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Einsamkeit

„Ich fühle mich einsam“ – ein Grundgefühl in Deutschland?

Lesedauer unter 6 Minuten

Redaktion

  • Viktoria Vida (Psychologin, Master of Science)

Qualitätssicherung

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)

Die Zahl der sich einsam fühlenden Menschen hat über die letzten Jahre in Deutschland deutlich zugenommen. Das ist alarmierend und naheliegend zugleich, denn viele waren oder sind von den Lockdown-Beschränkungen während der Coronapandemie betroffen, arbeiteten vermehrt im Homeoffice und mussten auf persönliche Begegnungen verzichten. Das Leben findet zu Hause statt – und das hat Folgen.

Doch wie genau haben sich die Zahlen in Deutschland entwickelt? Und wen hat es vor allem getroffen? Leiden die Älteren mehr als die Jüngeren unter dem Phänomen? Oder hängt es viel mehr mit dem eigenen Geschlecht oder der Wohnsituation zusammen? 

Was ist die Definition von Einsamkeit und wie wird sie gemessen?

Was bedeutet einsam sein? Die meistzitierte Definition von Einsamkeit umfasst drei Aspekte:

  1. Einsamkeit bezieht sich auf ein wahrgenommenes Defizit an sozialen Kontakten.
  2. Einsamkeit wird als subjektives Phänomen verstanden, darf also nicht mit Alleinsein oder objektiver Isolation verwechselt werden.
  3. Einsamkeit wird als etwas Negatives, Belastendes – und auch Motivierendes – erlebt.

Um das Ausmaß an Einsamkeit in Deutschland zu messen, werden großflächige Umfragen durchgeführt. Häufig wird auf das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) zurückgegriffen, eine repräsentative Langzeitbefragung, die 1984 ins Leben gerufen wurde.

Hierbei werden jährlich rund 30.000 Personen ab 17 Jahren in etwa 15.000 Haushalten befragt. Um das Einsamkeitsempfinden der Teilnehmenden zu erfassen, werden ihnen folgende drei Fragen gestellt:

„Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Ihnen die Gesellschaft anderer fehlt?“

„Wie oft haben Sie das Gefühl, außen vor zu sein?“

„Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Sie sozial isoliert sind?“

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Einsamkeit und Corona: Wie hat sich die Einsamkeit in Deutschland entwickelt? 

Einsamkeit vor der Corona-Pandemie

Basierend auf deutschlandweiten Befragungen auf Grundlage des Sozio-oekonomischen Panels, die im Jahr 2013 und 2017 stattfanden, können Rückschlüsse auf die Entwicklung des Einsamkeitsempfindens der Bevölkerung vorgenommen werden.

Im direkten Vergleich der Antworten aus den Jahren 2013 und 2017 zeigt sich zunächst ein leichter Rückgang im Einsamkeitsempfinden. So gaben im Jahr 2013 10,5 Prozent der Befragten an, sich einsam zu fühlen. 2017 waren es nur noch 9,5 Prozent. Insgesamt fühlte sich also vor der Pandemie etwa jede zehnte Person einsam.

Auffällig ist hierbei, dass zwar die Gesamtzahl der Einsamen im Vergleich sank, jedoch die Altersgruppe der 17- bis 20-Jährigen eine gegenteilige Entwicklung aufwies: Hier fühlten sich 40,1 Prozent der Befragten im Jahr 2017 einsamer, 41,7 Prozent gleich einsam und 18,2 Prozent weniger einsam als im Jahr 2013.

Einsamkeit während der Corona-Pandemie

Wie viele Menschen fühlten sich während der Pandemie einsamer als zuvor? Diese Frage wurde genauer in einer repräsentativen Studie der Universität Bremen untersucht. Die Zahlen verzeichneten einen sprunghaften Anstieg der Einsamkeit.

Fühlten sich im Jahr 2019 noch 10,8 Prozent der Befragten einsam, so antworteten im Jahr 2020 schon 26,6 Prozent der Befragten, dass sie sich mehrmals pro Woche oder sogar täglich einsam fühlen. Am höchsten fielen die Zahlen unter Alleinlebenden, Frauen und Jüngeren aus. In den Umfragen des Sozio-oekonomischen Panels aus dem Jahr 2021 gaben sogar rund 42 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen an, dass sie sich einsam fühlen.

Vereinsamung in Deutschland bei Jung und Alt

Sind es die Jüngeren oder die Älteren, welche sich besonders häufig einsam fühlen? Und ist das Alleinleben ein Indikator für Einsamkeit? Studienergebnisse zeigen: Vereinsamung trifft vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sowie Menschen im hohen Alter. Dies beschreibt aber nicht nur die Situation in Deutschland zu, sondern entspricht auch den Ergebnissen internationaler Erhebungen.

