Abgeschlossen und in Kraft getreten
Termine Gesetzgebung
01.04.2020 | Inkrafttreten |
13.03.2020 | 2. Durchgang Bundesrat |
13.02.2020 | 2./3. Lesung Bundestag |
18.12.2019 | Anhörung im Gesundheitsausschuss |
12.12.2019 | 1. Lesung Bundestag |
29.11.2019 | 1. Durchgang Bundesrat |
09.10.2019 | Kabinettsbeschluss |
06.05.2019 | Verbändeanhörung Bundesministerium für Gesundheit |
25.03.2019 | Referentenentwurf |
Wesentliche Inhalte des Gesetzes
- Weiterentwicklung des RSA unter anderem
− Einführung einer Regionalkomponente
− Einführung eines Risikopools
− Einführung eines Krankheits-Vollmodells in Verbindung mit einer Manipulationsbremse
− Stärkung von Präventionsanreizen durch den Risikostruktur-Ausgleich (RSA)
− Einführung einer regelmäßigen Evaluation
− Maßnahmen zur Stärkung der Manipulationsresistenz des RSA - Weiterentwicklung der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden
- Fortentwicklung des Organisationsrechts der Krankenkassen: neues Haftungssystem
- Regelungen zu den Strukturen des GKV-Spitzenverbandes
So positioniert sich die Barmer
Anders als noch in der Kabinettsfassung des Gesetzentwurfs geplant, wird die Regionalkomponente im ersten Jahr (2021) noch nicht vollumfänglich, sondern mit einer Finanzwirkung von 75 Prozent umgesetzt. Ab dem Jahr 2022 werden die finanziellen Auswirkungen der Regionalkomponente dann vollständig zum Tragen kommen. Gleichzeitig wurde die ursprünglich in der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) beispielhaft genannte Aufzählung der Preisstruktur medizinischer Leistungen gestrichen. Die Regierungskoalition hatte sich bereits im Vorfeld darauf verständigt, keine angebotsseitigen Variablen in der Regionalkomponente zu berücksichtigen.
Hintergrund der Einführung einer Regionalkomponente ist es, regionale Unterschiede bei den Ausgabenstrukturen und die daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen unter den gesetzlichen Krankenkassen auszugleichen. Auf diese Weise sollen regionale Über- und Unterdeckungen bei Krankenkassen abgebaut und einer weiteren Marktkonzentration in einigen Regionen vorgebeugt werden. Künftig werden hierfür statistisch signifikante regionale Merkmale in den Kassenfinanzausgleich einbezogen. Die Koalition folgt damit Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS), etwa bei der Festlegung der regionalen Merkmale für das Versichertenklassifikationsmodell keine angebotsorientierten Faktoren einzubeziehen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der RSA Über- und Unterversorgung zementiert.
Position der Barmer:
Mit der Einführung einer Regionalkomponente im Morbi-RSA wird eine zentrale Forderung der Barmer umgesetzt. Es wird gewährleistet, dass die Beitragsgelder in Zukunft zielgenauer dort hinfließen, wo sie tatsächlich für die Versorgung der Versicherten benötigt werden. Die Regionalkomponente wird dazu führen, dass die regionalen Unterschiede der Ausgabenstrukturen in der Zuweisungssystematik des Morbi-RSA in Zukunft besser berücksichtigt werden.
Der Morbi-RSA ermittelt die finanziellen Zuweisungen an die Krankenkassen auf Grundlage von 80 der rund 360 Krankheiten. Doch die Risikostruktur der Versicherten soll deutlich besser abgebildet werden, wenn das gesamte Morbiditätsspektrum im RSA berücksichtigt wird. Zu diesem Ergebnis kam der Wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten von 2017, weshalb er empfiehlt, das Klassifikationsmodell des RSA als Vollmodell weiterzuentwickeln, in dem alle Krankheiten berücksichtigt werden.
Das GKV-FKG greift diesen Vorschlag auf: Es sieht den Wegfall der Krankheitsauswahl und die Einführung eines Vollmodells mit allen Krankheiten vor. Durch die Berücksichtigung aller Krankheiten sollen die Zuweisungen an die Krankenkassen genauer werden. Es wird verhindert, dass die Krankenkassen für einzelne Versichertengruppen entweder viel zu hohe oder aber nicht ausreichende Zuweisungen erhalten und damit Anreize für Risikoselektion bestehen. Gleichzeitig soll das RSA-Verfahren dadurch vereinfacht werden, da das aufwendige jährliche Verfahren der Krankheitsauswahl entfällt.
