Für die meisten Menschen ist die Atmung ein völlig unbewusster Vorgang. Wie der Herzschlag oder die Verdauung wird auch die Atmung über das vegetative Nervensystem gesteuert. Für uns bedeutet das, dass wir uns keine Gedanken über jeden einzelnen Atemzug machen müssen. Aber wir könnten es, denn die Atmung ist bewusst beeinflussbar. Und das kann man sich zu Nutze machen.
Viele Menschen atmen im Alltag eher flach und im oberen Brustkorbbereich. „Eine flache und schnellere Atmung kennt jeder von uns, beispielsweise, wenn man sich gestresst fühlt oder Angst empfindet. Ist man hingegen entspannt oder schläft, begleitet uns ein tiefer, langsamerer Atem. Medizinisch lässt sich dann beobachten, dass auch der Puls und der Blutdruck sinken, der ganze Körper kommt zur Ruhe“, erklärt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer. Weil die Atmung zwar automatisch abläuft, sie aber auch bewusst beeinflussbar ist, gilt sie als Verbindung zwischen dem menschlichen Bewusstsein und dem Unterbewusstsein. Wer bewusst tief in den Bauch atmet, kann beispielsweise seiner Konzentration auf die Sprünge helfen, denn der erhöhte Sauerstoffgehalt im Blut kommt direkt den Gehirnzellen zugute. Und auch bei Stress kann man mit einer tiefen und langsamen Atmung die innere Anspannung etwas abbauen. Dass aber eine bewusste und tiefe Atmung einen positiven Einfluss darüber hinaus hat, wissen nur wenige. „Eine tiefe Atmung kann bei verschiedenen gesundheitlichen Problemen helfen. Bei Panikattacken oder Angstzuständen gehört eine bewusste und ruhige Atmung zu den ersten Maßnahmen, die der Betroffene im Akutfall ergreifen soll. Menschen mit erhöhtem Blutdruck oder auch Schmerzen können ebenfalls davon profitieren, und auch im Bereich der Migränebehandlung oder verschiedener Lungenerkrankungen soll sie helfen. Hier fehlen allerdings noch Langzeitstudien“, so Marschall.
Selbstwahrnehmung trainieren
Die gute Nachricht: „Gesundes“ Atmen kann man lernen. An erster Stelle steht dabei immer die Schärfung der eigenen Körperwahrnehmung. Ganz praktisch bedeutet das, sich auf die Atmung zu konzentrieren, zu spüren, wie die Luft einströmt, und sie bewusst langsam wieder ausströmen zu lassen. Menschen mit Schlafstörungen kann das helfen, weil sie dann leichter abschalten und sich besser körperlich entspannen können. Bewusstes Atmen kann auch helfen, morgens besser in den Tag zu starten. Einfach im Bett ein paar tiefe Atemzüge nehmen und sich dabei genüsslich strecken.
„Wer das Atmen üben möchte, sollte sich in eine entspannte Position begeben und die Atmung zunächst wahrnehmen, ohne sie zu beeinflussten. Nach einigen Minuten kann man beginnen, die Phase des Ausatmens ein wenig zu verlängern“, rät Marschall. Im Sitzen kann man seiner Atmung besonders gut auf die Schliche kommen. Dazu einfach die Hand auf den Brustkorb legen und spüren, wie sich dieser gleichmäßig hebt und senkt. Wichtig ist es, bewusst in den unteren Brustkorb zu atmen, dann wird der Atem automatisch tiefer. Zur Kontrolle kann man die Hand auch mal auf den Bauch legen und spüren, ob sich der Bauch beim Einatmen auch wirklich nach außen und beim Ausatmen nach innen bewegt. Zum Abschluss kann man die Hände noch seitlich auf die unteren Rippen legen und gegen die Hände atmen. Dadurch wird besonders viel Sauerstoff aufgenommen.