kontakte als oberflächlich empfinden und sich eine tiefere emotionale Bindung wünschen.
Auch und gerade im Alter kann Einsamkeit entstehen, wenn weniger soziale Kontakte bestehen als gewünscht – etwa, weil der Partner oder die Partnerin fehlt, die engsten Freunde schon verstorben sind oder die Familie weiter weg wohnt.
Für ältere Menschen, die sich mehr soziale Kontakte und Aktivitäten wünschen, sind unsere Tipps gegen Einsamkeit hilfreich.
Im Alter können auch körperliche Einschränkungen zu Einsamkeit führen. Wenn Knie, Hüfte oder Rücken nicht mehr richtig mitmachen, sind Aktivitäten oder Treffen schwieriger oder gar nicht mehr möglich.
Ein häufig unbeachteter Faktor ist das Hörvermögen: Wer an Gesprächen nicht mehr richtig teilnehmen kann, zieht sich meist zurück, soziale Kontakte nehmen ab. Je schlechter das Hörvermögen ist, desto höher ist das Risiko, unter Einsamkeit zu leiden, zeigte eine niederländische Studie.
Haben Sie den Verdacht, dass eine ältere Person aus Ihrem Umfeld an Schwerhörigkeit leidet, sollten Sie ihr einen Besuch beim HNO-Arzt oder Hörgeräteakustiker vorschlagen.
Digitale Unterstützung: Wege aus der Einsamkeit
Gerade wenn alltägliche Kontakte aufgrund körperlicher Einschränkungen oder großer Entfernungen selten sind, kann es helfen, digitale Medien zu nutzen. Schlagen Sie alleinlebenden Verwandten vor, regelmäßige Telefontermine zu vereinbaren oder Nachrichtendienste auf dem Smartphone zu nutzen, um sich auszutauschen.
Ein Video-Anruf mit Kindern und Enkeln, Neuigkeiten über Social Media, kleine Textnachrichten: Sie alle können den Alltag erhellen und geben Ihren Angehörigen das Gefühl: „Ich bin dabei!“.
Besonders älteren Menschen fällt die Nutzung von Apps auf Tablet oder Smartphone jedoch oft schwer. Hier Abhilfe zu schaffen, haben sich gleich zwei Initiativen auf die Fahnen geschrieben:
- Das Projekt „Digitaler Engel“ bietet auf seiner Webseite viele Informationen und Erklärvideos zur einfachen Nutzung digitaler Angebote. Zudem ist der Digitale Engel mit einem Infomobil in ganz Deutschland unterwegs und bietet in Städten und Gemeinden Informationen und Beratung an – live und analog.
- Der Verein „Wege aus der Einsamkeit“ führt in Hamburg und Berlin für Menschen über 65 Jahren Schulungen zu Tablets, Smartphones und der Nutzung des Internets durch. Die Schulungen finden sowohl analog bei Treffen in beiden Städten als auch digital über Videokonferenz-Meetings statt. Zudem werden digitale Aktivitäten wie Rätselrunden oder Sitz-Yoga angeboten.
Mehr Leben in der Bude?
Für Alleinlebende oder für Menschen, die nicht mehr so mobil sind, kann Einsamkeit schneller ein Thema sein. Hier könnten neue Wohnformen helfen: Das Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert die Vermittlung und Entstehung von Wohnformen, in denen Jung und Alt bewusst miteinander leben und sich gegenseitig unterstützen.
Eine weitere Möglichkeit, um für mehr Gesellschaft zu sorgen, sind Senioren-Wohngemeinschaften – oder das Projekt „Wohnen für Hilfe“: Das Angebot der Studentenwerke vermittelt Wohnpartnerschaften zwischen Jung und Alt. Seniorinnen und Senioren bieten ein günstiges Zimmer, Studierende helfen im Haushalt oder bei Besorgungen.
