Eine Gruppe Jugendlicher sitzt auf einer Mauer und schaut auf ihr jeweiliges Smartphone.
Sucht

Handysucht: Welche Anzeichen es gibt, was Sie tun können

Lesedauer unter 6 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)

Ob in Bus oder Bahn, im Wartezimmer oder auf dem Sofa. Das Smartphone ist ständig und überall zur Stelle. Rund zwei Stunden täglich verbringen wir im Schnitt mit dem Handy, ständige Erreichbarkeit ist selbstverständlich.

Bei den 18- bis 29-Jährigen hängt mehr als jeder Vierte sogar mehr als vier Stunden pro Tag am Smartphone. Betroffene haben wegen ihrer vermeintlichen Smartphone-Sucht ein schlechtes Gewissen, soziale Kontakte leiden und Eltern sind in Sorge.

Aber gibt es eigentlich so etwas wie Handysucht? Wenn ja: Wie macht sich dieses Problem bemerkbar? Wir haben mit einem Experten gesprochen und geben Tipps für einen gesunden Umgang - damit man nicht ständig aufs Handy schauen muss und seinen Smartphone-Konsum verringert.

5 Tipps gegen Handysucht

1. Schaffen Sie sich Inseln, in denen Sie vom Smartphone ungestört sind. Beim gemeinsamen Abendessen bleibt das Handy im Nebenzimmer. Beim Herbstspaziergang auch mal zuhause (die Fotos vom Herbstlaub haben Sie ja schon dutzendfach vom Vorjahr in Ihrer Fotobibliothek). Und ja, auch beim Konzert (wenn es wieder welche gibt): „Das Fokussieren auf das Nicht-Verwackeln im Dunkeln lässt wenig Energie für das emotionale Erleben des Konzerts übrig“, sagt Prof. Montag.

2. Erobern Sie sich Struktur im Alltag zurück, die ohne Handy auskommt. Lassen Sie sich von einem herkömmlichen Wecker wecken (das Handy hat Schlafzimmerverbot), tragen Sie wieder eine Armbanduhr, um die Zeit abzulesen. So müssen Sie nicht dauernd nach dem Telefon greifen – und in der nächsten Ablenkungsfalle landen.

3. Löschen Sie alle Push-Nachrichten für Apps, die ständig aufploppen und Ihnen mit einer neuen Nachricht die Aufmerksamkeit abziehen. Platzieren Sie Social-Media-Apps – für viele die mit Abstand größten Zeitfresser – in Unterordnern auf Ihrem Telefon, damit der Zugriff nicht so automatisiert ist. Gönnen Sie sich die Freiheit, auf Nachrichten und Kommentare nicht sofort antworten zu müssen.

4. Verbannen Sie das Smartphone bei konzentrierten Arbeiten nicht nur vom Schreibtisch, sondern aus dem Raum. „Es ist in einer experimentellen Arbeit gezeigt worden, dass die bloße Anwesenheit eines Handys die kognitive Leistung reduzieren kann“, so Montag.

5. Gewöhnen Sie sich an, das Telefon auch öfter mal in klassischen „Griff-zum-Handy“-Situationen in der Tasche zu lassen. Schauen Sie in Bahn und Bus mal aus dem Fenster, lassen Sie die Gedanken schweifen. „Wir wissen aus der Forschung, dass dieses Innehalten dem Gehirn einen gedanklichen Freilauf gewährt, der Kreativität befördern kann“, sagt Montag.

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Was beginnt eine Handysucht?

Der Übergang zur Sucht kann schleichend sein. Eine Abhängigkeit kann entstehen, je nachdem, wie oft man auf sein Smartphone schaut. Das kann auch mit dem Gefühl zu tun haben, etwas zu verpassen. Umso häufiger schaut man wieder auf das Handy.

