- Millionen Falschmeldungen, Milliarden Schaden durch Health Fake News
- Rezepte zur Erkennung von Health Fake News
- Für Einsteiger – der praktische Schnell-Check für jede Situation
- Für Fortgeschrittene – wie man tiefer hinter die Fassade schauen kann
- Für Profis – wie sich auch knifflige Fälle von Health Fake News lösen lassen
- Fehlinformation, Health Fake News oder Information – kommt auch auf den aktuellen Erkenntnisstand an
- Welche Motive haben Menschen, die Health Fake News verbreiten?
- Fazit
- Desinformationen erkennen und damit umgehen
Gerade im Gesundheitsbereich kursieren viele Falschmeldungen und Halbwahrheiten. Sie können die Transparenz der Gesundheitswelt erheblich beeinträchtigen. Die Motive für ihre Verbreitung sind vielfältig, nicht selten steckt ein geschäftliches Interesse dahinter. Hier erfahren Sie, wie Sie solche Fake News erkennen können – mit Ratschlägen für Anfänger und Profis.
Der Comic-Figur Popeye verlieh Spinat, den der gezeichnete Seemann dosenweise aß, immense Kräfte – und viele Kinder erinnern sich an die Empfehlung, Spinat sei gesund, da er Unmengen an Eisen enthielte. Das Problem: In der Studie, die dem Gemüse den hohen Eisengehalt bescheinigte, war eine Dezimalstelle verrutscht. In Wirklichkeit beeinträchtigen sogar im Spinat enthaltene Stoffe die Eisenresorption im Darm. Trotzdem glauben auch Jahrzehnte nach der Aufklärung des Kommafehlers immer noch viele Menschen, Spinat sei extrem reich an Eisen.
Millionen Falschmeldungen, Milliarden Schaden durch Health Fake News
Nun handelt es sich bei dem Eisenmythos um einen bedauerlichen, aber letztlich unabsichtlichen, handwerklichen Fehler, hinter dem kein böser Wille steckte. Trotzdem zeigt das Beispiel eindrucksvoll, wie hartnäckig sich Fehlinformationen halten können, wenn sie erst einmal in der Welt sind. Zu solchen simplen Irrtümern, Zeitungsenten und Missverständnissen kommen zudem absichtlich verbreitete Falschmeldungen. Sie können um ein Vielfaches gefährlicher sein, denn oft werden sie so lanciert, dass sie sich besonders gut verbreiten: Sie docken an aktuelle Themen an, schüren oft populäre Ängste und bieten einfache Erklärungen für komplexe Sachverhalte. Aus diesen Gründen verbreiten sie sich oft mindestens genauso schnell wie inhaltlich korrekte Nachrichten.
Und dies nicht erst seit Popeyes Spinat, sondern buchstäblich seit Menschen miteinander kommunizieren. Im 14. Jahrhundert erlangten beispielsweise die Habsburger durch die gefälschte Urkunde „Privilegium Maius“ eine Reihe von Sonderrechten, die ihnen andernfalls nicht zugestanden hätten. Die Legende von der „Heiligen Ursula und ihren 11.000 Jungfrauen“ erwies sich für die Stadt Köln durch den Handel mit oft falschen Reliquien als äußerst lukrativ. Und Adolf Hitler brach den Zweiten Weltkrieg mit der Falschaussage vom Zaun, es würde nun „zurückgeschossen“.
Doch gerade in heutigen, digitalen Umfeldern wie sozialen Medien oder Messenger-Diensten verbreitet sich Unzutreffendes oft sogar noch schneller und stärker als Zutreffendes. Erstens kann hier jeder publizieren oder weiterverbreiten, der möchte – ungeachtet der Qualifikation und Autorisierung. Das war früher bei weitem nicht so leicht. Und zweitens lieben die Algorithmen vieler Anbieter und Plattformen Inhalte mit hoher emotionaler Wirkung, die man eben zum Beispiel durch Übertreibung oder falsche Darstellung erreichen kann. Allein die Social-Media-Plattform Facebook hat in den ersten drei Monaten der Corona-Pandemie mehr als sieben Millionen Beiträge gelöscht, die gesundheitsgefährdende Falschinformationen enthielten. Ein typisches Beispiel: Das Trinken von Bleichmittel stoppe das Virus. Bereits 2019 wurde der weltweite Schaden durch Falschmeldungen auf über 78 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Doch durch die Pandemie scheinen Umfang und Auswirkungen des Fake-News-Problems noch größer geworden zu sein – oder das Problembewusstsein und die Sensibilität dafür zugenommen zu haben: In einer repräsentativen Umfrage gaben Jugendliche und junge Erwachsene jedenfalls an, mindestens einmal pro Woche Falschmeldungen zu begegnen. 21 Prozent gaben sogar an, mehrmals täglich mit Falschnachrichten konfrontiert zu sein – zwei Jahre zuvor hatten das nur 12 Prozent gesagt. Unabhängig davon, ob das überwiegend ein objektiver oder ein gefühlter Anstieg ist, zeigt es, wie rasant die Relevanz des Themas steigt. Es wird immer wichtiger, gut beurteilen zu können, was wie verlässlich ist.
