Medizin zu studieren, ist noch immer ein beliebter Karriereweg, für manche sogar der Traumjob. Aber was danach? In einer Klinik arbeiten, sich im öffentlichen Gesundheitsdienst engagieren, eine eigene Praxis betreiben, vielleicht sogar auf dem Land – die Möglichkeiten gestalten sich vielfältig. Gerade dem ländlichen Raum sagt man nach, er sei unattraktiv für Ärztinnen und Ärzte. Kaum einer wolle dort eine Praxis aufmachen. Zwei junge Menschen, die über die Landarztquote zum Medizin-Studium gekommen sind, erzählen, was sie zur Niederlassung auf dem Land motiviert und teilen ihre Perspektiven auf Themen wie Digitalisierung und Delegation.
Ein Landeskind, das bleiben will
„Mein Name ist Nora Brandstetter, ich bin 28 Jahre alt und in einem Vorort von Magdeburg aufgewachsen. Seit mittlerweile sechs Jahren bin ich Gesundheits- und Krankenpflegerin und arbeite auch während meines Studiums noch als solche in einer Notaufnahme. Obwohl ich meinen jetzigen Beruf in der Pflege liebe, habe ich mich entschlossen, noch Medizin zu studieren. So kann ich mein medizinisches Wissen vertiefen und später freier arbeiten. Die Landarztquote war für mich der optimale Einstieg, da ich zwar nicht mit einem perfekten Abitur, aber mit viel Berufserfahrung punkten konnte. Auch die Aussicht auf eine Praxis im ländlichen Sachsen-Anhalt stellt für mich eine Chance dar, zurück in die altbekannten dörflichen Strukturen zu kehren. Schon immer träume ich von einem kleinen Hof mit ein paar Tieren in einem Dorf ohne die Anonymität der Großstadt. Wohin genau es mich verschlagen wird, hängt dabei vor allem auch davon ab, wo ich später die höchste Lebensqualität sehe. Gibt es im Umkreis schöne und bezahlbare Immobilien? Wie weit ist der nächste Supermarkt entfernt? Welche Freizeitmöglichkeiten könnte man in Anspruch nehmen? Eine vorbestehende Praxis mit einem erfahrenen Kollegen wäre ein Traum. So kann man anfangs noch auf viel Expertise zurückgreifen und der ältere Arzt später beruhigt in Rente gehen.“
Medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte sind längst nicht mehr nur die Zuarbeiter für den Arzt, sondern übernehmen immer mehr wichtige Tätigkeiten wie Hausbesuche, Blutentnahmen und Impfungen.
„Die Digitalisierung im Gesundheitssektor empfinde ich vor allem im ländlichen Bereich als überaus wichtig. Virtuelle Sprechstunden erleichtern den Patienten vielerorts das regelmäßige Wahrnehmen von Terminen, da der öffentliche Nahverkehr eher spärlich ausgebaut ist. Auch das Abspeichern gesundheitsbezogener Daten wie Allergien, Medikation und Vorerkrankungen auf der Gesundheitskarte halte ich für durchaus sinnvoll, damit keine wichtigen Informationen zwischen den verschiedenen Versorgungseinrichtungen wie zum Beispiel Krankenhaus, Fach- und Hausarzt verloren gehen. Eine gute Praxis zeichnet sich für mich auch immer durch ein eingespieltes Team an Mitarbeitern aus. Medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte sind längst nicht mehr nur die Zuarbeiter für den Arzt, sondern übernehmen immer mehr wichtige Tätigkeiten wie Hausbesuche, Blutentnahmen und Impfungen. Sie sollten regelmäßig geschult und weitergebildet werden für einen hohen Qualitätsstandard in der ländlichen Versorgung. Alles in allem bin ich sehr dankbar, durch die Landarztquote die Chance auf dieses Studium erhalten zu haben und blicke gespannt auf eine Zukunft als Landärztin.“
Die angehenden Medizinerinnen und Mediziner, die über die Landarztquote studieren, verpflichten sich, nach dem Studium und der anschließenden Facharztweiterbildung für mindestens zehn Jahre in der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten oder drohend unterversorgten Regionen im Land tätig zu sein. Bei den bisherigen Bewerbungsdurchgängen konnten von rund 440 Bewerbungen aus dem gesamten Bundesgebiet 60 zukünftige Landärztinnen und Landärzte für Sachsen-Anhalt gewonnen werden.