Immer ein offenes Ohr: Das Silbertelefon
Einfach mal jemanden anrufen, ein bisschen plaudern. Und vielleicht sogar über die Einsamkeit sprechen? Das geht beim Silbertelefon für Menschen ab 60 Jahren. Die Ehrenamtlichen des Silbertelefons haben für Krisen und Nöte ein offenes Ohr und können Tipps und Informationen zu regionalen Angeboten geben. Für den Anruf braucht es jedoch kein konkretes Anliegen.
Zusätzlich ist ein ganz persönlicher Kontakt möglich: Auf Wunsch können Silbernetz-Freundinnen und -Freunde vermittelt werden, die regelmäßig einmal pro Woche anrufen und eine Stunde Zeit für ein persönliches Gespräch haben.
Das Silbertelefon ist ein Angebot des Vereins „Silbernetz e. V.“ und täglich von 08:00 bis 22:00 besetzt. Die Gespräche sind anonym, vertraulich und kostenfrei. Die Telefonnummer ist: 0800 4 70 80 90
Einsame Weihnachten? So können Sie helfen
Selbst wenn sich Einsamkeit im Alltag oft durch Aktivitäten, kleine Treffen oder Telefonate gut bewältigen lässt, können sich allein verbrachte Feiertage wie Weihnachten sehr einsam anfühlen. Dem will das Projekt „KeinerBleibtAllein“ entgegenwirken: Es vernetzt direkt Personen, die einsame Menschen an Weihnachten einladen möchten, mit denjenigen, die sich ein gemeinsames Weihnachtsfest wünschen. Die Vernetzung findet über Facebook, Instagram oder Twitter statt und ist kostenfrei.
Eine weitere Möglichkeit sind die lokalen Angebote für Advents- und Weihnachtsfeiern in Stadtteil- oder Gemeindezentren oder in sozialen oder kirchlichen Einrichtungen. Machen Sie Seniorinnen oder Senioren aus Ihrem Umfeld darauf aufmerksam. Suchen Sie gemeinsam Kontaktdaten und Wegbeschreibungen heraus, um sie zu unterstützen.
Je nach körperlicher Fitness bieten die Veranstaltungen die Möglichkeit, einfach teilzunehmen oder tatkräftig mitzuhelfen und sich dadurch eingebunden und gebraucht zu fühlen.
Einsamkeit im Alter: Statistik zeigt starken Corona-Effekt
Wie häufig sich Menschen in Deutschland einsam fühlen, hat das „Kompetenznetz Einsamkeit“ untersucht. Die Befragungen fanden 2013 und 2017 statt, die angegeben Werte sind Durchschnittswerte: Vor der Coronapandemie waren 16,6 Prozent der über 75-Jährigen zumindest manchmal einsam – und damit die am häufigsten einsame Altersgruppe.
Trotzdem bestanden zwischen den Altersgruppen eher geringe Unterschiede: Bei den unter 30-Jährigen fühlten sich rund 14,5 Prozent einsam. Am seltensten einsam war die Altersgruppe der 60- bis 75-Jährigen (12,7 Prozent). Der Eintritt in die Rente scheint also kein eigenständiger Grund für die Entstehung von Einsamkeit zu sein.
Während der Coronapandemie in den Jahren 2020 und 2021 änderten sich die Umstände stark: Nun stellten die unter 30-Jährigen mit 48 Prozent die von Einsamkeit am stärksten betroffene Altersgruppe. Die über 75-Jährigen waren mit 36,6 Prozent seltener einsam, doch auch in dieser Gruppe stieg der Anteil an einsamen Menschen im Vergleich zu den Vorjahren.
Die Coronapandemie hat Einsamkeit also auf ein neues Level gehoben. Das ist ein guter Grund, dass wir alle unser Engagement gegen Einsamkeit nun ebenfalls auf ein neues Level heben. Denn: Gleich, wie alt oder jung ein Mensch ist: Dauerhafte Gefühle der Einsamkeit belasten Psyche und Gesundheit sollten immer ernst genommen werden.