Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer:
Die Spiegeltherapie ist eine Behandlungsform, die beispielsweise bei Menschen mit chronischen Schmerzen, einer halbseitigen Lähmung nach einem Schlaganfall oder auch bei Phantomschmerzen nach Amputationen eingesetzt wird. Diese Form der Imaginationstherapie nutzt die eigene Vorstellungskraft und arbeitet mit einer optischen Täuschung. Ziel ist es, Bewegungsabläufe neu zu lernen oder Schmerzen zu lindern. Die Patienten werden dabei so vor einen Spiegel gesetzt, dass sie nur ihren gesunden Arm oder ihr gesundes Bein sehen können. Das Hauptaugenmerk der Therapie liegt also nicht auf dem „kranken“ oder gar amputierten Körperteil, sondern arbeitet mit dem gesunden. So führen beispielsweise Patienten mit ihrem gesunden Arm Greifbewegungen oder andere Übungen aus und verfolgen sie aufmerksam im Spiegel. Auf diese Weise entsteht für sie der Eindruck, ihr beeinträchtigter Arm sei vollkommen intakt. Studien zeigen, dass diese Form der Rehabilitationstherapie helfen kann, die Bewegungsfähigkeit wieder zu verbessern und beispielsweise Phantomschmerzen nach einer Amputation zu verringern. Die genauen Wirkmechanismen der Spiegeltherapie sind noch nicht endgültig geklärt. Eine große Bedeutung scheinen aber die sogenannten Spiegelneurone im Gehirn zu haben, die durch die Illusion anregt werden. Dabei handelt es sich um spezielle Verbindungen zwischen Nervenzellen in definierten Hirnregionen, die dafür sorgen, dass man Gesehenes ähnlich empfindet und verarbeitet, als wäre es einem selbst wirklich geschehen. Spiegelneurone sind beispielsweise dafür verantwortlich, dass Gähnen und Lachen ansteckend wirken. Im Rahmen der Spiegeltherapie helfen die Spiegelneurone, die Bewegungsmuster des gesunden Arms neu abzuspeichern und damit die Beweglichkeit des eingeschränkten Arms zu erhöhen.