Eine Frau mit einem Pflegebedürftigen auf dem Markt vor einem Blumenstand
Pflege

Selbstständig im Alter: Eigenständig zu Hause und unterwegs

Lesedauer unter 7 Minuten

Redaktion

  • Prof. Dr. Frank Weidner (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung Köln)
  • Christina Weber (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung Köln)

Qualitätssicherung

  • Juliane Diekmann (Diplom-Pflegewissenschaftlerin, Barmer Pflegekasse)

Präventive Hausbesuche können die Lebensqualität von Seniorinnen und Senioren, die noch nicht pflegebedürftig sind, entscheidend fördern. Wer bietet solche Angebote an? Was genau passiert während eines solchen Besuchs? Wo können sich Interessierte über die bislang noch nicht in allen Bundesländern verfügbaren Angebote informieren?

Im Alter kann die Selbstständigkeit abnehmen

Der demografische Wandel zeigt: Die Menschen in unserem Kulturkreis werden immer älter. Manche Personen nehmen früher, andere später Einschränkungen im Alltag wahr, z. B. in der Mobilität, der Gedächtnisleistung, der Körperkraft oder der sozialen Teilhabe.

Dies kann einerseits Resultat eintretender Erkrankungen sein, andererseits bedingt sein durch den normalen biologischen Alterungsprozess. Die meisten Menschen möchten auch im hohen Alter möglichst lange glücklich, selbstbestimmt und eigenständig in ihrem eigenen Zuhause leben und ihren Alltag bewältigen können. Dabei können präventive Hausbesuche unterstützen.

Selbstständig zu Hause: Angebot für Senioren

Einfluss auf diese Ziele nehmen sowohl individuelle Faktoren wie das eigene gesundheitsfördernde Verhalten und entsprechende Kenntnisse darüber als auch infrastrukturelle Gegebenheiten im Wohnumfeld älterer Menschen. All das kann die Lebensqualität Betroffener einschränken.

Seit 20 Jahren beschäftigt sich das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) aus Köln im Rahmen verschiedener Projekte bundesweit mit dem Thema „Präventive Hausbesuche“. Zu den Projekten zählen u.a. „Pflegeoptimierung Siegen-Wittgenstein“ (POP-SiWi) und „Präventives Alltagskompetenztraining“ (PAKT) in Nordrhein-Westfalen, „Prävention für Senioren Zuhause“ (PräSenZ) in Baden-Württemberg sowie „Gemeindeschwester plus“ in Rheinland-Pfalz.

Präventive Hausbesuche sind ein freiwilliges, präventives und gesundheitsförderndes Angebot für Seniorinnen und Senioren in ihrem eigenen Zuhause. Die übergeordneten Ziele dabei sind, die Gesundheit zu erhalten und zu verbessern. Im Fokus stehen Information und Beratung auf Basis zuvor erfasster individueller Bedarfe.

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Selbstständige Lebensführung im Alter: Präventive Hausbesuche

Insgesamt gibt es eine Vielfalt an konzeptionellen Ansätzen. Unterschiede bestehen zum einen in den genauen Zielen, den Inhalten und Maßnahmen sowie dem zeitlichen Umfang des Angebots. Des Weiteren bestehen Unterschiede im Anbieter, z. B. Kommune oder Wohlfahrtsverband, und in der Qualifikation der Besuchenden, z. B. Pflegefachpersonen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder Ärztinnen und Ärzte. Auch gilt das präventive Hausbesuchsangebot teilweise nur für Personen in einer bestimmten Altersspanne oder für bestimmte Seniorengruppen wie pflegende Angehörige.

Präventive Hausbesuchsangebote in Projekten des DIP richten sich an Seniorinnen und Senioren im Vor- und Umfeld von Pflegebedürftigkeit mit dem Ziel, die Gesundheit und selbstständige Lebensführung im Alter im eigenen Zuhause sowie soziale Teilhabe so lange und so umfassend wie möglich zu fördern und zu erhalten.

Aufgrund einer Vielzahl an einflussnehmenden Faktoren wird die Gesundheits- und Lebenssituation des älteren Menschen umfassend und zu verschiedenen Themen betrachtet. Dabei steht insbesondere das Wohnumfeld mit im Fokus.

