Berlin, 12.09.2019 – Deutschland benötigt so viel Spenderblut pro Kopf wie kein anderes Land. Allein im Jahr 2017 wurden hierzulande mehr als 3,2 Millionen Blutkonserven eingesetzt. Deutsche Krankenhäuser könnten jedoch rund eine Million Blutkonserven pro Jahr einsparen. Die Voraussetzung dafür ist, Patientinnen und Patienten wie beispielsweise in den Niederlanden konsequent mit einem speziellen Behandlungskonzept zur Stärkung der körpereigenen Blutreserven, dem „Patient Blood Management“ (PBM), auf planbare Operationen vorzubereiten. Zu diesem Schluss kommt der Barmer-Krankenhausreport 2019, den die Krankenkasse am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. „Im Sinne der Patientensicherheit sollten Bluttransfusionen so sparsam wie möglich eingesetzt und das Patient Blood Management bundesweit konsequent umgesetzt werden. Damit werden Patientinnen und Patienten auf Operationen besser vorbereitet, unnötige Blutverluste reduziert und Transfusionen samt ihren Risiken seltener“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Professor Doktor Christoph Straub.
PBM vor allem für Millionen von Anämie-Patienten hilfreich
Helfen kann Patient Blood Management vor allem den Millionen Menschen mit Blutarmut in Deutschland, die einen planbaren operativen Eingriff vor sich haben. Dadurch sollen die Risiken und Nebenwirkungen einer Transfusion vermieden werden. PBM fußt im Wesentlichen auf drei Säulen. Neben der Behandlung von Anämie-Patienten vor einem planbaren Eingriff wird der Blutverlust während eines Klinikaufenthaltes insgesamt reduziert. Dazu wird dem Patienten zum Beispiel zu diagnostischen Zwecken so wenig Blut wie möglich abgenommen. Transfusionen kommen erst bei dringendem Bedarf zum Einsatz. „Andere Staaten wie etwa die Niederlande sind viel weiter bei der Umsetzung des Patient Blood Managements. Es ist Zeit, dass Deutschland nachzieht, weil PBM ein zentraler Schritt für mehr Patientensicherheit ist. Hierzulande nutzen bisher aber nur wenige Kliniken aktiv das PBM“, sagte Professor Doktor Boris Augurzky, Autor des Krankenhausreports und Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Rund 40 Krankenhäuser seien offiziell Mitglied im „Deutschen PBM-Netzwerk“.
Weniger Transfusionen und geringere Sterblichkeit bei Operationen
Um die Effekte des Patient Blood Managements näher zu beleuchten, vergleicht die aktuelle Analyse der Barmer Patientinnen und Patienten mit und ohne Anämie in acht ausgewählten Behandlungen oder Eingriffen über die Jahre 2005 bis 2016 miteinander. Demnach bekämen Anämie-Patientinnen und -Patienten häufiger Bluttransfusionen verabreicht als Personen ohne Blutarmut. So erhielten rund 67 Prozent der Anämie-Betroffenen bei einer Herzkranzgefäß-Operation eine Bluttransfusion, während es bei den Patientinnen und Patienten ohne Anämie nur 49 Prozent waren. Bei Darmkrebsoperationen lag das entsprechende Verhältnis bei 41 zu 27 Prozent. „Planbare Operationen sollten möglichst nur noch nach einer Behandlung der Blutarmut erfolgen. Denn unbehandelt weisen die Betroffenen nicht nur schlechtere Behandlungsergebnisse auf, auch die Sterblichkeitsrate ist bei bestimmten Eingriffen höher“, so Straub mit Blick auf die Ergebnisse des Krankenhausreports. So liege die Sterblichkeitsrate bei Anämie-Patientinnen und -Patienten mit einer Herzkranzgefäß-Operation unmittelbar nach dem Eingriff bei rund vier Prozent. Die entsprechende Rate ohne Anämie betrage nur zwei Prozent.
Deutliche regionale Unterschiede bei Transfusionsquoten
Den Reportergebnissen zufolge gibt es zudem deutliche regionale Unterschiede bei den Transfusionsraten. In Bayern und Baden-Württemberg erhielten zum Beispiel nur 6,1 beziehungsweise 6,3 Prozent der Patientinnen und Patienten bei einer Operation Bluttransfusionen. In anderen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern wurden knapp acht Prozent erreicht. „Über die Gründe dieser regionalen Unterschiede lässt sich nur spekulieren. Womöglich werden jeweils unterschiedlich stark blutsparende Operationstechniken eingesetzt. Ein Grund könnten auch verschiedene Grenzwerte sein, die bestimmen, ab welchem Blutverlust eine Blutkonserve bereits transfundiert wird“, betonte Augurzky. Insgesamt zeige sich aber ein positiver Trend, denn seit dem Jahr 2009 sei in allen Bundesländern ein Rückgang bei Bluttransfusionen zu verzeichnen. Ein Beispiel dafür ist laut dem Krankenhausreport Mecklenburg-Vorpommern. Hier betrug die Transfusionsrate vor zehn Jahren noch zehn Prozent.