Vom Operationstechnischen Assistenten zum Landarzt
„Mein Name ist Raschad El Sayed Nasr und ich bin 31 Jahre alt. Ich bin in Hannover und in Landesbergen, einem Dorf bei Nienburg/Weser, aufgewachsen und habe am Klinikum in Hameln, in Kooperation mit dem Friederikenstift Hannover, meine Ausbildung zum Operationstechnischen Assistenten absolviert. Mein Interesse an der Medizin begleitete mich schon früh. Besonders die Verbindung zwischen den Naturwissenschaften und das Verstehen des menschlichen Körpers, von der kleinsten menschlichen Zelle an, zusammen mit der Möglichkeit den Menschen ein Stück weit auf seinem Lebensweg zu begleiten, faszinierten mich sehr. Der Unfall meines Vaters und sein mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt, in dem auch ich einige Zeit im Krankenhaus verbrachte, machten aus diesem Interesse eine Leidenschaft. Fragen wie: ‚Wie kann sich ein Mensch mit geöffnetem knöchernem Schädel mit mir unterhalten?‘ und ‚Wie ist es möglich, dass man Platten aus Metall an einen Knochen im Körper schrauben kann?‘ haben mich zum Nachdenken gebracht. Da mein Notendurchschnitt im Abitur kein sofortiges Medizinstudium zuließ, überlegte ich, wo ich die meisten Eindrücke ausgeführter Medizin erleben könnte. Ich absolvierte ein Pflegepraktikum auf der neonatologischen Station der Medizinischen Hochschule Hannover, entschied mich aber zu einer Ausbildung zum Operationstechnischen Assistenten. Ich gewann in dieser Ausbildung Einblicke in viele Bereiche des Krankenhauses und durfte bei Operationen der verschiedensten Fachrichtungen instrumentieren. Mir wurde allerdings auch klar, dass für mich eine lebenslange Arbeit in einem Krankenhaus nicht in Frage kommt.“
Ich glaube, dass ohne ein großes Maß an Digitalisierung eine flächendeckende gesundheitliche Versorgung in Zukunft nicht möglich sein wird.
„In mir wuchs der Entschluss, später in einer Landarztpraxis zu arbeiten und ich beschloss, mich bei den Landarztquoten-Verfahren der Bundesländer zu bewerben. Ich entschied mich durch die Nähe zur Heimat für Sachsen-Anhalt und studiere nun seit dem Jahr 2021 an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Später möchte ich mich Richtung Altmark orientieren und kann mir vorstellen, auch nach meiner Pflichtzeit weiter in Sachsen-Anhalt wohnen zu bleiben. Durch das Mentorenprogramm der Klasse ‚Hausärzte‘ habe ich die Möglichkeit, Einblicke in eine Hausarztpraxis zu gewinnen und hier fällt mir besonders der ‚begleitende‘ Faktor in der Rolle des Arztes auf. Ich glaube, dass ohne ein großes Maß an Digitalisierung eine flächendeckende gesundheitliche Versorgung in Zukunft nicht möglich sein wird. Der Aufwand der Erhebung analoger Daten und deren manueller Digitalisierung nehmen immer mehr Zeit in Anspruch. Oftmals muss man trotz digitaler Formulare zusätzlich Formulare in Papierform ausfüllen. Besonders durch meine Ausbildung ist mir klargeworden, wie wichtig eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist. Ohne großes Vertrauen und gute Zusammenarbeit im Team ist die Bewältigung des großen Patientenaufkommens heutzutage nicht mehr möglich. Da ich selbst in einem relativ neuen Ausbildungsberuf gearbeitet habe, stehe ich dem sehr offen gegenüber.“