Eine junge Frau sitzt vor dem Computer und isst Pizza.
Psychische Gesundheit

Emotionales Essen: Warum es dazu kommt und wie Sie es stoppen können

Lesedauer unter 6 Minuten

Redaktion

  • Silke Stadler (Medizinjournalistin, Jellyfish)

Qualitätssicherung

  • Dr. Simone K. Frey (DR. AMBROSIUS - Studio für Ernährungsberatung)
  • Dr. Christina Steinbach (DR. AMBROSIUS - Studio für Ernährungsberatung)

Viele Menschen essen nicht nur dann, wenn sie hungrig sind, sondern aus Einsamkeit, Frust, Langeweile oder Stress. Das sogenannte emotionale Essen wird zur Ersatzbefriedigung, um sich psychisch besser zu fühlen. Erfahren Sie, wie Sie emotionales Essverhalten erkennen und welche Lösungsstrategien es gibt.

Emotionales Essen: Wie kommt es dazu?

Der grundsätzliche Mechanismus, warum und wann wir essen, ist vereinfacht erklärt: Nahrung liefert uns Energie und Nährstoffe, die unseren Körper am Laufen halten. Durch Hunger signalisiert der Organismus, dass er Nahrung braucht. Haben wir genug gegessen, empfinden wir ein Sättigungsgefühl. Dieser Mechanismus ist natürlicher Teil der biologischen Abläufe und wird uns in die Wiege gelegt. Doch viele Menschen ignorieren diese Signale und greifen zur Nahrung, ohne hungrig zu sein.

Hinter einem solchen Verhalten verbirgt sich häufig das, was man emotionales Essen nennt. Viele Menschen reagieren auf bestimmte Emotionen – etwa Frust, Überforderung oder Langeweile – mit Nahrungsaufnahme aus emotionalen Gründen. Oft dient es auch als Ersatz für Belohnung und Trost.

Wenn Sie feststellen, dass Sie häufiger essen, ohne hungrig zu sein, kann es vielleicht sein, dass Sie gerade eine stressige Phase durchleben. Menschen gehen mit Stress unterschiedlich um. Weitere Auslöser, die zu emotionalem Essen führen können sind:

  • Einsamkeit
  • Frust
  • Stress
  • Überforderung
  • Druck
  • Gefühl der Leere
  • Kummer
  • Langeweile
  • Bedürfnis nach Belohnung
  • Bedürfnis nach Beruhigung
  • Bedürfnis nach Trost

Weiter unten finden Sie hilfreiche Tipps, Strategien und Informationen, die Ihnen in all diesen Phasen weiterhelfen können.

Durch gefühlsgesteuerte Nahrungsaufnahme wollen wir uns besser fühlen. Gerade in Problemsituationen greifen wir gerne zu Süßigkeiten oder fettigen Lebensmitteln. Schokolade, Pizza, Chips und Fast Food stehen bei emotionalen Essern so hoch im Kurs, weil Zucker und Fett Geschmacksverstärker und schnelle Energiespender darstellen.

Sie aktivieren das Belohnungszentrum im Gehirn, woraufhin der Botenstoffe wie Dopamin – häufig als Glückshormon bezeichnet – ausgeschüttet wird. Nahrung kann also tatsächlich Glück auslösen. Hinzu kommt, dass Essen meist auch auf psychologische Weise mit guten Emotionen verbunden ist.

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Die Verbindung von Nahrung und Belohnung ist uns in die Wiege gelegt

Die erste Nahrung, die wir nach der Geburt bekommen, ist Mutter- oder Säuglingsmilch. Während des Stillens beziehungsweise Fütterns werden Babys aber nicht nur mit Nahrung versorgt, die ihre winzigen Mägen füllt und sie wohlig schläfrig macht. Sie werden dabei auch liebevoll im Arm gehalten. Bereits Neugeborene lernen daher, die Nahrungsaufnahme mit einem Gefühl von Wärme und Geborgenheit zu verknüpfen.