Bei diesen fünf Anzeichen für Handysucht sollten Sie hellhörig werden

  1. Ich habe Schwierigkeiten meine Smartphone-Nutzung zu kontrollieren und verbringe mehr Zeit auf dem Handy und im Internet als mir lieb ist.
  2. Die Nutzung des Smartphones steht für mich im Vordergrund des alltäglichen Lebens. Dinge, die mir mal Spaß gemacht haben, müssen dafür zurückstehen oder sind nicht mehr Teil meines Alltags.
  3. Im privaten Bereich, in der Schule oder im Beruf kommt es aufgrund meiner Smartphone-Nutzung zu bedeutsamen Beeinträchtigungen. Die Schulnoten verschlechtern sich, Beziehungen zu Freunden oder Familienmitgliedern leiden, ich unternehme weniger mit Freunden. Im Job und von Menschen in meinem Umfeld gab es wiederholt Kritik wegen meiner Handy-Nutzung und das Smartphone macht mich unproduktiv.
  4. Ich benutze mein Smartphone auch in Situationen, in denen die Nutzung unangemessen ist oder auf Kritik stößt.
  5. Trotz aller Schwierigkeiten halte ich die umfassende, intensive Nutzung des Smartphones aufrecht. Wenn ich längere Zeit nicht online sein kann, werde ich unruhig.

Wie verbreitet ist Handysucht? 

„Von einer gravierenden Störung oder Verhaltenssucht sprechen wir erst dann, wenn es neben einigen Symptomen auch zu massiven Beeinträchtigungen im Alltag kommt“, verdeutlicht Experte Montag. Dies betreffe noch einen relativ kleinen Anteil der Bevölkerung (ca. 1-2%). Dennoch seien die Plattformen von Apps wie WhatsApp, Facebook oder Instagram darauf angelegt, „dass wir dort mehr Zeit verbringen, als wir eigentlich wollen.

Das ist deren Geschäftsmodell.“ In diesen Kommunikations-Kosmen gibt es keinen Anfang und kein Ende, alles ist ein steter, nie versiegender Fluss an Bildern, Nachrichten, Kommentaren und Likes. Schnell versickert hier auch mehr Lebenszeit, als uns eigentlich lieb ist. „Zusätzlich wird unser Alltag durch die vielen Unterbrechungen fragmentiert“, beschreibt es Montag. „Es gibt kaum noch lange, konzentrierte Einheiten.“

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Was bedeutet eigentlich "Handysucht"?

Bei dem Begriff "Handysucht" geht es nicht um das Handy, sondern um die Inhalte, die es bietet, und letztlich um das, was diese Inhalte aus der digitalen Welt und den sozialen Medien bei uns auslösen: Mails, Apps wie Instagram und Facebook oder Spiele, die unsere Aufmerksamkeit bannen und an unsere Selbstregulationssysteme andocken.

„Ein Alkoholiker ist auch nicht nach der Flasche süchtig, sondern nach deren Inhalt und seiner Wirkung“, bemerkt Professor Dr. Christian Montag, Leiter der Abteilung Molekulare Psychologie an der Universität Ulm. „Das Handy ist nur Mittel zum Zweck. Wir haben viele Funktionen an dieses Gerät ausgelagert.

Das macht es schwer, die Grenze zwischen sinnvoller und zu übermäßiger Nutzung zu ziehen.“ Auch die reine Betrachtung der zeitlichen Nutzungsdauer greift zu kurz. Ein vielreisender Manager, der seine Mails von unterwegs schreibt und über Telefon und Apps konferiert, kommt locker auf mehrere Stunden am Tag, ohne unter den Verdacht zu geraten, mit Handysucht ein Problem zu haben. 

Nichtsdestotrotz verändert allein die bloße Anwesenheit eines Smartphones unsere Aufmerksamkeit und die Begegnung mit anderen. Das ist durch Studien belegt. „Die Qualität der sozialen Interaktion wird als weniger belohnend wahrgenommen, wenn das Handy anwesend ist“, konstatiert Psychologe Montag, der seit Jahren zur Handynutzung und Handysucht forscht. „Erste Arbeiten weisen darauf hin, dass wir in Anwesenheit der Geräte auch unaufmerksamer werden. Die Lernkultur kann leiden.“

Ab einer bestimmen Nutzungsfrequenz kann das Smartphone zum Begleiter werden, der mehr Kontrolle über dessen Besitzer hat als umgekehrt. 2018 nahm die WHO die Diagnose „Gaming Disorder“ in ihren Katalog behandlungswürdiger Krankheiten auf. Seither gilt die Computerspiel-Störung als eigenständige Diagnose.

Es wird diskutiert, inwieweit der Kriterien-Katalog auf die problematische Handynutzung übertragen werden kann. Dies ist Bestandteil aktueller Forschung zur Handysucht. „Möglicherweise ist es sinnvoller, in Zukunft eher die problematische Nutzung sozialer Netzwerke oder von Computerspielen zu erfassen anstatt nur auf das Gerät zu fokussieren“, gibt Wissenschaftler Montag zu bedenken.

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