In einigen Regionen besteht schon jetzt dringender Handlungsbedarf, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. Noch bevor die Grundlagen für eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung geschaffen werden, sind deshalb kurzfristige Entscheidungen des Gesetzgebers notwendig, um entsprechend der vorhandenen regionalen Ressourcen und Versorgungsbedarfe passende Versorgungsstrukturen aufzubauen.
Interdisziplinäre und intersektorale Zusammenarbeit organisieren
- Vordringlich muss die wohnortnahe Versorgung in ländlichen Regionen zukunftssicher gestaltet werden. Im Zentrum steht dabei die Etablierung von integrierten Versorgungsformen in Bereichen, in denen mittelfristig Versorgungsengpässe entstehen können – etwa infolge der demographischen Entwicklung innerhalb der Ärzteschaft sowie der zunehmenden Ambulantisierung. Das Modell der Intersektoralen Gesundheitszentren (IGZ) bietet zum Beispiel eine konzeptionelle Grundlage für die Weiterentwicklung von kleinen Klinikstandorten zu regionalen Versorgungszentren.
Regionale Versorgungszentren (RVZ)
- Um die Versorgung in dünnbesiedelten Regionen sicherzustellen, müssen alternative Praxis- und Kooperationsmodelle geschaffen werden, in denen Ärztinnen und Ärzte sowie Fachkräfte in nichtärztlichen Heilberufen die Patientinnen und Patienten auf Grundlage evidenzbasierter Behandlungspfade leiten – analog zu den DMP-Prozessen. Bestehende Arztnetze, Praxisnetze und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) können mit Hilfe digitaler Lösungen noch stärker mit regionalen Versorgungszentren und den regionalen Grundversorgern kooperieren.
- Mit einer engen Kooperation unterschiedlicher regionaler Leistungserbringer (wie MVZ oder IGZ, Praxen, Pflegeeinrichtungen und unterschiedlicher Gesundheitsberufe) kann die Versorgung in regionalen Versorgungszentren gestaltet werden. Wesentlich für die Versorgung ist, dass die medizinischen und pflegerischen Ressourcen insbesondere für ambulante Eingriffe und Behandlungen, einschließlich kurzzeitiger Überwachung, zur Verfügung stehen. Doppeluntersuchungen und Fehlabläufe in der Versorgung aufgrund von Unkenntnis und mangels Abstimmung zwischen den Leistungserbringern müssen vermieden werden.
- Vernetzung, Kooperation, Bündelung von Ressourcen und Einbeziehung möglichst vieler regionaler Leistungserbringer wie auch von Pflegeeinrichtungen in ein regionales Versorgungsnetz bilden die Grundlage für eine patientenorientierte Versorgung. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, der im Wesentlichen populationsbezogene Maßnahmen koordiniert. Dies umfasst auch Angebote wie zum Beispiel Gesundheitskioske, die nicht nur zu medizinischen Fragen, sondern überwiegend zu Sozialleistungen der öffentlichen Hand beraten.
Gesetzliche Restriktionen für Pilotprojekte lockern
- Für einen begrenzten Zeitraum sollten Möglichkeiten für Pilotprojekte zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung geschaffen werden, in denen die gesetzlichen Beschränkungen und Hemmnisse des überregulierten Systems ausgesetzt werden können. Gemeint sind damit insbesondere gesetzliche Normierungen und Regelungen zur Bedarfsplanung, zum Zulassungsstatus, zur persönlichen Präsenz, zur Vergütung sowie zur Datenanalyse und des Datentransfers. Ein flexibler Handlungsrahmen ist erforderlich, um die vorhandenen Ressourcen zu stärken und dem bereits begonnenen ruinösen Wettbewerb im Krankenhausbereich sowie den Qualitätsmängeln schnellstmöglich Alternativen entgegen setzen zu können.
- Die Transaktionskosten können auf verschiedene Art und Weise aufgebracht werden. Für den Aufbau sektorenübergreifender Strukturen in der Regelversorgung sollten insbesondere Mittel aus dem Innovationsfonds unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden. Die Regelungen zur Mittelvergabe durch den Innovationsfonds müssen dazu angepasst werden.
- Um den Strukturwandel beschleunigen zu können, nutzen die Krankenkassen insbesondere bei Finanzierung und Vergütung den flexiblen Handlungsrahmen, damit Patientinnen und Patienten auch in der Übergangszeit qualitäts- und bedarfsgerecht in der Region versorgt werden können. Darüber hinaus sollen Erkenntnisse und Daten aus Pilotprojekten für die sektorenübergreifende Versorgungsplanung genutzt werden.
- Es werden gezielt weitere innovative Elemente für die Versorgung in Pilotprojekten getestet. Hierzu zählen telemedizinische Angebote wie Videosprechstunden, die interprofessionelle Zusammenarbeit, die Übertragung von mehr Verantwortung auf Pflegefachpersonal in Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten zur Fachkräftesicherung, die Delegation heilkundlicher Tätigkeiten auf Community Health Nurses, sowie die bundeslandübergreifende Einbeziehung von Versorgungsangeboten.