Wenn Kinder größer werden, wird Essen in vielen Fällen durch weitere positive Assoziationen aufgeladen, indem Aufsichtspersonen sie als Beschäftigung, Belohnung oder Trost einführen. Eine solche gefühlsmäßige Kopplung kann jedoch dazu führen, dass wir im Erwachsenenalter verstärkt zu emotionalem Essen neigen, sobald wir uns langweilen oder niedergeschlagen und überfordert fühlen.

Mit der Nahrungsaufnahme versuchen Menschen, die ein emotionales Essverhalten entwickelt haben, also nicht ihren Hunger zu stillen. Vielmehr suchen sie nach dem Gefühl der Geborgenheit oder Belohnung, das sie damit verbinden.

„Futtern“ gegen Überforderung

Heißhungerattacken bei Zeitdruck in der Arbeit oder eine Tüte Chips als Belohnung nach einem stressigen Arbeitstag: Essen gegen Stress ist eine verbreitete und oft unbewusste Strategie, um mit drohender Überforderung fertig zu werden. 

In fordernden Situationen schüttet der Körper das Hormon Cortisol aus. Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, Muskeln spannen sich an, der Atem flacht ab. Dieser Mechanismus ist im Laufe der Evolution entstanden, um dem Menschen bei Bedrohung das Überleben zu sichern. Er erfüllt auch heute in bestimmten und akuten Stresssituationen seinen Zweck – jedoch nur, wenn die (gefühlte) Bedrohung nach kurzer Zeit wieder vorüber ist.

Dauerstress kann sich jedoch negativ auf die Gesundheit auswirken. Gesunde Ernährung bleibt oft auf der Strecke, z. B. weil es unter Zeitdruck schnell gehen muss. Ständige Anspannung verleitet zu übermäßiger Nahrungsaufnahme, denn bei Stress nehmen wir das Sättigungsgefühl nicht mehr richtig wahr. Stress fördert auch emotionales Essen, mit dem wir uns beruhigen möchten. Diese Faktoren können sich zusätzlich ungünstig auf unser körperliches und psychisches Wohlbefinden auswirken.

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Wenn Essen und Gefühle in eine Abwärtsspirale führen

Nahrungsaufnahme aus emotionalen Gründen dient als Krücke, um Druck und Überforderung auszuhalten oder ungeliebte Emotionen zu betäuben. Die Auslöser, die hinter dem Griff zur Schokolade und Chipstüte stecken, obwohl man eigentlich satt ist, können sich durch dieses Verhalten verstärken. Kommen Schuldgefühle und Gewichtszunahme durch die fehlgeleitete Ernährung hinzu, kann dies zu einer emotionalen Abwärtsspirale führen.

Emotionale Nahrungsaufnahme sollte daher nicht zu einer Kompensationsstrategie werden, die davon abhält, das eigentliche Problem – die Auslöser für Stress, Langeweile und andere negative Emotionen – anzugehen. Denn: Wenn Hunger nicht das Problem ist, dann ist Essen auch nicht die Lösung.

Emotionales Essen: Die Anzeichen

Emotionaler „Hunger“

  • stellt sich meist ganz plötzlich ein,
  • will sofort gestillt werden,
  • führt zu achtloser Nahrungsaufnahme, statt bewusstem Genießen und
  • wird vorzugsweise mit süßen oder fettigen Speisen befriedigt.

Diese Fragen können helfen, das eigene Essverhalten zu reflektieren:

  • Essen Sie häufig, obwohl Sie nicht hungrig sind?
  • Essen Sie weiter, obwohl Sie schon satt sind?
  • Nehmen Sie Nahrung zu sich, um sich zu belohnen?
  • Essen Sie, um sich von negativen Emotionen wie Einsamkeit, Langeweile oder Frust abzulenken?
  • Haben Sie das Gefühl, Essen ist wie ein guter Freund für Sie?
  • Vermittelt Nahrungsaufnahme Ihnen Sicherheit und Geborgenheit?
  • Verurteilen Sie sich nach dem Essen?

