Dr. Utta Petzold, Medizinerin bei der Barmer GEK:
Für die meisten Menschen hat Gähnen eine ansteckende Wirkung. Innerhalb der ersten fünf Minuten nach dem Gähnen des Gegenübers müssen sie ebenfalls gähnen. Ausnahmen sind Kinder unter vier Jahren und Menschen mit einer Entwicklungsstörung, beispielsweise Autisten. Warum das so ist, beschäftigt die Wissenschaftler nach wie vor. Ein Grund dafür scheint zu sein, dass diese Personengruppen die Emotionen ihrer Mitmenschen (noch) nicht eindeutig wahrnehmen können.
Gähnen ist besonders ansteckend, wenn sich Personen emotional nahe stehen. Eine italienische Studie zeigt beispielsweise, dass sich Menschen mit engen sozialen Beziehungen zueinander, also vor allem leibliche Verwandte oder auch enge Freunde, häufiger durch das Gähnen anstecken lassen als von entfernten Bekannten. Auch die Empathiefähigkeit scheint ein Kriterium dafür zu sein, wie empfänglich man für Gähnen ist: Menschen, die sich besonders gut in andere hineinversetzen können, ließen sich in einer Studie öfter durch das Gähnen anderer anstecken.
Übrigens gibt es verschiedene Thesen dazu, warum wir überhaupt gähnen. Nach wie vor weit verbreitet, obwohl bereits widerlegt, ist die Meinung, Gähnen sei eine Folge von zu wenig Sauerstoff im Blut. Mittlerweile gehen viele Wissenschaftler jedoch davon aus, dass das Gähnen zur Regulation der Temperatur im Gehirn dient, indem das tiefe Einatmen von kühler Luft die Temperatur des Bluts und dadurch auch die des Gehirns verringert. Für diese These spricht, dass bei großer Hitze oder Kälte seltener gegähnt wird.