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Die digitale Transformation bietet uns unglaubliche Chancen, aber sie birgt auch Gefahren.
"Der Bedarf nach Informationen ist immens [und es mangelt[...] an Orientierung in [...] komplexen Situation[en] und wir sehen die Vermittlung von sachlichen, richtigen Informationen als unsere Pflicht an.", so Fr. Dr. Ursula Marschall, die leitende Medizinerin der BARMER, 2020.
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Rezepte zur Erkennung von Health Fake News
Doch wie erkennt man Falschmeldungen? Es gibt unterschiedliche Tricks und Methoden, auch abhängig davon, wie viel Zeit man investieren möchte und wie gut man sich im Netz allgemein auskennt.
Für Einsteiger – der praktische Schnell-Check für jede Situation
Quelle prüfen:
Nicht allein auf die Optik einer Webseite vertrauen. Nicht jede Fake-News-Seite sieht billig und sensationsheischend aus. Oft kommen sie auch ganz schlicht und seriös daher. Außerdem lohnt es sich zu prüfen: Gibt es einen benannten Autoren oder eine Autorin für den konkreten Artikel (oder zumindest das Kürzel einer Nachrichtenagentur)? Hat die Webseite ein Impressum (in Deutschland Pflicht)? Wer ist in diesem Impressum als Verantwortlicher genannt? Wer ist der Absender einer bestimmten Nachrichtenmeldung, die man vielleicht per Messenger weitergeleitet bekommen hat
Zweite Meinung einholen:
Wenn etwas unglaublich klingt, liegt das oft daran, dass es einfach nicht stimmt. Wenn sich eine schwere Krankheit wie Krebs ganz einfach mit einem Hausmittel heilen ließe – warum ist sie dann noch so verbreitet?
Statt nur auf einen weitergeleiteten Artikel zu vertrauen, das Thema lieber noch einmal woanders nachlesen. Was schreiben andere, etablierte und vertrauenswürdige Medien zu demselben Thema? Manchmal kann es auch helfen, die entsprechenden Begriffe und „Faktencheck“ oder „hoax“ (deutsch: „Schwindel“) zu googlen.
Gezielt suchen:
Nur selten ist man der erste, der mit einer Falschmeldung konfrontiert wird. Manche geistern sogar schon seit Jahren herum und werden immer wieder ausgegraben und erneut gepostet und geteilt. Die Suchmaschinen hoaxsearch.com und hoaxmap.org liefern bei Eingabe von Stichworten Faktenchecks zu vielen Falschmeldungen.
Für Fortgeschrittene – wie man tiefer hinter die Fassade schauen kann
Profile prüfen:
Wenn eine verdächtig erscheinende Nachricht per Social Media auf dem eigenen Bildschirm erscheint, kann es sich lohnen, nachzusehen, wer den Tweet, das Bild oder das Posting ursprünglich verfasst hat: Wie alt ist das Profil? Hat es einen richtigen Namen oder nur eine beliebige Zeichenkette? Gibt es ein Profil-Foto? Hat es einen (meist blauen) Verifizierungshaken der jeweiligen Plattform? Wie viele Follower hat der Account und wirken diese wie reale Menschen? Ein Account, der erst wenige Tage alt ist, kein Profilfoto aufweist und „rb52993“ heißt, ist wahrscheinlich nur dafür angelegt worden, Falschmeldungen zu streuen. Noch dazu, wenn ihm nur eine Handvoll Konten folgen, denen ebenfalls alle Merkmale eines echten Accountbesitzers fehlen.
URL checken:
Bei Webseiten lohnt sich ein genauer Blick in die Adresszeile. Ist es wirklich die Originalseite einer vertrauenswürdigen Quelle? Oder ist sie leicht abgewandelt, zum Beispiel durch Bindestriche oder eine andere Endung der Internet-Adresse.
Absicht hinterfragen:
Oft kann es auch lohnen, sich zu fragen, was eine Meldung bezwecken will. Folgt am Ende direkt ein Aufruf, etwas zu kaufen? Oder eine bestimmte Marke zu boykottieren? Soll das Vertrauen in die Demokratie, gesellschaftliche Institutionen zerstört werden? Gerade wenn ein komplexer Sachverhalt sehr schwarz-weiß und vereinfacht dargestellt wird, ist Vorsicht geboten. Seriöse Quellen machen auch deutlich, wenn es Ungewissheiten gibt oder wenn zu einer bestimmten Frage mehrere Standpunkte existieren. Manipulative Falschmeldungen lassen solches Abwägen in der Regel unter den Tisch fallen und argumentieren nur in eine einzige Richtung.
