Was einst als Modeerscheinung oder Trend belächelt wurde, ist heute längst gesellschaftsfähig – der Veganismus. Der Verzicht auf tierische Produkte findet heutzutage sowohl bei der Ernährung als auch bei der Wahl der Kleidung großen Anklang. Doch wie sieht es bei Arzneimitteln aus?
Ob aus Gründen des Umweltschutzes oder dem Tierwohl zu Liebe – mehr als eine Million Menschen in Deutschland verzichten auf tierische Produkte und leben oder ernähren und bekleiden sich vegan. Somit ist für Veganerinnen und Veganer der Lederschuh, die Reinigungsmittel mit tierischen Substanzen sowie Lebensmittel wie Eier, Milch oder Honig Tabu. Insbesondere Supermärkte oder Restaurants in Großstädten sind darauf bereits seit einiger Zeit eingestellt. Doch spätestens in der Apotheke stellt sich immer öfter die Frage, ob das benötigte Arzneimittel tatsächlich etwas für den veganen Haushalt ist. „Hierbei geht es nicht nur um die Inhaltsstoffe, also Wirk- und Hilfsstoffe in einem Medikament. Ebenso betrachtet man die Entstehung und Entwicklung des Arzneimittels. Denn im Laufe der Zulassung eines neuen Arzneimittels werden oft klinische Studien an Tieren vorgenommen“, sagt Heidi Günther, Apothekerin bei der Barmer. Dies macht die Beratung veganer Menschen in einer Apotheke hin und wieder zu einer echten Herausforderung.
Welche Bestandteile in medizinischen Produkten sind nicht vegan?
Nicht immer ist die Zuordnung der Wirk- und Hilfsstoffe in Arzneimitteln einfach. Insbesondere da Patientinnen und Patienten sowie Apothekerinnen und Apotheker auf die Angaben des Herstellers angewiesen sind. Bei einigen ist jedoch die Sachlage eindeutig. Beispielsweise ist Gelatine ein tierisches Produkt und wird oftmals für Medikamente verwendet, die in Kapseln erhältlich sind. Alternativ bieten sich Kapseln aus Stärke oder Carragen an. „In Cremes und Salben ist zudem oft Bienenwachs enthalten, wodurch diese ebenfalls nicht in jedem Fall vegan sind. Hierfür lassen sich jedoch oftmals vegane Alternativen finden. Einige Menschen nehmen zudem das Nahrungsergänzungsmittel Omega-3 ein, welches aus Fischöl gewonnen wird. Wer einen veganen Ersatz wünscht, kann auf Algenpräparate zurückgreifen“, rät Günther. Oft empfiehlt es sich, die Apothekerin oder den Apotheker anzusprechen, um ein alternatives Präparat zu finden. Auch die Kontaktaufnahme zum Hersteller kann Aufklärung bringen.
Fortschritte und Einschränkungen in der Medizin
Jedoch gibt es nicht für jedes Arzneimittel eine Alternative. Beispielsweise gibt es keine veganen Impfstoffe. Diese enthalten in der Regel Stoffe wie Hühnereiweiß, Gelatine oder Lactose. Außerdem werden im Herstellungsprozess tierische Zellkulturen verwendet und die Prüfung erfolgt im Rahmen von Tierversuchen. Allein aus Gründen des Lebensstils sollte jedoch nicht auf wichtige Impfungen oder die Einnahme medizinisch notwendiger Arzneimittel verzichtet werden. Aus gesundheitlicher Sicht ist es daher ratsam, eine solche Entscheidung in enger Absprache mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt zu treffen. Auch wenn es noch immer Situationen gibt, in denen die Medizin veganen Menschen keine Alternative bieten kann, sind eindeutige Fortschritte zu verzeichnen. „Einige Bestandteile können inzwischen auch gentechnisch hergestellt werden. Das ist eine wichtige Entwicklung. Denn anstatt Pankreas aus Schweinen und Rindern zu verwenden, um Insuline herzustellen, können diese nun aus Mikroorganismen gewonnen werden. Heutzutage lassen sich auch viele weitere Hormone und Wirkstoffe über den gentechnischen Weg herstellen“, so Günther.