Wenig Aufwand, großer Erfolg? Mit Zeitersparnis und Effizienz werben Fitnessstudios für eine neue, sprichwörtlich „reizvolle“ Methode. Das sogenannte EMS-Training (Elektrostimulationstraining) macht Anwender angeblich in gerade einmal 20 Minuten schlanker, fitter und muskulöser. Doch die Methode ist umstritten.
Es klingt zu schön um wahr zu sein: Muskeln aufbauen ohne stundenlang in der Muckibude zu trainieren. Das Zauberwort lautet EMS. Die Abkürzung steht für Elektromyostimulation, eine Trainingsmethode, bei der die Muskulatur durch Elektroden stimuliert wird. Damit das funktioniert, legt der Trainierende einen hautengen Funktionsanzug, eine verkabelte Weste, einen Hüftgurt sowie Manschetten an den Oberarmen und Oberschenkeln an. Bevor das Training beginnt, werden die Elektroden im Funktionsanzug mit lauwarmen Wasser besprüht, so dass der Strom besser geleitet wird. Sobald der Reizstrom fließt, heißt es für den Trainierenden: einige Sekunden lang kräftig die Muskeln anspannen. Die Intensität der Stromzufuhr reguliert der Trainer für jede Muskelgruppe unterschiedlich.
Richtig neu ist dieses Prinzip nicht. „Physiotherapeuten und Ärzte setzen die äußere Stromzufuhr seit den 1970er Jahren ein, um beispielsweise nach einer Knie-Verletzung gezielt wieder Muskeln aufzubauen und dabei das operierte Gelenk zu schonen“, sagt Klaus Möhlendick, Diplom-Sportwissenschaftler bei der Barmer. Auch im Spitzensport gehört EMS seit Jahren zum Trainingsalltag. Allerdings lediglich als Ergänzung zum regulären Konditions-Training, ein wesentlicher Punkt, der nach Ansicht von Kritikern in der aktuellen Euphorie für EMS viel zu kurz kommt. Und auch Möhlendick warnt vor zu viel Begeisterung. „Gerade für Berufstätige, die ohnehin wenig Zeit haben, klingt es verlockend, in nur 20 Minuten pro Woche in Form zu kommen oder zu bleiben. Doch EMS ist nur ein intensives Muskeltraining, das aufgrund der hohen muskulären Belastung auch tatsächlich nur ein- bis zweimal wöchentlich absolviert werden sollte. Um gesundheitlich von Sport zu profitieren, führt an einem moderaten Ausdauertraining kein Weg vorbei.“
Nur mit geschultem Personal
Doch auch als ergänzendes Training sollte EMS ausschließlich unter der Anleitung eines Experten durchgeführt werden. Deshalb sollten Interessierte bereits bei der Auswahl eines EMS-Studios unbedingt darauf achten, dass dort speziell geschultes Personal wie beispielsweise Sportlehrer oder Physiotherapeuten mit einer entsprechenden EMS-Qualifikation arbeiten. Denn falsch angewendet, kann es nachweislich zu Schäden an Muskeln und Nieren führen. „Das Problem ist eine erhöhte Ausschüttung der Creatin-Kinase (CK), ein Abfallprodukt, das bei übermäßiger Muskelanstrengung entsteht und über die Nieren abgebaut wird”, erklärt Möhlendick. Wissenschaftler der Sporthochschule Köln haben herausgefunden, dass der Anstieg der CK beim EMS-Training bis zu 18-mal höher ist als beim herkömmlichen Training. Diese Extremwerte können in Einzelfällen zu Nierenschädigungen führen. Wer also nach dem Training Schmerzen, Herzrasen oder ein Schwächegefühl verspürt, sollte einen Arzt aufsuchen. Ungeeignet ist EMS-Training für Schwangere, Menschen mit Herzschrittmachern, Implantaten, Epilepsie, Sensibilitätsstörungen, zum Beispiel als Folge eines Diabetes, Spastiken oder Hautproblemen.