Zu sehen auf diesem KI generierten Bild ist die Doppelhelix der menschlichen DNA.
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Gentherapien – Hoffnung mit Risiken

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Mit Gentherapien verbinden Millionen Menschen, aber auch die medizinische Forschung und nicht zuletzt die Industrie riesige Hoffnungen. Wir beschreiben in der gebotenen Kürze, wohin sich dieses Forschungsfeld aktuell entwickelt und was Patientinnen und Patienten schon jetzt erwarten können. 

Gene sind ein Wunderwerk der Evolution. Sie enthalten alle Informationen, die Lebewesen und damit auch uns Menschen ausmachen. Augenfarbe, Körpergröße, Geschlecht sind nur einige gut sichtbare Zeichen dafür. Andere wie die Blutgruppe oder innere Organe basieren genauso auf den kleinsten Bausteinen des Lebens. Enthält dieser Bauplan Fehler, ist das zunächst einmal nur Ausdruck einer ganz normalen Weiterentwicklung. Doch können daraus auch schwerwiegende Krankheiten entstehen. Die Grundidee von Gentherapien ist es deshalb, fehlerhafte Gene zu reparieren. „Dafür gibt es prinzipiell verschiedene Möglichkeiten. Entweder kann die Funktion eines defekten Gens von einem in den Körper eingebrachten gesunden Gen übernommen werden, oder man legt ein krankmachendes Gen still. Gentherapien bekämpfen also zumeist nicht nur Symptome einer Erkrankung, sondern deren Ursache“, erklärt Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin der Barmer. Auf diesem Weg lassen sich nicht nur krankmachende Fehler in der Erbinformation beseitigen. Auch für im Laufe des Lebens erworbene Infektionskrankheiten oder Krebs gibt es dadurch neue Behandlungsoptionen, indem man zum Beispiel die Wirkung von Genen im Immunsystem verstärkt. 

Idealfall langfristige Heilung

Gentherapien eröffnen einen bislang unerreichbaren Horizont in der Behandlung vieler Krankheiten. Sie sollen eine langfristige Heilung ermöglichen, wobei im optimalen Fall schon eine einzige Behandlung genügt. Dabei gibt es unterschiedliche Angriffspunkte. Die somatische Gentherapie zielt auf gezielte Reparatur des Erbgutes in Körperzellen. Bei der Keimbahntherapie wird in das Erbgut von Keimzellen (Spermien oder Eizellen oder deren Vorstufen) eingegriffen, um das Erbgut von Nachkommen zu verändern. „Allerdings muss man sich klarmachen, dass Gentherapien noch ein sehr junger Zweig der Medizin sind, der auch noch jede Menge Forschungsbedarf und Risiken birgt und nicht zuletzt auch schwierige ethische Fragen“, so Marschall. Dennoch haben diese Ansätze ein enormes Potenzial und können in Zukunft vielleicht auch Volkskrankheiten heilen. Schon heute gibt es beachtliche Ergebnisse. 

Wege in den Zellkern

Im Prinzip gibt es zwei Methoden, wie Gene in die menschlichen Zellen gelangen, in denen sie wirken sollen. Entweder werden die Gene im Menschen übertragen oder aber man entnimmt den Kranken Zellen, die dann im Labor gentechnisch verändert werden. In beiden Fällen nutzt man Viren, um die Erbinformationen in den Zellkern zu transportieren. Diese Viren sind so verändert worden, dass sie selber nicht mehr krankmachen oder sich verändern könnten. Schlagzeilen machte erst vor Kurzem die „Genschere“ CRISPER/CAS9. Mit dieser Methode soll ein defektes Gen gezielt repariert werden können. In Europa ist dieses Verfahren derzeit aber noch nicht zugelassen.

Gegen welche Krankheiten werden Gentherapien eingesetzt?

„Gentherapien sind heute eher noch die Ausnahme, aber sie sind schon jetzt eine unverzichtbare Waffe im Kampf gegen Erbkrankheiten“, so Marschall. Oft wird diese neue Waffe dort eingesetzt, wo eine Behandlung bislang gar nicht möglich war. Gentherapien kommen zum Beispiel bei der Bluterkrankheit Hämophilie oder bestimmten Krebsformen zum Einsatz, helfen aber bereits auch bei der Sichelzellenanämie, Stoffwechselerkrankungen oder seltenen Fehlbildungen im Auge. „Der schwierigste Teil der Therapie ist dabei immer, das gewünschte Gen oder das Werkzeug für die Reparatur eines Gens in die Zelle zu bringen“, so Marschall. Vereinfacht gesagt, müssen die neuen Gene so lange durchhalten, bis sie in der richtigen Zelle angekommen sind, ohne dass sie in der Zwischenzeit von der körpereigenen Abwehr als Feind vernichtet wurden. Das beschreibt zugleich eines der typischen Risiken von Gentherapien. Denn wenn die neuen Gene auf dem Weg in „ihre“ Zelle Schaden nehmen, kann das selber zu Funktionsstörungen und Erkrankungen führen. Solche Risiken auszuschließen ist zugleich ein wichtiger Grund dafür, dass die Entwicklung von Gentherapien langwierig und teuer ist. An dem Potenzial dieser neuen Waffe der Medizin gegen verschiedenartige Erkrankungen, für die es bislang keine ursächliche Heilung gibt, ändert das aber nichts.