Hohe Temperaturen stellen die menschliche Physis auf eine Belastungsprobe, die zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen kann. Was aber geschieht mit unserer mentalen Verfassung, wenn das Thermometer sich jenseits der 30-Grad-Celsius-Marke befindet? Wie der Körper, so leidet auch der Geist unter den Wetterextremen. Wir erklären, warum das so ist.
Ende Mai 2024 wurden in Mungeshpur, einem Vorort der indischen Metropole Dehli, 52,3 Grad Celsius gemessen. Die höchste Temperatur, die je im bevölkerungsreichsten Land der Erde registriert wurde. Von diesen Werten ist Mitteleuropa zwar weit entfernt, doch auch hier wird es zunehmend wärmer. Im Jahr 2023 war mit einer mittleren Jahrestemperatur von 10,6 Grad das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Die steigenden Temperaturen sind für die körperliche Gesundheit der Bevölkerung keine gute Nachricht. Bereits ab 26 Grad Celsius muss der Körper zusätzliche Wärme über die Haut abgeben. Er weitet die Gefäße, erhöht die Pumpleistung des Herzens und beginnt zu schwitzen. Dank des Verdunstungseffektes kühlt er sich ab. Dabei wird das Herz stärker beansprucht als üblich, was auf Dauer zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Hitzekollaps, Dehydration oder Hitzschlag sind mögliche fatale Folgen. Mit jedem Grad Temperaturanstieg prognostizieren Forscherinnen und Forscher ein bis sechs Prozent mehr Hitzetote. Das wären bis Mitte dieses Jahrhunderts mehr als 5000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr in Deutschland.
Hohe Temperaturen sind direkte Bedrohung für Psyche
Wenn Hitze bereits für den Körper eine Herausforderung ist, wie verhält es sich dann eigentlich mit der Psyche? „Extremtemperaturen stellen eine direkte Bedrohung für die mentale Gesundheit der Menschen dar“, sagt BARMER-Psychologin Andrea Jakob-Pannier. „Psychische Symptome können durch hohe Temperaturen verschlimmert werden oder gar neu auftreten. Studien haben ergeben, dass während Hitzewellen psychiatrische Notdienste weit häufiger genutzt werden als üblich. Zudem steigt die Selbstmordrate, die Risiken für das Neuauftreten oder die Symptomverschlechterung von Stimmungs- und Angststörungen sowie psychotischen und demenziellen Erkrankungen nehmen zu.“ In den meisten Fällen wirkt Hitze hier als exogener Stressor, also als ein äußerer Reiz, der die Psyche in Alarmbereitschaft versetzt. Der Körper produziert vermehrt das Stresshormon Cortisol. Ausgeschüttet über einen längeren Zeitraum, kann die Cortisol-Produktion eine Reihe nachteiliger Auswirkungen auf die Psyche haben. Hohe Temperaturen sind also Trigger für psychische Erkrankungen wie Angststörungen und können Auslöser von Depressionen sein. Zudem erhöhen sie das Potenzial für zwischenmenschliche Aggressionen in Form von gereiztem und gewalttätigem Verhalten, da die Fähigkeit der Selbstkontrolle durch den Hitzestress sinkt. Das Fazit der BARMER-Psychologin: „Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, tun gut daran, sich im Vorfeld von Hitzewellen professionell beraten zu lassen, um sich bestmöglich auf die zu erwartende Extremsituation einstellen zu können“.
Mehr Hitzetage erwartet
Dabei muss es nicht das mentale Extrem sein, dass durch den Klimawandel einen Schub erfährt. Tropische Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius fällt, können einen Dominoeffekt auslösen, wie Jakob-Pannier weiß. „Eine über einen längeren Zeitraum anhaltend schlechte Schlafqualität kann zu psychischen Problemen führen. Bei Temperaturen von über 22 Grad Celsius im Schlafzimmer steigt die Wahrscheinlichkeit für einen kürzeren und in der Folge qualitativ minderwertigeren Schlaf, der auf Dauer zu Schlafstörungen führen kann. Diese wiederum sind ein möglicher Nährboden und Verstärker für psychische Störungen. Zudem ist Schlafmangel eine Ursache für Wut und Aggression.“ Beunruhigende Aussichten, gerade wenn man bedenkt, dass die Zahl der Hitzetage, also Tage an denen das Thermometer tagsüber 30 Grad Celsius übersteigt, bei einem weltweit ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Ende des Jahrhunderts von aktuell 20 auf dann kaum vorstellbare 80 steigen würde.
Wie kann ich mich schützen?
Bleiben Sie im Schatten, trinken Sie ausreichend Wasser und vermeiden Sie körperliche Anstrengungen.
Sowohl Sport als auch Alkoholkonsum erhöhen das Risiko der Dehydration und sind an heißen Tagen besser zu meiden. Wer unbedingt Sport treiben möchte, legt die Übungszeiten am besten in die frühen Morgenstunden, wo die Temperaturen noch erträglich sind.
Sie nehmen Medikamente? Besprechen Sie mit ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt was Sie an heißen Tagen hinsichtlich Ihrer Medikation beachten sollten und ob eine Anpassung der Dosis nötig sein könnte.
Klären Sie mit Ihrer Psychotherapeutin oder ihrem Psychotherapeuten an wen Sie sich wenden können, so Sie während der Extremwetterlage in eine psychische Notlage geraten sollten.