Einsamkeit bei jungen Menschen

Einsamkeit ist unter jungen Menschen kein seltenes Phänomen mehr. Spätestens seit Beginn der Pandemie ist der Leidensdruck junger Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Erste Ergebnisse in diesem noch jungen Forschungsgebiet weisen auf die hohe Zahl der jungen Menschen hin, die sich einsam fühlen.

So gaben 35,2 Prozent der Teilnehmenden einer repräsentativen Online-Umfrage im November 2020 an, dass sie sich einsam fühlen. Eine nachfolgende Untersuchung im Dezember 2021 zeigte einen leichten Anstieg der sich einsam fühlenden jungen Menschen auf 36,5 Prozent.

Auch ein Drittel der jungen Menschen, die in Familien leben, gaben an, sich trotz ihres sozialen Umfeldes einsam zu fühlen. Ebenso beschrieben sich 41,2 Prozent der jungen Menschen, die in WGs leben, als einsam. Am wenigsten einsam fühlten sich laut Studie jene, die mit Partner oder Partnerin zusammenleben (19,8 Prozent). 

Einsamkeit in der zweiten Lebenshälfte

Das Risiko für Einsamkeit entwickelt sich während der zweiten Lebenshälfte u-förmig. Vom 40. Lebensjahr bis Mitte 60 sinkt es, danach nimmt es wieder zu. Entgegen manchen Erwartungen ist es aber selbst im sehr hohen Alter, mit 90 Jahren, mit rund elf Prozent genauso hoch wie mit 40 Jahren. 

Auffällig im Zusammenhang mit dem Alter sind die Geschlechtsunterschiede. So sind Frauen im Alter mehr als doppelt so häufig von Einsamkeit betroffen wie Männer. Der Anteil einsamer Frauen ab 80 Jahren beträgt 15 Prozent, während in dieser Altersgruppe nur 7,4 Prozent der Männer einsam sind. Als Grund für diesen Unterschied wird vor allem der geringere Anteil von Partnerschaften bei älteren Frauen herangezogen.

Ebenfalls entscheidend für das Einsamkeitsempfinden im Alter ist die Wohnsituation. So empfindet sich jeder dritte hochaltrige Mensch in einem Heim als einsam, während der Anteil einsamer Personen in Privathaushalten 9,5 Prozent beträgt.

Chronische Einsamkeit verhindern

Auf das Gefühl der Einsamkeit kann die Tendenz zu sozialem Rückzug und negative Gefühle wie innere Leere, Trauer und Anspannung folgen. Um diesem Kreislauf frühzeitig zu entgehen und keine chronische Einsamkeit zu entwickeln, lohnt sich in den meisten Fällen die bewusste Kontaktaufnahme zu Familienmitgliedern, Freunden oder Anlaufstellen wie der Telefonseelsorge.

Ist alleine zu wohnen gleich einsam zu sein?

Steigt das Risiko, sich einsam zu fühlen bei Menschen an, die allein wohnen? Nicht unbedingt. Heutzutage sind Einpersonenhaushalte mit 42 Prozent die häufigste Haushaltsform. Ein Vergleich zwischen allein Wohnenden und Menschen in Mehrpersonenhaushalten aus dem Jahr 2017 wies kaum Unterschiede im Einsamkeitsempfinden der untersuchten Gruppen auf.

Was tun gegen Einsamkeit?

Auf die steigende Zahl der von Einsamkeit betroffenen Menschen antwortet das Bundesministerium für Familie mit einer bundesweiten „Strategie gegen Einsamkeit“.

Gemeinsam mit dem Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) soll bis zum Jahr 2025 das Thema Einsamkeit in Deutschland stärker wissenschaftlich untersucht und politisch aufgegriffen werden.

Die steigende Zahl direkter Hilfs- und Beratungsangebote für Betroffene wird vom Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) in einer stetig erweiterten Zusammenstellung aufgelistet.

Neben diesen bundesweiten Aktivitäten und Initiativen etablierte beispielsweise der Landesseniorenrat Baden-Württemberg landesweit das sogenannte Schwätzbänkle. Dies sind öffentliche und explizit als „Schwätzbänkle“ gekennzeichnete Sitzbänke. Was für Ortsfremde vielleicht seltsam klingt hat einen seriösen Hintergrund: Diese Sitzgelegenheiten sollen Fremde zu einem gemeinsamen Plausch einladen und so Menschen verbinden und Einsamkeit oder Vereinsamung entgegenwirken.

Hiermit wurde eine Idee aufgegriffen, die bereits in Großbritannien populär geworden ist. Vielleicht auch eine Idee für Ihre Region?

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