Forderungen zur Bundestagswahl 2025

„Es besteht Handlungsbedarf“ – Prof. Dr. Christoph Straub im Interview

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Berlin, 07.01.2025 – In wenigen Wochen finden vorgezogene Wahlen zum Deutschen Bundestag statt. Auf die neue Bundesregierung warten außergewöhnliche Herausforderungen – dies trifft auch auf den Gesundheitsbereich zu. Punktuelle Eingriffe reichen nicht mehr aus, so Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. Notwendig für eine starke Gesundheitsversorgung sind strukturelle Reformen und die finanzielle Stabilisierung von Kranken- und Pflegeversicherung, um auch die Akzeptanz für das beitragsfinanzierte System nicht zu gefährden. Die Barmer legt heute ihre Forderungen zur Gesundheitspolitik vor.

Herr Prof. Straub, wie beurteilen Sie die gesundheitspolitischen Entscheidungen der bisherigen Bundesregierung?
Die Bilanz ist gemischt: Die Gesetzgebung im Bereich der Digitalisierung war wichtig, die Digitalisierung muss auch weiter beschleunigt werden. Die elektronische Patientenakte nimmt in Zukunft eine Schlüsselrolle ein, meine Hoffnung ist, dass die ePA schnell breit genutzt wird und dazu beiträgt, die Prozesse im Gesundheitswesen für alle spürbar zu verbessern. Selbstverständlich müssen aber alle Bedenken, die die Sicherheit der Daten betreffen, ausgeräumt sein.

Die in letzter Minute noch beschlossene Krankenhausreform führt zu massiven finanziellen Belastungen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, ohne dass sich die Strukturen verbessern werden. Während des sehr langen und konfliktreichen Aushandlungsprozesses zwischen Bund und Ländern wurden letztlich zu viele Abstriche bei den Qualitätsstandards gemacht. Qualität ist nicht verhandelbar, das geht zu Lasten der Patientensicherheit. Aber diese Reform zeigt auch ein viel grundlegenderes Problem im Gesundheitswesen.

Worauf wollen Sie damit hinaus?
Es besteht dringender Handlungsbedarf, doch bleiben viele Reformen im Ansatz stecken. Dabei liegen die Konzepte ja auf dem Tisch. Wenn wir auch weiterhin eine funktionierende und bezahlbare Versorgung auf hohem Niveau anbieten wollen, dann muss das Gesundheitssystem effizienter werden. Wir wissen seit langem von den großen Herausforderungen wie einer älter werdenden Bevölkerung, knapper werdender Personalressourcen und steigender Kosten für innovative Therapien und Behandlungsmethoden. Wichtig ist deshalb, die Versorgung endlich auch strukturell anzupassen. Damit meine ich mehr digitale Vernetzung, mehr Kooperation und mehr Interprofessionalität. Dafür sollten wir neue Wege gehen, über die Sektoren- und Ländergrenzen hinweg. Ohne den politischen Willen von Bund und Ländern wird es nicht gehen.

Der finanzielle Druck auf die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung ist zuletzt stark gestiegen. Was erwarten Sie von der kommenden Bundesregierung zur Stabilisierung der Finanzen?
Die hohen finanziellen Belastungen der beiden Systeme sind auch ein Ergebnis der teuren Gesetzgebung der letzten Jahre. Wir müssen uns an das Prinzip halten, nur so viel Geld auszugeben, wie auch vorhanden ist. Darüber hinaus übernehmen Kranken- und Pflegeversicherung zunehmend Kosten, die eigentlich aus Steuergeldern finanziert werden müssten – dies ist eine Zweckentfremdung von Beitragsmitteln für staatliche Aufgaben. Die nächste Bundesregierung muss das rückgängig machen.

Dringend notwendig für eine stabile Finanzgrundlage ist auch eine umfassende Weiterentwicklung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs, damit Krankenkassen die für die Versorgung ihrer Versicherten notwendigen Finanzmittel zugewiesen bekommen. Derzeit führt der Kassenfinanzausgleich vor allem zu einer strukturellen Benachteiligung von Krankenkassen mit einem hohen Versorgungsbedarf.

In den letzten Jahren ist ein verstärkter Trend zu staatlichen Eingriffen in das selbstverwaltete System zu beobachten. Sehen Sie seine Unabhängigkeit gefährdet?
Das selbstverwaltete Gesundheitssystem hat den Auftrag, die gesetzlichen Regelungen im Bereich der Gesundheitsversorgung umzusetzen, es ist dafür gut aufgestellt. Eingriffe in die finanzielle Autonomie der gesetzlichen Krankenversicherung schaden dem System genauso wie fachliche Einmischung, die über die gesetzlich geregelte Rechtsaufsicht hinausgehen. Wir sollten die Unabhängigkeit der Selbstverwaltung erhalten, damit das Gesundheitssystem seine Stärken ausspielen kann. Die liegen meiner Meinung nach gerade darin, dass Entscheidungen über die Versorgung der Patientinnen und Patienten frei von politischem Einfluss gefällt werden.
 

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