- Was ist Gaslighting? Beispiel für einen typischen Fall
- 22 Beispiele für typische Sprüche, die beim „Gaslighting“ benutzt werden:
- Definition Gaslighting: Was bedeutet der Begriff und woher stammt er?
- Welche Merkmale hat „Gaslighting“ und wie läuft es ab?
- Gaslighting Test: Typische Anzeichen, dass es sich um „Gaslighting“ handeln könnte
- Schon „Gaslighting“ oder noch normal?
- Was steckt hinter „Gaslighting“?
- Welche Auswirkungen und Folgen hat „Gaslighting?
- Wie kann man sich gegen Gaslighting wehren?
- Hilfe bei „Gaslighting“: Anlaufstellen
Der Begriff „Gaslighting“ bezeichnet eine Form von psychischer Gewalt, bei dem die Opfer so stark durch Lügen, Leugnen und Einschüchterungstaktiken manipuliert werden, dass sie anfangen, an ihrem eigenen Verstand zu zweifeln. Wie man „Gaslighting“ erkennt – und wie man sich wehren kann.
Was ist Gaslighting? Beispiel für einen typischen Fall
„Ich dachte irgendwann, ich werde wirklich verrückt.“ Maria* aus Hamburg, 42, war fünf Jahre mit Tom zusammen. In dieser Zeit redete er ihr ein, unfähig und psychisch labil zu sein. Indem er Fakten verdrehte, ihre Gefühle herunterspielte, behauptete, auch anderen wäre ihr Verhalten schon aufgefallen. Das passierte so schleichend, dass Maria gar nicht wahrnahm, wie manipulativ Tom agierte. „,Das habe ich nie gesagt, Schatz.‘ ,Das musst du falsch abgespeichert haben‘ oder ,Ich mach mir langsam echt Sorgen um dich‘, waren typische Sätze von ihm“, erinnert sie sich. „Wenn man das über Monate immer wieder hört, fängt man an, sich selbst zu hinterfragen.“
Irgendwann verschwanden sogar Sachen im Haushalt. „Meine Kopfschmerztabletten waren so ein Fall. Die lagen immer auf meinen Nachttisch – und dann waren sie auf einmal weg. Wenn ich neue gekauft hatte, waren die auch wieder verschwunden. Tom meinte, er habe nie neue gesehen – das war wirklich schrecklich, denn ich war mir irgendwann nicht mehr sicher, ob ich wirklich welche gekauft hatte.“
Als die beiden Eltern wurden, bezeichnete er sie als „geistig zu unausgeglichen“, um sich ums Kind zu kümmern – weil das Baby weinte. „Irgendwann entschuldigte ich mich, sobald die Kleine schrie, weil ich es nicht schaffte, sie sofort zu beruhigen.“
Wenn Marias Mutter oder Freundinnen und Freunde sie besuchen wollten, sagte Tom ihnen, dass Maria gerade keine gute Phase habe und es am besten sei, sie in Ruhe zu lassen. So isolierte er sie zunehmend. „Darüber war ich regelrecht dankbar, weil ich dachte, nur Tom weiß, was gut für mich ist. Mir selbst traute ich nichts mehr zu“, erinnert sich Maria.
22 Beispiele für typische Sprüche, die beim „Gaslighting“ benutzt werden:
- „Das hast du so nie gesagt!“
- „Das habe ich nie gesagt. Dein Gedächtnis ist unterirdisch.“
- „Das bildest du dir ein!“
- „Du regst dich über Nichts auf!“
- „Immer verdrehst du die Sachen!“
- „Du denkst ja nicht klar.“
- „Du hörst dich verrückt an, das weißt du schon?“
- „Beruhig dich mal. Du bist immer gleich so dramatisch…“
- „Du ziehst gern vorschnell die falschen Schlüsse!“
- „Du machst aus einer Mücke einen Elefanten!“
- „Du bist so ein Sensibelchen.“
- „Verstehst du jetzt keinen Spaß mehr?“
- „Du nimmst aber auch alles gleich so persönlich.“
- „Ich bin nicht verärgert. Worüber redest du?"
- „Wenn du mich wirklich lieben würdest, würdest du …“
- „Du machst mich wütend.“
- „Niemand sonst würde dich jemals lieben."
- „Ich erinnere mich, dass du dem zugestimmt hast.“
- „Wie siehst du eigentlich aus? Nimm doch mal ab…“
- „Ich glaube, du brauchst dringend Hilfe.“
- „Das Problem bin ganz sicher nicht ich. Fang mal bei dir selbst an!“
- „Du bist doch total paranoid“
Definition Gaslighting: Was bedeutet der Begriff und woher stammt er?
Der Begriff für das, was Tom getan hat, ist „Gaslighting“. Übersetzt heißt das „Gasbeleuchtung“ und steht dafür, eine Person mit psychologischen Taktiken so zu manipulieren, dass sie eine falsche Darstellung der Realität akzeptiert und/oder an ihrer eigenen geistigen Gesundheit zweifelt.