Position der Barmer:
Die Weiterentwicklung des Klassifikationsmodells hin zu einem differenzierten Vollmodell ist sachgerecht. Damit folgt die Bundesregierung der Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats. Wichtig ist dabei, systematisch nach Schweregrad der Krankheiten zu gewichten und hierarchisch abzustufen. Die Diagnosen sollten möglichst über Arzneimittel abgesichert werden.
Das Gesetz sieht die Einführung eines Risikopools vor, mit dem schwerwiegende finanzielle Belastungen von Krankenkassen aufgrund von Hochkostenfällen zeitgleich finanziert werden sollen. Über den Risikopool werden somit hohe Akutkosten einer Erkrankung ausgeglichen, während der Morbi-RSA die krankheitsbedingten Folgekosten in den Zuweisungen abbildet.
So können Behandlungskosten für Patienten, die an besonders seltenen und teuren Krankheiten leiden oder deren Krankheitsverläufe extrem kostenintensiv sind, ausgeglichen werden. Der Gesetzentwurf weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die wachsende Bedeutung von neuen, kostenintensiven Therapien hin.
Die Kabinettsfassung sieht für den Risikopool einen Schwellenwert von 100.000 Euro als dynamisierte Größe vor: Krankenkassen erhalten danach 80 Prozent ihrer Leistungsausgaben, die über diesem Wert liegen, aus dem Gesundheitsfonds erstattet.
Position der Barmer:
Da die Verteilung von Hochkostenfällen zwischen den Krankenkassen nicht gleichmäßig ist, müssen Hochkostenfälle solidarisch durch einen Risikopool ausgeglichen werden. Ein ergänzender Ausgleich ist notwendig, weil die Anzahl der Hochkostenfälle steigt und der Morbi-RSA als statistisches Verfahren nicht jede seltene Konstellation sachgerecht abbilden kann. Wesentliche Gründe hierfür sind der medizinische Fortschritt und vor allem hochpreisige Arzneimittelinnovationen. Schwellenwert und Selbstbehalt sorgen dafür, dass bei den Krankenkassen weiterhin ein Anreiz für wirtschaftliches Handeln bestehen bleibt.
Der Gesetzentwurf sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen Manipulationen am Finanzausgleichssystem verhindert werden sollen. Zentral ist dabei die Einführung einer „Manipulationsbremse“ im RSA-Jahresausgleich:
Manipulationsbremse und Auffälligkeitsprüfung
Die Manipulationsbremse betrachtet alle von den Kassen für den RSA-Jahresausgleich übermittelten Daten und überprüft die Steigerungsraten bei den Morbiditätsgruppen (HMG) auf statistische Auffälligkeiten. Das BAS kann einzelne, durch überproportionale Steigerungsraten auffällig gewordene HMG im Jahresausgleich übergreifend für alle Kassen ausschließen. Der GKV-Spitzenverband kann im Gegenzug dem BAS Morbiditätsgruppen vorschlagen, bei denen ein überdurchschnittlicher Anstieg der Besetzung aus medizinischen (z. B. Epidemien) oder diagnostischen Gründen (neue Verfahren) erfolgt ist. Diese Morbiditätsgruppen werden im Ausschlussverfahren nicht berücksichtigt.
Im Rahmen einer Auffälligkeitsprüfung kann das BAS erweiterte Plausibilitätsprüfungen der gemeldeten RSA-Daten als Einzelfallprüfung vornehmen. Sollte der Verdacht einer Zuweisungssteigerung durch falsche Angaben bestehen und die Geringfügigkeitsschwelle überschritten sein, muss die Kasse innerhalb von drei Monaten eine Stellungnahme und Beweise für die Richtigkeit der Daten vorlegen. Stellt das BAS einen Rechtsverstoß nach Überprüfung weiterer Umstände fest, wird ein Korrekturbetrag ermittelt und eine Strafzahlung festgesetzt.
Weitere Regelungen
Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen haben sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, das ursprünglich vorgesehene Verbot von Diagnosevergütungen im Rahmen von Selektivverträgen zu streichen. Vertragliche Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen, in denen „bestimmte Diagnosen als Voraussetzung für Vergütungen vorgesehen“ werden, sollten laut Kabinettsfassung des Gesetzentwurfs generell verboten und damit sämtliche Umgehungsstrategien in Verträgen unterbunden werden. Die bereits mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) eingeführte Regelung zum Verbot von Diagnosevergütungen sollte neuformuliert und strenger umgesetzt werden. Bereits damals hatte der Gesetzgeber auf Vorwürfe zur Manipulationsanfälligkeit des Morbi-RSA reagiert. In der Aufsichtspraxis wurden allerdings nach wie vor Verträge identifiziert, die über Extra-Vergütungen Kodieranreize setzen könnten, um letztlich finanzielle Mittel aus dem Morbi-RSA zu generieren. Mit der Streichung bleibt es nun bei dem im HHVG geregelten Status quo.