Wie lässt sich emotionales Essverhalten ändern?

Wenn Sie häufig aus emotionalem statt körperlichem Hunger essen, können diese Tipps helfen, um gesunde, neue Gewohnheiten zu etablieren:

  1. Identifizieren Sie den Auslösereiz:
    Sobald der Essimpuls hochkommt, nehmen Sie sich eine Minute Zeit und reflektieren Sie Ihre Situation. Möchten Sie etwas essen, weil Sie körperlich hungrig sind oder möchten Sie lediglich Ihre Emotionen kompensieren? Ein Ernährungstagebuch kann helfen, Ihr persönliches Muster aufzudecken.
  2. Greifen Sie bei akuten Gelüsten auf alternative Handlungen zurück:
    Könnte nach einem stressigen Arbeitstag auch eine Entspannungsübung (etwa Meditation oder autogenes Training) oder ein heißes Bad helfen, sich besser zu fühlen?
  3. Überlegen Sie sich Lösungsstrategien:
    Wenn Sie den Auslöser benennen können (beispielsweise chronischer Stress) überlegen Sie, wie sich der Kern des Problems lösen lässt. Wäre es möglich, einen oder mehrere der Stressoren dauerhaft auszuschalten?
  4. Lassen Sie Gefühle zu:
    Unangenehme Emotionen möchten wir am liebsten nicht fühlen, sondern uns schnell – etwa mit Essen – davon ablenken. Dadurch gehen diese Emotionen aber nicht weg, sondern bleiben unterschwellig bestehen und beeinflussen unser Wohlbefinden negativ. Verspüren Sie den Impuls zur Nahrungsaufnahme aus positiven oder negativen Emotionen heraus, halten Sie inne und spüren in sich hinein. Lassen Sie aufkommende Gefühle zu. Das nimmt diesen Emotionen in den meisten Fällen die Spitze, bereits nach kurzer Zeit fühlen sie weniger schmerzlich an.

Emotionales Essen: Hilfe finden

Wenn Sie Ihre emotionalen Essgewohnheiten ablösen möchten durch achtsames Essen, aber das Gefühl haben, es alleine nicht zu schaffen, nehmen Sie Hilfe in Anspruch.

Eine Ernährungsberatung kann Ihnen helfen, Ihre persönlichen Auslösereize zu erkennen und zu einem natürlichen, gesunden Essverhalten zurückzufinden.

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Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt sind geeignete Ansprechpartner, wenn Sie meinen, dass aus positiven oder unangenehmen Gefühlen heraus zu Nahrung greifen. Ein erster Schritt kann auch eine Ernährungsberatung sein.

Literatur

  • Maier, S., Makwana, A. and Hare, T. (2015). Acute Stress Impairs Self-Control in Goal-Directed Choice by Altering Multiple Functional Connections within the Brain’s Decision Circuits. Neuron, 87(3), pp.621-631.
  • Sproesser, G., Schupp, H. and Renner, B. (2013). The Bright Side of Stress-Induced Eating. Psychological Science, 25(1), pp.58-65.
  • Adam, T. C. & Epel, E. (2007). Stress, Eating and the Reward System. Physiology & Behavior, 91, 449-458.
  • Adriaanse, M. A., de Ridder, D. T. D. & Evers, C. (2011). Emotional Eating: Eating When Emotional or Emotional About Eating? Psychology and Health, 26(1), 23-39.
  • Evers, C., Stok, F. M. & de Ridder, D. T. D. (2010). Feeding Your Feelings: Emotion Regulation Strategies and Emotional Eating. Personality and Social Psychology Bulletin, 36(6), 792-804.
  • Vögele, C. & Gibson, E. L. (2010). Mood, Emotions, and Eating Disorders. In W. S. Agras (Ed.), The Oxford Handbook of Eating Disorders (pp. 180-205). New York: Oxford University Press.
  • HelpGuide: „Emotional Eating and How to Stop It“ (aufgerufen am 08.09.2021)