Das Wort existiert schon lange, doch erst seit ein paar Jahren hat es an Bekanntheit gewonnen – 2018 wurde „Gaslighting“ von den Oxford Dictionaries zu einem der „Wörter des Jahres“ gewählt.
Er geht auf das Theaterstück „Gas Light“ von Patrick Hamilton aus dem Jahr 1938 zurück, das kurz darauf mit Ingrid Bergman verfilmt wurde. Diese spielte die vermögende Paula, Charles Boyer ihren Mann Jack, der es auf ihr Geld abgesehen hat. Jack manipuliert sie, indem er Sachen versteckt, sie beschuldigt, diese gestohlen zu haben und sie dann heimlich in ihre Handtasche steckt. Abends behauptet er, auszugehen, doch stattdessen schleicht er heimlich in die oberste Etage des gemeinsamen Hauses und schaltet dort das Licht an, wodurch die Lichter im Erdgeschoss gedimmt werden (daher der Titel).
Wenn sie ihm davon erzählt, redet er ihr ein, dass die Lichter nur in ihrem Kopf gedämpft seien. Das bringt sie dazu, an ihrer Wahrnehmung der Realität zu zweifeln, sie befürchtet, verrückt zu werden.
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Welche Merkmale hat „Gaslighting“ und wie läuft es ab?
In der Regel findet Gaslighting in engen Beziehungen und Partnerschaften statt (also bei Ehepartnern, der Mutter, dem Vater) – weil sie die größte Angriffsfläche bieten: Jemandem, den man liebt, vertraut man. So beginnt „Gaslighting“ oft als märchenhafte Liebesbeziehung, bei der anfangs alles bestens scheint. Im Laufe der Zeit ändern sich die Dinge jedoch allmählich – das Heimtückische beim „Gaslighting“: eine Lüge hier, eine Lüge da, ab und zu ein abfälliger Kommentar. Es ist der „Frosch in der Pfanne“-Effekt: Auf dem Herd steht eine Pfanne voller Wasser, darin sitzt ein Frosch. Nun wird die Hitze so langsam erhöht, dass der Frosch darin nicht merkt, dass es immer heißer wird – er bleibt sitzen bis es zu spät ist, statt rauszuhüpfen.
Die stete Kritik am Handeln oder Aussehen, die Einschüchterungen und Versteckspiele (wie die mit Marias Tabletten) haben auf Dauer verheerende Folgen: Der oder die Betroffene misstraut seiner eigenen Wahrnehmung, wird zunehmend verwirrt und emotional erschöpft.
Passieren kann das übrigens jedem – klugen wie selbstbewussten Menschen – und ist daher kein Zeichen von Schwäche oder Naivität. Kinder können ebenso das Ziel von „Gaslighting“ sein, indem die Eltern ihnen absichtlich das Gefühl geben, unzulänglich, wertlos oder ungeliebt zu sein. Auch in Freundschaften oder unter Arbeitskollegen im Kontext Mobbing kann „Gaslighting“ auftreten.
Gaslighting Test: Typische Anzeichen, dass es sich um „Gaslighting“ handeln könnte
- Man entschuldigt sich immer für alles. Ohne genau zu wissen, was man falsch gemacht hat.
- In einem Moment wird man mit Zuneigung überschüttet – im nächsten wird sie wieder entsagt.
- Die eigenen Gefühle werden runtergespielt: „Du reagierst über!“
- Der Täter oder die Täterin beharrt darauf, dass etwas so nicht passiert ist.
- Man überlegt jedes Wort, bevor man es ausspricht, aus Angst, (mal wieder) missverstanden zu werden.
- Man hinterfragt alles, was man denkt, fühlt sich oft verwirrt, klein und nicht liebenswert.
- Man sieht Freunde und Familie immer seltener. Der Täter oder die Täterin isoliert das Opfer – denn so fällt die zweite Meinung, also der korrigierende Blick, weg, der oder die Betroffene wird immer abhängiger vom „Gaslighter“.
- Man findet häufig Ausreden für das Verhalten des Partners oder der Partnerin.
Schon „Gaslighting“ oder noch normal?
„Gaslighting“ ist eine hochgradig ungesunde Kommunikations- und Beziehungsform. Aber Sätze wie „Das hast du so nie gesagt!“ fallen sicher in jeder Beziehung einmal. Ist das nun gleich „Gaslighting“? Der grundlegende Unterschied zwischen einem Partner, der missbräuchlich ist, und einem, der im Streit, sagen wir mal, nicht sehr konstruktiv ist: Der „Gaslighter“ konditioniert den Betrofffenen oder die Betroffene so permanent mit verallgemeinernden sogenannten Du-Botschaften, dass er oder sie denkt, es läge an ihm oder ihr.
Eine gesunde Beziehung ist geprägt durch offenen Austausch mit einem hohen Anteil sogenannter Ich-Botschaften, ein Geben und Nehmen. Beide Seiten sind sich bewusst, dass ihre Perspektive nur subjektiv ist, sie hören sich zu und können offen über eigene Gefühle sprechen.