Für Profis – wie sich auch knifflige Fälle von Health Fake News lösen lassen
In die Vergangenheit schauen:
Wenn eine Webseite kein Impressum ausweist, konnte man früher über einen sogenannten WHOIS-Dienst nachschlagen, auf wen die Domain registriert ist. Seit der Datenschutzgrundverordnung von 2018 ist dies meist nur noch bei nachgewiesenen Rechtsverletzungen möglich.
Stattdessen kann es sich lohnen, die sogenannte „Waybackmaschine“ unter archive.org zu konsultieren. Dort sind womöglich frühere Versionen der betreffenden Website archiviert, auf denen eventuell noch ein Impressum vorhanden war.
Rückwärts suchen:
Mit der Google Bildersuche oder dem Dienst tineye.com kann man prüfen, wo ein bestimmtes Bild noch im Netz auftaucht. Oft werden reale Bilder aus dem Zusammenhang gerissen oder Jahre später mit einer völlig anderen „Begleitgeschichte“ gezeigt. Als beispielsweise die US-Armee im August 2021 ein Transportflugzeug voller afghanischer Zivilisten aus Kabul ausflog, machten zwei Fotos die Runde, auf denen fast ausschließlich Männer zu sehen waren. Schnell wurde gegen die Rettung Stimmung gemacht und gefragt, warum statt Frauen und Kindern ausschließlich junge Männer gerettet würden. Doch ein Faktencheck zeigte, dass eines der Bilder so beschnitten war, dass die Frauen und Kinder an Bord der Maschine nicht zu sehen waren und das andere Foto bereits mehrere Jahre alt war und von einem völlig anderen Flug stammte.
Videos analysieren:
Für Videos kann man eine ähnliche Methode anwenden, in dem man die Vorschaubilder durch eine solche Bildersuche schickt. Oder man verwendet eine spezielle Videosuchmaschine von Amnesty International (https://citizenevidence.amnestyusa.org). Dann werden unter Umständen ältere Uploads desselben Videos angezeigt und möglicherwiese klar, dass das Video etwas ganz anderes zeigt als der neue Artikel oder Zusammenschnitt behauptet.
Fehlinformation, Health Fake News oder Information – kommt auch auf den aktuellen Erkenntnisstand an
Bei einigen Fällen von Desinformation ist die Sache zum Glück klar: Die Idee, dass spezielle Mücken gezüchtet wurden, die unwillige Menschen heimlich mit ihren Stichen gegen das Corona-Virus impfen, ist hanebüchen und falsch. Gleichzeitig ist es wichtig, festzustellen, dass es auch nicht immer nur eine Wahrheit gibt, die von Anfang an unumstößlich feststeht.
Gerade in der Corona-Pandemie, als die Menschheit mit einem vorher unbekannten Virus konfrontiert wurde, hat sich in vielen Bereichen Gewissheit erst nach und nach etabliert. So wurde anfangs großer Wert auf Flächendesinfektion und Händewaschen gelegt und immer wieder davor gewarnt, sich ins Gesicht zu fassen – weil diese Ratschläge bei vielen bisherigen Virusarten sinnvoll und wichtig waren.
Erst nach und nach zeigte sich, dass sich das Corona-Virus vor allem über Aerosole überträgt und deshalb Masken, Lüften, Abstand und das Vermeiden größerer Menschenmengen in geschlossenen Räumen wichtiger ist als minutiöse Anleitungen zum korrekten Händewaschen. Das bedeutet nicht, dass diese Ratschläge „Fake News“ gewesen wären. Sie wurden schließlich nicht mit dem Ziel in die Welt gesetzt, zu manipulieren oder Eigeninteressen durchzusetzen. Wissenschaft basiert darauf, Erkenntnisfortschritte zu machen. Dies geschieht, indem man Annahmen überprüft und diese ggf. auch wieder zu verwirft, wenn sie sich als unzutreffend erweisen.
Dies anzuerkennen und zuzulassen, dass sich der Kenntnisstand im Lauf der Zeit wandeln kann, bedeutet aber wiederum nicht, dass es gar keine Wahrheit und keinerlei Richtig und Falsch gäbe. Dass gleichsam alles Auslegungs- und Interpretationssache wäre. Genau diese Haltung – jeder könne gewissermaßen für sich selbst entscheiden, ob er daran glaubt, dass sich Krebs durch eine bestimmte Diät heilen lässt oder nicht – wird oft von den Menschen gestützt, die Fake News und Verschwörungsmythen verbreiten oder mit dem Verkauf der Diäten Geld verdienen.
