Junge Frau im Sommerkleid hat den Mund-Nasen-Schutz herunter gezogen
Coronavirus

Wann endet eine Pandemie? Ein Blick in die Geschichte

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Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Utta Petzold (Dermatologin, Allergologin, Phlebologin, Barmer)

Nach mehreren Jahren mit vielen Beschränkungen fragen sich viele nur noch eins: Wann endet die Coronavirus-Pandemie? Antworten findet man in der Vergangenheit, denn Pandemien gab es schon vor Jahrhunderten. 

Pandemie: Was ist das eigentlich? 

Man spricht von einer Pandemie, wenn eine Krankheit die ganze Welt betrifft und sich über Kontinente hinweg, aber zeitlich begrenzt ausbreitet. Jüngere Beispiele sind neben COVID-19 das SARS-Virus (2002) oder die Schweinegrippe (2009), ältere Pandemien sind etwa die Pest oder die Spanische Grippe.

Die Spanische Grippe: Lüften, Abstand halten, Hände waschen

Es war Herbst im Jahr 1918, als ein Koch in den USA plötzlich Fieber bekam. Wenige Tage später waren in dem Militärlager in Kansas, wo der Mann arbeitete, mehr als 500 Männer krank. Der Koch könnte der erste Patient der Spanischen Grippe sein, die bis heute als eindrucksvolles Beispiel gilt, wie eine Infektionskrankheit den ganzen Erdball in Atem halten kann.

Wenige Monate nach dem Ausbruch in den USA – Spanien war trotz des Namens wohl nicht das Ursprungsland – erkrankten Menschen in Asien, Australien und Europa. Die Infizierten starben reihenweise: Je nachdem, welcher Quelle man glaubt, kostete die Spanische Grippe 20 bis 100 Millionen Menschen das Leben. Allein 300.000 sollen im Deutschen Reich gestorben sein, die meisten an Lungenversagen, wie Historiker heute wissen.

 „Die Spanische Grippe ist das Pandemie-Beispiel, das im Vergleich mit Corona am häufigsten bemüht wird“, sagt Prof. Dr. Heiner Fangerau, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Das Influenzavirus gehört zwar zu einer anderen Virengruppe als das Coronavirus. Doch die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie damals sind mit den heutigen zumindest vergleichbar.“ 

Auch die Spanische Grippe, so Fangerau, sei vor rund 100 Jahren auf eine Medizin getroffen, die zunächst nicht wusste, was sie damit anfangen sollte. Um das Infektionsgeschehen einzudämmen, gab es lediglich Maßnahmen, die uns heute mehr als bekannt vorkommen: Lüften, Masken, Händewaschen. „Auch damals wurden Schulen geschlossen, die Kinder freuten sich über Grippeferien.“ Fast zwei Jahre lang wütete die Spanische Grippe und verlief über diese Dauer in drei Wellen – wobei die zweite die schlimmste war und die meisten Toten forderte. 

Was die Spanische Grippe enden ließ, ist selbst unter Medizinhistorikern nicht ganz klar: „Die gängigste Theorie ist, dass die Menschen nach und nach eine Immunität entwickelten, wenn sie die Krankheit überstanden hatten“, sagt Fangerau, der Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist. „Auch die genetische Struktur des verantwortlichen Influenzavirus veränderte sich, sodass sich die Schädlichkeit verringerte. Hinzu kommt kulturell, dass damals die Aufmerksamkeit für die Krankheit sank, als die akute Bedrohung verschwunden war.“ 

Fest steht, dass die Kontaktbeschränkungen Wirkung zeigten, wie schon zeitgenössische Arbeiten und auch eine Studie aus dem Jahr 2007 beweisen: Isolierungen, Schulschließungen und Versammlungsverbote reduzierten die Zahl der Grippe-Todesfälle deutlich.