Man darf und kann „man selbst“ sein und das eigene Leben ist besser, weil der Partner oder die Partnerin da ist. Und auch Streit gehört zu einer intakten Beziehung. Fallen dann einmal Sätze wie die oben aufgelisteten, ist es zumindest möglich, mit seinem Partner oder seiner Partnerin darüber konstruktiv zu diskutieren – im Gegensatz zur Beziehung mit einem „Gaslighter“.
Was steckt hinter „Gaslighting“?
Das Ziel des „Gaslighters“: Kontrolle über das Leben seines Opfers zu gewinnen. Durch die Selbstzweifel wird man abhängig von dem Täter oder der Täterin und deren Zuneigung. Überraschenderweise passiert das nicht einmal immer bewusst, das heißt, da sitzt niemand aus absichtlicher Gemeinheit und heckt einen finsteren „Masterplan“ aus. Oftmals steckt dahinter eine Person mit einem extrem geringen Selbstwertgefühl und Verlassensängsten – und um ihre eigene Unsicherheit zu verstecken, verursacht sie genau das bei anderen: Unsicherheit und damit Macht für sich selbst.
Oder jemand wurde als Kind selbst manipuliert – und weiß es nicht besser. In manchen Fällen leiden die Täter oder Täterinnen auch unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Das bedeutet, er oder sie hat ein extremes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Bewunderung und zeigt eine Vorliebe für zwischenmenschliche Ausbeutung, leider ohne Rücksicht auf Verluste.
Welche Auswirkungen und Folgen hat „Gaslighting?
Man wird nicht geschlagen oder bedroht, dennoch handelt es sich bei „Gaslighting“ um eine Form von psychischer Gewalt. Die permanenten Zweifel an der eigenen Realität können schwerwiegende Folgen haben: ein geringes Selbstwertgefühl, mangelnde Lebensfreude, schwere Depressionen, Angststörungen und sogar Selbstmordgedanken.
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Wie kann man sich gegen Gaslighting wehren?
Es braucht Mut, Einsicht und Unterstützung, um sich einem „Gaslighter“ zu entziehen – und seine emotionale, körperliche und geistige Gesundheit zurückzugewinnen.
- Der wichtigste Schritt: Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl! „Wenn du es fühlst, ist es echt!“ ist ein wahrer Satz. Lassen Sie sich nicht sagen, dass Sie „zu sensibel“ seien oder „sich anstellen“ würden – jemand anderes sollte nicht darüber bestimmen, wie es Ihnen geht.
- Bleiben Sie bei Ihrer Realität, schreiben Sie diese auf und erzählen Sie Freunden davon. So können Sie darauf zurückgreifen, wenn das nächste Mal Wahrheiten verdreht werden.
- Behalten Sie Ihr Netzwerk oder schaffen Sie sich eines. (Freunde, die nur Sie haben, ein Therapeut oder Familienmitglieder).
- Auch wenn man den Gaslighter liebt, ist der einzige Weg, einer manipulativen Beziehung zu entkommen, oftmals die Beziehung zu beenden.
Und wie ging es bei Maria weiter? Sie hatte die Kraft, ihren Mann zu verlassen, als er für längere Zeit ins Krankenhaus musste: „Ohne Tom lief es auf einmal besser mit meiner Tochter und mir. Da packte ich unsere Sachen.“ Dank einer Therapeutin erfuhr sie von „Gaslighting“ und was der Begriff bedeutet.
„Diese Erleichterung, zu erfahren, dass es nicht an mir lag, hat eine Zentnerschwere Last von mir genommen“, sagt Maria. „Es hat Jahre gebraucht, bis ich wieder an mich und meine Instinkte glauben konnte. Und ich weiß jetzt endlich wieder, dass ich es wert bin, geliebt zu werden.“
Hilfe bei „Gaslighting“: Anlaufstellen
Oft ist es leichter gesagt, als getan, sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen. Erst recht, wenn es niemanden gibt, dem man sich anvertrauen kann. Dann stehen bundesweit eine Vielzahl an qualifizierten Stellen zur Verfügung, an die sich Betroffene – auch anonym – wenden können.
- Der krisenchat.de ist ein bundesweites, ehrenamtliches und kostenloses Hilfsangebot für Kinder und junge Erwachsene in Not. Das Angebot bietet Kindern und Jugendlichen professionelle Hilfe – jeden Tag, 24 Stunden, per WhatsApp.
- Sind da am Telefon, per Chat oder auch vor Ort: die Telefonseelsorge. Weitere Infos: telefonseelsorge.de
- Auch der Weiße Ring e.V. hat ein Opfer-Telefon. Sprechzeiten, Online-Angebote und persönliche Beratungsinfos finden sich unter: weisser-ring.de
- Unter frauen-info-netz.de ist eine Übersicht landesweiter Frauenhäuser aufgelistet.
- Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist sieben Tage die Woche erreichbar unter 116 016.
- Für Kinder steht die „Nummer gegen Kummer“ unter 116 111 zur Verfügung.
- Das Hilfetelefon „Gewalt an Männern” ist in der Woche an bestimmten Sprechzeiten unter der 0800/1239900 zu erreichen.
* Name von der Redaktion auf Wunsch geändert