Wie wichtig digitale Daten für die medizinische Versorgung sind, ist in der Corona-Pandemie noch einmal deutlich geworden. Auf dem diesjährigen Versorgungs- und Forschungskongress der Barmer zeigte sich allerdings, dass es dem deutschen Gesundheitswesen Schwierigkeiten bereitet, die umfangreichen Daten zügig für eine bessere Versorgung zu nutzen. Der Zugang zu Gesundheitsdaten muss in Zukunft deutlich erleichtert werden, so die einhellige Meinung, auch um gesundheitspolitische Entscheidungen auf einer evidenzbasierten Grundlage zu erleichtern.
Berlin, 23.09.2021 – Das deutsche Gesundheitswesen hat Nachholbedarf bei der Nutzung und Verknüpfung von Daten. Während der Corona-Pandemie konnten wichtige politische Entscheidungen nur auf Grundlage von Studien aus dem Ausland getroffen werden. Daten zur Effektivität der neuen Impfstoffe kamen aus Ländern wie England, USA und Israel. So konnten Studien mit ambulanten und stationären Daten aus israelischen elektronischen Patientenakten bereits wenige Wochen nach Bewilligung des Datensatzes abgeschlossen und veröffentlicht werden.
Nach Ansicht von Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, verfügt Deutschland im internationalen Vergleich über einen riesigen Schatz an sehr gut standardisierten Gesundheitsdaten, der noch immer nicht systematisch für die Versorgung genutzt werde. Die Datennutzung müsse in Deutschland den europäischen Idealen folgen und gemeinwohl- und nutzenorientiert ausgerichtet sein.
Damit die vorhandenen Daten sinnvoll genutzt werden können, muss laut Straub ein angemessener Regulierungsrahmen gefunden werden. Der Datenschutz müsse es zulassen, eine optimale medizinische Versorgung für die Patientinnen und Patienten zu gestalten. Wichtiges Beispiel dafür ist die elektronische Patientenakte (ePA): Auch die Krankenkassen sollten die ePA-Daten von den Versicherten erhalten können, um eine bessere Versorgung anbieten zu können. Die ePA könne von Ärztinnen und Ärzten nur sinnvoll genutzt werden, wenn die Akte auch vollständig sei, so Straub weiter. Es bestehe aktuell die Gefahr, dass diese lückenhaft bleibe und Ärzte vermeidbare Doppeluntersuchungen trotz ePA weiter durchführen.
Deutsche Daten seien sehr konsistent und von hoher Qualität, so auch Prof. Dr. Jonas Schreyögg, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Anders als in anderen Ländern gebe es jedoch in Deutschland zu hohe administrative Hürden für den Zugang zu diesen Daten und zu ihrer Verknüpfung. Gleichzeitig werde der Datenschutz in Deutschland nicht einheitlich ausgelegt, deshalb fordert Schreyögg ein Forschungsdatengesetz, mit dem die Datenschutzbestimmungen bundesweit harmonisiert werden.
Der Versorgungs- und Forschungskongress der Barmer kann hier vollständig angesehen werden.