Diese präventiven Hausbesuchsangebote können als sozialraumorientierte Maßnahmen verstanden werden. Die Basis bildet eine strukturierte, umfassende und gemeinsame Einschätzung der Gesundheits- und Lebenssituation durch professionell und eigens weiterqualifizierte Personen, wie Pflegefachpersonen oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, um die individuellen Bedarfe und Ressourcen des älteren Menschen zu identifizieren.

Dabei werden beispielsweise Fragen zur Ernährung und Beweglichkeit, zu Erkrankungen, Arztbesuchen, Aufgaben im Haushalt oder zu Hobbys und sozialen Kontakten gestellt. Zudem erlauben die Besuche Einblicke in die Wohnsituation.

Darauf aufbauend werden bedarfs- und ressourcenorientierte individuelle Beratungen angeboten, z. B.--zum Beispiel zu lokal verfügbaren Angeboten oder zum Packen einer Notfalltasche sowie zum Teil weitere Unterstützungen und direkte Vermittlungen an entsprechende Dienste. Je nach Bedarf sind mehrere Kontakte in der eigenen Häuslichkeit möglich.

In den Projekten PräSenZ, POP-SiWi und Gemeindeschwester plus, in denen die Hausbesuche von der Kommune angeboten wurden, wurden die gewonnenen Erfahrungen und Informationen zugleich für die künftige Infrastrukturentwicklung der Region genutzt. So wurden in einer Region beispielsweise mehr Sitzbänke aufgestellt.

Außerdem wurde deutlich, dass einige erkannte Bedarfe der Seniorinnen und Senioren nicht direkt über Information und Beratung beantwortet werden konnten, denn passende Angebote standen häufig nicht wohnortnah oder nur eingeschränkt zur Verfügung.

Im Projekt PAKT wurde deshalb von Beginn an systematisch vorgesehen, dass die besuchenden Fachkräfte zusätzlich zu Beratungen auch individuelle Schulungen und Trainings in der Häuslichkeit sowie selbst Gruppenangebote im Wohnumfeld initiieren und in regelmäßigen Abständen anbieten konnten.

Dazu wurden sie zuvor zu bestimmten Themen geschult, um über die notwendigen Kompetenzen zu verfügen. Die Entstehung von Doppelstrukturen wurde und wird dabei in den verschiedenen Projekten und Regionen stets vermieden.

Über 10.000 Hausbesuche geben Menschen zwischen 60 und 90 Tipps und Hilfe

Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus den bisherigen Projekten sind eindrucksvoll. Insgesamt wurden über 10.000 Hausbesuche in Anspruch genommen. Das Alter der Teilnehmenden lag zwischen Mitte 60 und über 90 Jahren.

Bei einer Vielzahl der Teilnehmenden handelte es sich um Alleinlebende. Die Rückmeldungen der Seniorinnen und Senioren waren überwiegend positiv. Die Wichtigkeit solcher Angebote wurde immer wieder betont. Das Angebot präventiver Hausbesuche kann als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden werden.

Es ist eine Investition in die Zukunft. Allein die zu Beginn sehr umfänglichen Betrachtungen der Gesundheits- und Lebenssituation wertschätzten die Betroffenen sehr. Zudem wurde den älteren Menschen bewusst, welche Risikofaktoren und Ressourcen selbstständiges Leben im Alter beeinflussen, wie sie selbst ihre Gesundheit erhalten und stärken können, welche Angebote es in der Umgebung im Fall bestimmter Einschränkungen gibt und wie Veränderungen im eigenen Zuhause zu Erleichterungen beitragen können.

Einige Menschen denken über ihre Lebenssituation und Risikofaktoren im Alter erst nach, wenn Einschränkungen bereits eingetreten sind, andere verdrängen eine Auseinandersetzung mit diesem Thema sogar bewusst. Wieder anderen Personen mangelt es an Wissen zu entsprechenden Beratungsstellen und Angeboten in der Umgebung oder deren Erreichbarkeit ist mit viel Aufwand verbunden. Auch fehlt beispielsweise Betroffenen aufgrund längerer sozialer Isoliertheit der Mut, Angebote aufzusuchen, oder sie können das Haus aufgrund bestehender Pflege eines Angehörigen nur selten verlassen.