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Tuberkulose: Veränderte Spuck- und Niesetikette

Sich beim Husten die Hand vor den Mund zu halten, das haben sich die Menschen in den vergangenen Monaten abgewöhnt, damit das Virus nicht über die Hände verbreitet wird. Solche Verhaltensänderungen seien schon früher wirksame Strategien gewesen, um eine Pandemie aufzuhalten, erzählt Medizinhistoriker Fangerau mit einem Blick in die Geschichte: „Als sich im 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland Tuberkulose ausbreitete und viele Menschen daran starben, war es in der Bevölkerung völlig normal, ständig auf den Boden zu spucken.“ 

Wissenschaftler fanden nach einiger Zeit heraus, dass sich der Erreger im Speichel befand und darüber häufig die Ansteckung mit Tuberkulose erfolgte. „Von da an brachten Gesundheitspolitiker über Aufklärungskampagnen mittels Plakaten und Vorträgen den Menschen mühsam bei, Spucknäpfe und -flaschen zu benutzen, statt auf den Boden zu spucken – und die Infektionszahlen gingen deutlich zurück“, berichtet Fangerau. Es mag trivial sein, nicht mehr in die Handfläche, sondern in die Armbeuge zu niesen und zu husten. „Doch solche Verhaltensmaßnahmen müssen die Menschen lernen – und wenn sie erlernt sind, können sie helfen, eine Pandemie abflauen zu lassen."

Pest: Die Zeit der Masken

Ähnlich, wie in der Corona-Pandemie, versuchten sich die Menschen im Mittelalter gegen die Pest zu schützen – im Gegensatz zu heute allerdings vergeblich. Medizinhistoriker Fangerau, der ein Buch über „Pest und Corona“ veröffentlicht hat, erklärt: „Der Schwarze Tod hat in Europa zwischen 1340 und 1347 ganze Landstriche entvölkert, mancherorts starben 40 Prozent der Bevölkerung. Damals dachten die Menschen, die Infektion erfolge über Dämpfe.“ 

Um den „Pesthauch“ abzuwehren, trugen viele Masken, in die sie duftende Kräuter legten. Manche glaubten sogar, Schnurrbärte würden die Infektion verhindern, weil die Dämpfe durch sie nicht in die Nase gelangen. Mit dem heutigen Wissen über Infektionskrankheiten ist klar, dass es den Pesthauch nicht gibt und der Krankheitserreger – das Bakterium Yersinia pestis – über Flöhe von Ratten auf den Menschen überging. 

„Irgendwann gingen die Pest-Infektionen zurück und die Pandemie lief aus“, so Medizinhistoriker Fangerau. Nicht allerdings wegen der Kräutermasken: „Vermutlich endete sie, weil die Menschen eine gewisse Immunität entwickelt hatten, ihre Umwelt durch Hygienemaßnahmen anpassten oder weil sich die Schädlichkeit der Erreger veränderte.“ 

Die Pandemie im Mittelalter gilt als zweite Pest-Welle – zum ersten Mal hatte die Pest bereits im sechsten Jahrhundert global gewütet. Erst die dritte große Pest-Pandemie, die sich kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts von Zentralasien zu verbreiten begann, traf Europa nicht mehr ganz so hart: Inzwischen war den Menschen den Übertragungsweg über Ratten und ihre Flöhe bekannt, sodass eine bessere Hygiene und Abwassersysteme eine unkontrollierte Verbreitung verhindern konnten.

Woher stammt das Wort „Quarantäne“?

Die Venezianer hatten im Mittelalter den Verdacht, dass der Schiffsverkehr die Verbreitung der Pest begünstigt. Deshalb verlangten sie von Reisenden, sich für 40 Tage zu isolieren. „Quaranta“ ist das italienische Wort für die Zahl 40 – und soll der Ursprung des heutigen Begriffs „Quarantäne“ sein.

Ende der Corona-Pandemie: Übergang in eine Endemie?

Lange ging es in der Corona-Pandemie darum, mit Maßnahmen wie Lockdowns, Abstand und Hygieneregeln das Virus einzudämmen und die Wellen flach zu halten.

Mittlerweile zeichnet sich mehr und mehr ab, dass wir langfristig mit der Erkrankung leben werden und lernen müssen, mit ihr umzugehen. COVID-19 wird wahrscheinlich letztlich von einer Pandemie zu einer Endemie werden: Das bedeutet, dass die Erkrankung regelmäßig auftritt und die Zahl der Infizierten durchgehend relativ konstant ist. Typische Beispiele für Endemien sind Malaria und Gelbfieber, mit denen man sich das ganze Jahr über in tropischen Ländern infizieren kann. In Deutschland sind die Masern endemisch.

Literatur