Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer GEK:
Der sogenannte Eid des Hippokrates ist ein etwa 2.000 Jahre alter Text, benannt nach dem griechischen Arzt Hippokrates von Kos. Seine Autorenschaft ist allerdings nicht eindeutig belegt. Der Eid gilt als erste bindende Formulierung der ärztlichen Ethik.
Er befasst sich mit verschiedenen Themen, die teilweise auch heute noch in der Medizinethik eine Rolle spielen. Den hippokratischen Eid in seiner ursprünglichen Form muss heute allerdings kein angehender Mediziner mehr leisten. Er ist auch nicht rechtswirksam. Heute wird jeder Arzt, der in Deutschland seine Approbation erhält, auf die Berufsordnung der Ärztekammer verpflichtet. Diese enthält unter anderem das „Genfer Gelöbnis“, eine modernisierte Form des alten Schwurs. Diese ausdrückliche Verpflichtung zu ethischem ärztlichen Handeln wird von einigen Hochschulen in zentralen Feierstunden besonders herausgestellt.
Dennoch enthält der hippokratische Eid einige moralische und ethische Aspekte, die heute noch modern sind. Dazu gehört beispielsweise das Gebot, den Kranken nicht zu schaden und Medikamente zum Patientennutzen zu verschreiben. Auch die ärztliche Schweigepflicht, heute noch eine wichtige Säule im Arzt-Patienten-Verhältnis, findet ihren Ursprung in dem Text, ebenso wie das Verbot zu sexuellen Kontakten zu den Patienten. Über diese heute noch aktuellen Aspekte hinaus enthält der Text allerdings auch Abschnitte, die mehr von Belang sind. Dazu gehört die Anrufung griechischer Götter als Zeugen oder die Verpflichtung, seinen Lehrer finanziell gut zu versorgen. Als Verhaltensregeln enthält der Codex auch Punkte, die heute weiter umstritten sind: Patienten sollten, auch auf Verlangen, keine tödlichen Mittel verabreicht bekommen und auch Schwangerschaftsabbrüche waren verboten.