Weiterhin entfällt mit dem Gesetz die bislang geltende Befugnis der Krankenkassen, Vertragsärzte zu Fragen der Wirtschaftlichkeit zu beraten (§ 305a SGB V). Diese Aufgabe werden in Zukunft allein die Kassenärztlichen Vereinigungen wahrnehmen. Hiermit soll eine unzulässige Beratung bezüglich der Vergabe von Diagnosen verhindert werden.
Außerdem wird das BAS damit beauftragt, eine Transparenzstelle für Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung (nach § 73b SGB V) und für Selektivverträge (nach § 140a SGB V) einzurichten. Das Verzeichnis ist öffentlich, es soll Transparenz über die Datenmeldungen schaffen und rechtswidrige Verträge verhindern.
Position der Barmer:
Die bereits im HHVG getroffene Rechtslage ist grundsätzlich sachgerecht, um Diagnosevergütungen in Selektivverträgen zu unterbinden. Jedoch werden die Regelungen von den Aufsichtsbehörden für bundes- und landesweit tätige Krankenkassen teilweise unterschiedlich ausgelegt. Einheitliche und verbindliche Rahmenbedingungen der Aufsichtspraxis sind aber zwingende Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb. Auch wenn das GKV-FKG richtige Anpassungen zur Harmonisierung der Aufsicht vorsieht, reichen die Regelungen bei Weitem nicht aus. Wirksamer wäre eine einheitliche Aufsicht für alle Kassen durch das BAS.
Die im weiteren Maßnahmen des Gesetzes mit denen Manipulationen am Finanzausgleich der Kassen zukünftig verhindert werden sollen, sind zur Flankierung des Vollmodells zwingend. Dies trifft vor allem auf die Manipulationsbremse zu.
Im Kabinettsentwurf war bislang eine verpflichtende Evaluation der Wirkungen des RSA mindestens einmal in vier Jahren vorgesehen. Neu ist, dass die beiden Elemente Regionalkomponente und RSA-Manipulationsbremse einmalig gesondert in zwei Gutachten bereits im Jahr 2023 für das erste Ausgleichsjahr 2021 evaluiert werden sollen.
Der Wissenschaftliche Beirat soll für die Regionalkomponente untersuchen, welche regionalen Merkmale auf Versichertenebene regionale Deckungsbeitragsunterschiede besser erklären würden und welche versichertenbezogenen pseudonymisierten Daten für eine bessere Beurteilung zusätzlich erhoben werden müssten. Für die RSA-Manipulationsbremse sind insbesondere die Wirkungen auf die Manipulationsresistenz, die Zielgenauigkeit des RSA, die Verringerung von Anreizen zur Vermeidung von Risikoselektion und der medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitung zu untersuchen.
Position der Barmer:
Die einmalige gesonderte Evaluation der Regionalkomponente und der RSA-Manipulationsbremse im Jahr 2023 ist sachgerecht. So können die Wirkungen der neuen Elemente bereits im Jahr nach ihrer erstmaligen Umsetzung untersucht werden. Damit kann auf mögliche Fehlwirkungen in der Zuweisungssystematik des Morbi-RSA frühzeitig reagiert werden.
Der Gesetzentwurf regelt den Wegfall der Erwerbsminderungsrente als Kriterium für Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Noch der Referentenentwurf des GKV-FKG sah vor, dass auch die DMP-Programmkostenpauschalen im RSA nicht länger Berücksichtigung findet. Diese bleiben jedoch erhalten.
Die Abschaffung der Erwerbsminderungsrente als Risikomerkmal im Morbi-RSA wird damit begründet, dass Personengruppen wie Rentner, Nichterwerbstätige und Selbstständige keinen Anspruch auf diese Rentenart besitzen. Die Streichung führe hier einerseits zur Gleichbehandlung und beseitige gleichzeitig Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Krankenkassen.
Position der Barmer:
Der Bezug einer Erwerbsminderungsrente (EMR) und die Teilnahme an Disease-Management-Programmen (DMP) waren bis zur Einführung des Morbi-RSA im Jahr 2009 wichtige Bezugsgrößen für den Krankenkassenfinanzausgleich. Ihre Bedeutung hat sich jedoch durch die Morbiditätsorientierung des RSA verändert.
