In einem aktuellen Gutachten vertritt der Staatsrechtler und ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio die Auffassung, dass die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Notfallrettung beim Bund liegt. Im Rahmen der aktuellen Debatte um eine Reform der Notfallversorgung setzt das Gutachten ein wichtiges Signal. Laut Di Fabio ist eine bundesweit einheitliche Regelung der rettungsdienstlichen Versorgung im Sozialgesetzbuch V vom Grundgesetz gedeckt. Damit scheint ein integriertes System der Notfallversorgung unter Einbeziehung des Rettungsdienstes möglich.
Berlin, 07.08.2024 – Eine Neuordnung des Rettungsdienstes ist im geplanten Notfallgesetz, das das Bundesgesundheitsministerium im Juni vorgelegt hat, bislang nicht enthalten. Dabei ist unbestritten, dass zu einem integrierten System der Notfallversorgung eine enge Vernetzung aller Beteiligten gehört: also neben dem vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst und den Notaufnahmen der Krankenhäuser auch der Rettungsdienst. So findet sich die Forderung nach bundeseinheitlichen Qualitätsstandards für den Rettungsdienst und die dafür notwendige Integration des Rettungsdienstes in das Sozialgesetzbuch V nicht nur in den Empfehlungen zur Reform der Notfallversorgung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung, sondern auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung.
Der Bund verfügt über Gesetzgebungskompetenz für Notfallrettung
Weil die Gesetzgebungskompetenz für den Rettungsdienst bisher bei den Ländern verortet wird, ist bereits in der letzten Legislaturperiode der Versuch einer Reform gescheitert. Mit seinem Gutachten legt Di Fabio jetzt dar, dass der Bund sehr wohl eine sich aus dem Grundgesetz abgeleitete Regelungskompetenz für die Notfallrettung besitzt. Der Staat sei demnach verpflichtet, ein funktionierendes System des Rettungsdienstes zur Verfügung zu stellen.
Die bisherige Ausgestaltung der Notfallrettung durch die Länder erreiche nicht flächendeckend das Ziel, Leben und Gesundheit der Bürger effektiv zu schützen. Di Fabio kritisiert in diesem Zusammenhang, dass einzelne Länder aus finanziellen Gründen womöglich nicht in ausreichendem Maße für die Qualität der Notfallversorgung Sorge tragen. Durch die Einbindung des Rettungsdienstes in das SGB V könnten – anders als bisher – bundesweit flächendeckende und einheitliche Qualitätsvorgaben in der rettungsdienstlichen Versorgung definiert werden.
Die Integration des Rettungsdienstes in das SGB V schafft Transparenz
Es gibt noch weitere Gründe für die Notwendigkeit der Integration des Rettungsdienstes in das SGB V: Sie schafft Transparenz über den Anspruch der GKV-Versicherten auf medizinische Notfallleistungen. Zudem wird den Krankenkassen die Möglichkeit für die Mitgestaltung und Beteiligung an der Organisation des Rettungsdienstes eröffnet.
Darüber hinaus könnte endlich Klarheit über die Zuständigkeiten für die Finanzierung des Rettungsdienstes hergestellt werden. Der Bundesrechnungshof (BRH) hat schon 2018 empfohlen, die Kosten, die von der GKV für Rettungsdienstleistungen zu tragen sind, von den Ausgaben abzugrenzen, die von den Ländern für die im Rahmen der Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge notwendigen Rettungsdienste zu übernehmen sind. Auch sollen nach Ansicht des BRH die Beteiligungsrechte der Kassen entsprechend ihrer Finanzierungsverantwortung gestaltet werden.