Wenn niemand mehr weiß, was richtig und falsch ist, wenn wir als Gesellschaft uns sogar damit abfinden, dass es keine gemeinsame Faktenbasis in der Realität mehr gibt, sondern nur noch Auslegungen und Meinungen, dann haben wir ein ernstzunehmendes Problem. Denn Kommunikation – und damit auch Problemlösung – ist nur möglich, wenn sich beide Seiten zumindest über ein Mindestmaß an Fakten einig sind. Überspitzt formuliert: Um sich darüber zu verständigen, ob es besser ist, den Stuhl auf oder vor den Tisch zu stellen, müssen sich beide Seiten zunächst erst mal darüber einig sein, dass es sich um einen Tisch und einen Stuhl handelt.
Linkliste vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen:
https://www.gesund-im-netz.net
https://www.gesundheitsinformation.de
https://www.stiftung-gesundheitswissen.de
https://gesund.bund.de
https://www.patienten-information.de
Welche Motive haben Menschen, die Health Fake News verbreiten?
Die Motive derjenigen, die Fake News in die Welt setzen und verbreiten, sind sehr unterschiedlich. Am einen Ende des Spektrums stehen staatliche Akteure, die „versuchen, Einfluss zu nehmen, die demokratische Debatte zu untergraben, die soziale Polarisierung zu verschärfen und ihr eigenes Image aufzupolieren“, wie es die Europäische Kommission formuliert.
Am anderen Ende des Spektrums finden sich Privatpersonen, die Desinformation aus Spaß oder Experimentierfreude in die Welt setzen und verbreiten – einfach um zu sehen, wie weit sie damit kommen. Dazwischen gibt es noch eine Reihe von anderen Motiven: So gibt es Geschäftemacher, die von Desinformation profitieren. Indem sie Informationen veröffentlichen, die zwar falsch sind, aber mehr Aufsehen erregen als die erwiesenen Tatsachen, locken sie eine größere Anzahl von Besuchern auf ihre Webseiten, als es ihnen sonst möglich wäre. Diese durch Desinformation generierte Reichweite können sie dann über den Verkauf angeblicher Heilpräparate oder über automatisierte Einblendung von Werbeanzeigen zu Geld machen. Nicht zuletzt gibt es auch Menschen, die Desinformation weiterverbreiten, weil sie tatsächlich daran glauben. Sie handeln oft besonders engagiert, weil sie glauben, ihre Mitmenschen – die weniger wissen als sie selbst – warnen oder gar retten zu müssen.
Fazit
Diese verschiedenen Motive wirken zusammen und machen Desinformation zu einem ernstzunehmenden und schwerwiegenden Problem. Nur mit einer gesunden Portion Skepsis und regelmäßig aktualisierter und auf die neuen Technologien angepassten Medienkompetenz können wir alle uns vor Falschinformationen und den teilweise schweren gesundheitlichen Schäden, die damit einhergehen können, schützen. Auch Verantwortungsbewusstsein spielt eine große Rolle: Denn nicht nur derjenige, der eine Falschmeldung in die Welt bringt, trägt Verantwortung für ihre Folgen, sondern auch derjenige, der sie unkritisch weiterverbreitet und ihr so erst zu ihrer Reichweite und Kraft verhilft.
Glossar zu Health Fake News
Information: Als Information wird meist Wissen bezeichnet, das ein Absender einem Empfänger übermittelt und das beim Empfänger zu einem Zuwachs an Wissen führt.
Fehlinformation: Unter Fehlinformation versteht man falsche, ungenaue oder irreführende Informationen, die ohne Täuschungsabsicht weitergegeben werden. Parodie oder Satire fallen deshalb in der Regel nicht unter Fehlinformation, auch wenn sie in Einzelfällen vom Empfänger für wahr gehalten werden.
Desinformation: Desinformation bezeichnet Informationen, die mit der Absicht verbreitet werden zu täuschen und/oder Schaden zu verursachen.
Malinformation: Der – eher seltene – Begriff Malinformationen wird für wahre Informationen verwendet, die mit der Absicht verbreitet werden, Schaden zu verursachen. Häufig geschieht dies durch die Veröffentlichung von Informationen, die eigentlich nicht in die Öffentlichkeit gelangen sollten.
Fake News: Der Begriff Fake News ist vergleichsweise schwammig und kann je nach Definition sowohl für Fehl- als auch für Desinformation verwendet werden. Meist wird mit diesem oft als Kampfbegriff verwendeten Ausdruck eine „Veröffentlichung von absichtlich oder wissentlich falschen Tatsachenbehauptungen im Internet“ (Klein & Wueller 2017) bezeichnet.