Der Wegfall der Erwerbsminderungszuschläge ist ein richtiger Schritt. Auch die DMP-Programmkostenpauschale sollte abgeschafft werden, wie dies im Übrigen auch der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt. Die Verwendung von Hilfsgrößen zur Abbildung der Morbidität der Versicherten führt zu Überkompensationen und zu Wettbewerbsverzerrungen unter den Krankenkassen.
Um die Präventionsorientierung des RSA zu stärken, ist die Einführung einer Vorsorgepauschale geplant. Mit dieser sollen Anreize für die Krankenkassen geschaffen werden, die Inanspruchnahme von Präventionsmaßnahmen ihrer Versicherten zu fördern: Nehmen ihre Versicherten an Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen teil, erhalten Krankenkassen zukünftig im Rahmen des Finanzausgleichs eine Pauschale.
Die Personengruppe, für welche die Krankenkassen eine Vorsorgepauschale erheben kann, ist eindeutig abgegrenzt. Zuschläge werden ausschließlich für versichertenindividuell abgerechnete ärztliche Regelleistungen im Bereich der Mutterschaftsvorsorge, Gesundheits- oder Früherkennungsuntersuchungen, zahnärztlicher Individualprophylaxe-Leistungen sowie Schutzimpfungen gewährt.
Position der Barmer:
Die politische Absicht, stärkere Anreize für Prävention in der Gesundheitsversorgung zu setzen, ist richtig. Grundsätzlich ist die Berücksichtigung von Prävention im Kassenfinanzausgleich jedoch systemfremd.
Die Krankenkassen müssen zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit eine Rücklage bilden und dies in ihrer Satzung festlegen. Im Gesetzgebungsverfahren haben sich die Koalitionsfraktionen auf eine dauerhafte Absenkung der gesetzlichen Mindestrücklagen der Krankenkassen geeinigt. Musste die Mindestreserve bislang mindestens ein Viertel (25 %) einer Monatsausgabe betragen, so wird sie künftig auf ein Fünftel (20 %) einer Monatsausgabe abgesenkt. Gleichzeitig werden die Krankenkassen verpflichtet, bei Unterschreitung der Mindestreserve diese schneller wieder aufzufüllen; der zeitliche Rahmen zur Wiederauffüllung des Rücklagesolls wird verkürzt.
Position der Barmer:
Die dauerhafte Absenkung der Mindestreserve ermöglicht den Krankenkassen größere Handlungsspielräume bei ihrer Haushaltsplanung. Die Begrenzung der Mindestrücklage auf ein Viertel einer Monatsausgabe war nicht mehr zeitgemäß. Sie stammte aus einer Zeit, in der die Krankenkassen ihr Einnahmerisiko noch vollständig zu tragen hatten. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 trägt dieses Risiko jedoch nicht mehr die einzelne Krankenkasse, sondern der Fonds als Ganzes.
Der Gesetzentwurf sieht eine Neufassung des Haftungssystems der gesetzlichen Krankenkassen vor, um Verwerfungen im Wettbewerb der Kassen zu beseitigen. Kommt es zur Schließung, Auflösung oder Insolvenz einer Krankenkasse, soll es keine vorrangige Haftung der Krankenkassen derselben Kassenart mehr geben. Stattdessen haften in Zukunft alle Krankenkassen für die Verpflichtungen einer aufgelösten oder geschlossenen Kasse. Dem GKV-Spitzenverband kommt dabei die Aufgabe zu, im Haftungsfall die entstehenden Kosten auf Grundlage eines fairen Verteilungsschlüssels bei allen Krankenkassen geltend zu machen.
Bei der Aufbringung der finanziellen Mittel durch den GKV-Spitzenverband muss primär die Mitgliederzahl der Kassen berücksichtigt werden. Übersteigt der zu finanzierende Haftungsbetrag innerhalb eines Kalenderjahrs die Schwelle von 350 Mio. Euro, so wird auch die Höhe der Finanzreserven der einzelnen Kassen einbezogen. Für den GKV-Spitzenverband wird die Möglichkeit geschaffen, zur Zwischenfinanzierung der aufzubringenden finanziellen Mittel ein zinsloses Darlehen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds aufzunehmen.
