Schon seit der Antike gelten lange, dichte Wimpern als ein weibliches Schönheitsideal. Und genauso lange versuchen Frauen auch, der Natur nachzuhelfen, etwa mit Vorläufern des heutigen Mascara. Einen stärkeren Effekt versprechen künstliche Wimpern oder sogenannte Extensions, also Verlängerungen. Das neueste Wundermittel ist ein Serum, allerdings mit Nebenwirkungen.
Als 2008 das erste Wimpernserum auf den Markt kam, klang es fast zu schön, um wahr zu sein: Einfach täglich etwas von dem Wimpernserum wie einen Eyeliner auf das Augenlid auftragen, und nach vier bis sechs Wochen erfüllt sich der Traum von langen, dichten Wimpern. Und tatsächlich berichteten Anwenderinnen begeistert von Erfolgen. Inzwischen gibt es etwa 20 solcher Seren, die sich hauptsächlich im Preis unterscheiden. Was sie dagegen eint, ist der Hauptinhaltsstoff. Die meisten verwenden nämlich Varianten des Gewebehormons Prostaglandin. Der Grund dafür basiert auf einem Zufall. „Ursprünglich wurden Prostaglandin-Abkömmlinge zur Behandlung von Glaukom-Patienten eingesetzt. Um den Augeninnendruck zu senken, erhielten sie Augentropfen mit diesem Wirkstoff. Als Nebenwirkung wurde bei ihnen ein stärkeres Wimpernwachstum festgestellt. Diesen Effekt hat sich die Kosmetikindustrie zu Nutze gemacht und daraus Wimpernseren entwickelt“, erklärt Dr. Utta Petzold, Dermatologin bei der Barmer.
Vor- und Nachteile abwägen
Allzu sorglos sollten Verbraucher jedoch nicht zu einem Wimperserum greifen. Schließlich sind darin pharmakologisch wirksame Substanzen enthalten, weshalb auch hier die alte Weisheit gilt: keine Wirkung ohne Nebenwirkung, und davon kann es bei dem angesagten Wimpern-Booster eine ganze Reihe geben – angefangen bei vergleichsweise harmlosen Kopfschmerzen über Reizungen der Augen, einer verminderten Sehschärfe bis hin zu einer stärkeren Pigmentierung der umliegenden Haut. Nach Absetzen des Serums verschwinden zwar die meisten diese Nebenwirkungen wieder, allerdings sind nicht alle reversibel. So kann es beispielsweise zu einer verstärkten Pigmentierung der Iris kommen. Im Extremfall können nach zwölf-monatiger Anwendung blaue Augen sogar braun werden – und dieser Effekt bleibt.
Einstufung als Kosmetikprodukt
Welche Nebenwirkungen und Langzeitfolgen die Anwendung eines solche Wimpernserums hat, ist bislang nicht vollständig geklärt. „Das Problem ist die Einstufung als Kosmetikprodukt. Dadurch sind nur wenige Tests und Nachweise notwendig. Würden prostaglandinhaltige Wimpernseren als Arzneimittel eingestuft, müssten die Hersteller Studien über die Wirksamkeit, die Sicherheit und die pharmazeutische Qualität vorlegen. Das würde für Transparenz sorgen“, so Petzold.
Blick in die Zukunft
Das Fraunhofer-Institut Potsdam hat 2016 ein Serum entwickelt, das ähnlich wirksam sein soll wie die prostaglandinhaltigen Produkte. Vorteil: Es handelt sich um ein reines Naturprodukt, das sehr gut verträglich sein soll und bisher keine Nebenwirkungen zeigt. Derzeit wird ein Verfahren zur optimalen Anwendung entwickelt, und es wird weiter getestet. Auf dem Markt erhältlich ist es aber bisher noch nicht. Wer kein Risiko eingehen möchte, greift statt zu einem Serum lieber zu Mascara.
Info
Bereits 2011 hat das Bundesamt für Risikobewertung die Einstufung als Kosmetikprodukt kritisiert, und auch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte stufte prostaglandinhaltige Wimpernseren als sogenannte Funktionsarzneimittel ein. Allerdings führte der Widerspruch eines Herstellers dazu, dass bisher noch keine Entscheidung dazu getroffen wurde. Daher sind die Produkte bis heute als Kosmetika frei verkäuflich. Hinweise zur Produktsicherheit oder zu möglichen Nebenwirkungen sind aufgrund dieser Einstufung sehr unterschiedlich oder fehlen ganz. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit warnt daher vor der Verwendung prostaglandinhaltiger Wimpernwachstumsseren.