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Ältere Menschen reagieren positiv auf Beratung in gewohnter Umgebung 

Im Rahmen der präventiven Hausbesuche kommen die Beratenden zu den älteren Menschen in deren gewohnte Umgebung nach Hause. Das bewerteten die Seniorinnen und Senioren positiv und berichteten über einen Informationszuwachs, den Gewinn einer Ansprechpartnerin, den Erhalt und Zugewinn von Beweglichkeit, kognitiven Fähigkeiten, Sicherheit sowie sozialer Teilhabe und/oder Entlastungen im Alltag.

Einen großen Beitrag leistete dabei die aufgebaute Vertrauensbasis und Beziehung aufgrund wiederholter Kontakte zu den Seniorinnen und Senioren. Die gewonnenen Erkenntnisse, erfahrene Unterstützung und daraus resultierenden Aspekte des Nutzens zeigten auch insoweit ihre Wirkung, dass geäußert wurde, nun optimistischer und entspannter in die Zukunft blicken zu können, wieder Lebensmut, Lebensfreude, Hoffnung sowie Ziele zu haben. Diese Äußerungen des sorgloseren Lebens im Alter und des subjektiven Wohlbefindens sind zentrale Merkmale von Lebensqualität.

Selbstständigkeit im Alter erhalten: Die Hilfe zur Selbsthilfe soll kontinuierlich ausgebaut werden

Präventive Hausbesuche werden derzeit noch nicht flächendeckend in Deutschland angeboten. Sie gelten nicht als Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dabei wurde bereits 2015 im Rahmen des Präventionsgesetzes der Bundesregierung die Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung für die ältere Bevölkerung betont.

Die Bundesregierung hat nun im Koalitionsvertrag festgehalten, mit Mitteln des Präventionsgesetzes präventive Hausbesuche für die ältere Bevölkerung zu fördern. Chancen ergeben sich hieraus vor allem im Hinblick auf die sozialraumorientierten Angebote für Kommunen als Anbieter im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge.

Wer kann zur Selbstständigkeit im Alter helfen?

Seniorinnen und Senioren, die sich für präventive Hausbesuche interessieren, sollten in ihrer Region Augen und Ohren offen halten. Vielfach werden diese Angebote in Zeitungen oder Kirchenblättchen aktiv beworben, Flyer liegen in Apotheken, Geschäftsstellen der Kirchengemeinden oder in Arztpraxen aus.

Je nach regionalem Angebot können Informationen von der Kommune auch direkt zu den Seniorinnen und Senioren nach Hause geschickt werden. Interessierte können sich bei der Stadtverwaltung, ambulanten Pflegediensten oder Gesundheitszentren in ihrer Nähe ebenfalls nach solch einem Angebot erkundigen.

Um entscheiden zu können, ob das jeweilige Angebot zu einem passt, ist es wichtig, sich über die genaue Zielgruppe sowie die angebotenen Maßnahmen und Ziele zu informieren.

Die präventiven Hausbesuche in Baden-Württemberg, die der Gemeindeschwestern plus in Rheinland-Pfalz sowie das Angebot aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen werden weiterhin von den Kommunen angeboten. Die Besuche sind kostenlos.

In Rheinland-Pfalz werden die Besuche nach und nach auf weitere Kommunen ausgeweitet und sollen auf lange Sicht im gesamten Bundesland angeboten werden. Finanziert wird das Konzept über Mittel des Landes sowie Gelder der dort vertretenen Krankenkassen und Krankenkassenverbände.

Auch Hamburg hat jetzt in seinem Landesgesetz festgelegt, aufsuchende präventive Hausbesuche für Seniorinnen und Senioren kostenlos anzubieten. Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) unterstützt derzeit dabei, Grundlagen des Angebots zu entwickeln und die Umsetzung mitzuorganisieren. Ziel ist, das Angebot auf die gesamte Hansestadt auszudehnen.

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