Position der Barmer:
Die Neuordnung des Haftungssystems ist richtig. Gerät eine Kasse in finanzielle Schieflage, haften bisher zunächst die Kassen der gleichen Kassenart. Diese Haftungsverbünde haben mittlerweile ihre Funktionsfähigkeit verloren. Deshalb ist eine gesetzliche Haftung des gesamten Krankenkassensystems notwendig, damit besonders kleine Kassen im Falle der Haftung nicht überfordert werden. Richtig ist auch, dass sich die Höhe des Sanierungsbeitrags einer Kasse anders als heute nach den Mitgliederzahlen und auch nach dem Vermögen der Kassen richten soll.
Der Referentenentwurf des GKV-FKG sah eine bundesweite Öffnung aller gesetzlichen Krankenkassen vor. Damit wäre eine einheitliche Rechtsaufsicht über (fast) alle Kassen durch das BVA einhergegangen. Ziel der Regelung war die Stärkung des Wettbewerbs unter den Krankenkassen.
Stattdessen sieht der Kabinettsentwurf nun eine Weiterentwicklung der Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustausches der Aufsichtsbehörden vor, um das Aufsichtshandeln zu harmonisieren. Die Aufsichtsbehörden werden dazu verpflichtet, sich zweimal im Jahr zu treffen, um sich über aufsichtsrechtliche Maßnahmen und Gerichtsentscheidungen sowie über die von ihnen genehmigten Satzungsregelungen der Krankenkassen zu unterrichten.
Den Krankenkassen wird zudem die Möglichkeit gegeben, gegen wettbewerbswidriges Verhalten anderer Krankenkassen zu klagen. Bleibt die zuständige Aufsichtsbehörde untätig, so kann eine Kasse zukünftig bei Rechtsverstößen der Wettbewerber eigenständig handeln. Klagen kann sie unter anderem auch beim Angebot unzulässiger Satzungsleistungen oder bei Manipulationen des Risikostrukturausgleichs. Im Unterschied zum Referentenentwurf geht der Rechtsweg bei Wettbewerbsklagen wegen RSA-Manipulationen nun wieder zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, welches auch für alle anderen Klagen aufgrund von Rechtsverstößen bei der RSA-Durchführung zuständig ist.
Position der Barmer:
Die Aufsplittung der Aufsichtszuständigkeiten über die Krankenkassen zwischen Bund und Ländern führt zu unterschiedlichen Auffassungen der Bundes- und Länderaufsichten hinsichtlich des Kassenhandelns. Es ist deshalb wichtig, dass die Rahmenbedingungen bei der Aufsichtspraxis für bundes- und landesunmittelbaren Kassen einheitlich und verbindlich sind. Dies ist die Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb. Die von der Bundesregierung geplanten Regelungen für eine bessere Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden sind ein richtiger Schritt. Dieser reicht jedoch bei weitem nicht aus. Wirksamer wäre eine einheitliche Aufsicht für alle Kassen durch das BVA.
In einer Reihe fachfremder Regelungen haben sich die Koalitionsfraktionen auf ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln verständigt.
So wird eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, damit die Bundesoberbehörden vorsorglich oder im Falle eines versorgungsrelevanten Lieferengpasses geeignete Maßnahmen anordnen können. Dazu zählen etwa die Kontingentierung von Arzneimitteln oder die Anordnung von Maßnahmen zur Lagerhaltung.
Daneben wird ein Beirat zu Lieferengpässen bei Arzneimitteln beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingerichtet. Seine Aufgabe ist es, die Versorgungslage zu beobachten und zu bewerten. Das BfArM wird verpflichtet, eine aktuelle Liste versorgungsrelevanter und versorgungskritischer Wirkstoffe zu erstellen. Diese sowie gemeldete Lieferengpässe soll das Institut auf seiner Internetseite bekannt machen.
Darüber hinaus werden die Apotheken berechtigt, bei Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels, ein anderes wirkstoffgleiches, auch nicht rabattiertes Arzneimittel, abzugeben. Um Patienten in diesem Zusammenhang vor finanziellen Belastungen zu schützen, werden die Kassen verpflichtet, künftig etwaige Mehrkosten zu übernehmen, wenn das wirkstoffgleiche Austauschpräparat nicht zu einem bestehenden Festbetrag verfügbar ist.
Position der Barmer:
Die Regelungen zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln sind grundsätzlich sinnvoll und können mehr Transparenz schaffen, um Arzneimittel-Lieferengpässen entgegenzuwirken.
Die Neuregelung zum Schutz vor finanziellen Belastungen der Patienten im Fall der Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels sind nachvollziehbar. Wichtig ist, dass die wirtschaftlichen Folgen der Neuregelung zur erweiterten Abgabeberechtigung durch die Apotheker engmaschig evaluiert werden.