Seit Jahren bildet Deutschland eines der Schlusslichter im internationalen Vergleich der Organspenderraten: Auf eine Million Einwohner kommen nur rund 11 Spender. Nun entscheidet der Bundestag in seiner ersten Sitzungswoche im neuen Jahr darüber, welche Maßnahmen zur Erhöhung der Organspenderzahlen ergriffen werden sollen. Es liegen zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe vor: die „Doppelte Widerspruchslösung“ und die „Stärkung der Entscheidungsbereitschaft“. Die Barmer begrüßt die Debatte im Bundestag.
Berlin, 16.01.2020 – Hintergrund der Debatte bilden die seit Jahren niedrigen, stets gesunkenen Zahlen von Organspendern und Organspenden. So lag die Anzahl der Spender im vergangenen Jahr mit 932 auch weiterhin leicht unter dem Vorjahr (2018: 955). Demgegenüber steht ein stetig wachsender Bedarf an Organspenden. Bisher gilt die Entscheidungslösung: Es wird nur derjenige zum Spender, der zu Lebzeiten einer Organspende zugestimmt hat.
Professor Doktor Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, begrüßt die Debatte um mögliche Reformansätze: „Die intensive parlamentarische Diskussion über die Erhöhung der Organspendenbereitschaft ist gesellschaftspolitisch enorm wichtig. Wir brauchen neue Wege und Mittel, um den tausenden Patientinnen und Patienten, die auf lebenswichtige Organe warten, rasch zu helfen“, so Straub. Die langjährigen Aufklärungskampagnen hätten ihr Ziel nicht erreicht. Das Vertrauen der Bevölkerung in das System der Organspende sei nach den Skandalen der Vergangenheit offenbar nachhaltig beschädigt. Es sei wichtig, betonte Straub, dass das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger bei jedweder politischen Entscheidung ausreichend berücksichtigt werde.
Zwei Gesetzentwürfe stehen zur Diskussion
Die sogenannte „Doppelte Widerspruchslösung“ ist bereits Praxis in 20 europäischen Ländern. Ein von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem SPD-Abgeordneten Prof. Dr. Karl Lauterbach eingebrachter Entwurf für eine Neuregelung der Organspende sieht eine Einführung dieses Modells zukünftig auch in Deutschland vor. Gemäß dem Entwurf für eine neu einzuführende Widerspruchslösung gilt jede meldepflichtige Person als Spender, sofern sie sich nicht zu Lebzeiten aktiv dagegen entschieden hat oder ein der Organ- oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille vorliegt. Über die Organspende soll jede Person ab Vollendung des 16. Lebensjahres dreimal innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes informiert werden und auch über diesem Zeitraum hinaus regelmäßig Informationen erhalten. Der Vorschlag für eine Widerspruchslösung ist jedoch gesellschaftlich wie innerhalb der Fraktionen umstritten.
Eine Parlamentariergruppe um Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Katja Kipping (DIE LINKE) vertritt den Gesetzentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft. Bürger sollen künftig über ein Online-Register ihre Entscheidung mitteilen, jederzeit ändern beziehungsweise widerrufen können. Zudem sollen Hausärzte in ihrer Beratungsfunktion gestärkt werden und Bürger zu einer Entscheidung ermutigen.
Bereits Ende 2018 hatte der Bundestag darüber beraten, welche Anpassungen der geltenden Rechtslage notwendig sind, damit sich mehr Menschen als bisher zur Organspende bereit erklären. Im Juni 2019 beriet der Bundestag erstmals über die beiden Gesetzentwürfe und hörte Experten an. Am Donnerstag berät der Bundestag die Entwürfe nun abschließend. Für die Debatte stehen zwei Stunden zur Verfügung. Die Abstimmung erfolgt fraktionsoffen und namentlich.