Die Alterung der Gesellschaft stellt die soziale Pflegeversicherung vor immer größere Herausforderungen. Die Leistungen der Pflegeversicherung wurden in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet. So wurden mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff etwa für an Demenz Erkrankte erstmals umfangreiche Leistungen eingeführt. Dennoch muss die Pflegeversorgung in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden. Dazu gehört, dass mehr Fachkräfte als bisher neu gewonnen und langfristig in der Pflege gehalten werden müssen. Die Digitalisierung muss auch im Pflegebereich weiter ausgebaut werden, Beschäftigte benötigen eine digitale Weiterbildung. Dies kann nicht durch die beitragsfinanzierte Pflegeversicherung allein gelingen. Daher sind eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung und eine breitere Einnahmebasis unerlässlich.
Pflegebedürftige sollen selbstbestimmt im eigenen Zuhause leben und dort gepflegt werden können, wenn sie dies wünschen. Die Pflegeversicherung muss die Kosten für digitale Assistenztechnologien übernehmen können, wenn sie einen nachgewiesenen pflegerischen Nutzen für pflegebedürftige Menschen haben. Durch den Einsatz digitaler Assistenztechnologien in der pflegerischen Versorgung können zum Beispiel kognitive Fähigkeiten, soziale Interaktion und Kommunikation von Pflegebedürftigen gefördert werden.
Der Start für den Anschluss der Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur hat im vergangenen Jahr mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz begonnen – dies ist ein Meilenstein für die Nutzung der digitalen Angebote in der Pflege. Die neuen Möglichkeiten müssen in den nächsten Jahren umfassend zur Verbesserung der Versorgung der Pflegebedürftigen und zur besseren Kommunikation zwischen den Leistungserbringern genutzt werden.
Digitale Angebote beschleunigen zudem die Kommunikation der Versicherten mit ihrer Pflegekasse: Ein Online-Pflegeantrag bietet Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen eine Entlastung von Bürokratie. Auch schnelle digitale Verfahren zum Antrag auf Leistungen der Häuslichen Krankenpflege unterstützen Pflegebedürftige und Pflegedienste gleichermaßen.
Eine hohe pflegerische Qualität unabhängig vom Ort der Leistungserbringung ist für Pflege-bedürftige elementar. Wichtig sind daher hohe Qualitätsstandards auch für alle pflegerischen Einrichtungen des betreuten Wohnens und in Pflegewohngemeinschaften. Untersuchungen zeigen sehr unterschiedliche Regelungen der Bundesländer. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb es in diesen Einrichtungen deutlich weniger Qualitätssicherung und -transparenz als im stationären Bereich gibt. Die Länder müssen daher dafür sorgen, dass in jedem Bundesland eine Stelle geschaffen wird, die für die nötige Transparenz sorgt und eine Übersicht über das Leistungsspektrum und die Pflegequalität der Anbieter schafft.
Für Pflegebedürftige ist die Möglichkeit einer Kombination der Leistungen aus Kurzzeit- und Verhinderungspflege von großem Vorteil. Sie werden damit in die Lage versetzt, die finanziellen Mittel individuell und bedarfsgerecht einzusetzen. Allerdings dürfen die Leistungen der Tagespflege nicht in das Budget der Kurzzeit- und Verhinderungspflege mit einfließen. Es muss weiterhin bei einem eigenen Leistungsanspruch bleiben, um dieses Angebot der Pflegeversicherung zu stärken.
Es werden mehr Investitionsmittel der Länder für Tages- und Kurzzeitpflegeplätze benötigt, um den steigenden Bedarf der Pflegebedürftigen nach attraktiven und qualitativ hochwertigen Betreuungskonzepten erfüllen zu können. Andernfalls können die Entlastungsleistungen nicht adäquat abgerufen werden.
Um Pflegebedürftige finanziell zu entlasten, sollten die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung einmalig angehoben werden. Damit könnten die Mehrbelastungen ausglichen werden, die der Pflegeversicherung entstehen, wie etwa die Einführung von flächendeckenden Tariflöhnen. Bereits mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz wurde der Beitragssatz entsprechend angepasst.
Die Absicherung des Pflegerisikos ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der erstmalige Steuerzuschuss in Höhe von 1,8 Milliarden Euro, den die Pflegeversicherung im Rahmen des Konjunkturpakets aus dem Bundeshaushalt erhalten hat, war deshalb eine richtige Maßnahme. Um die Pflegeleistungen dynamisieren zu können, bedarf es jedoch einer umfassend abgesicherten Finanzierung der Pflegeversicherung. Der dafür notwendige Steuerzuschuss sollte verstetigt werden und im Gleichschritt mit den Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung ansteigen.
Es gehört zu den Aufgaben der Bundesländer, die Investitionskosten für Pflegeeinrichtungen und die Ausbildungsumlagen für Pflegeschulen zu tragen. Dieser Aufgabe kommen die Länder jedoch nicht in ausreichendem Maße nach, was auch zu erhöhten finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen führt. Um eine Überforderung der Pflegebedürftigen und Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu vermeiden, müssen die Länder ihren finanziellen Verpflichtungen verbindlich nachkommen.
Aufgrund unterschiedlicher Risikoverteilung hat die soziale Pflegeversicherung deutlich mehr Kosten für die Versorgung ihrer Versicherten zu tragen als die private Pflegeversicherung. Zur Entlastung der sozialen Pflegeversicherung ist deshalb die Einführung eines Finanzausgleichs zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung notwendig.
Die Attraktivität der Pflegeberufe muss durch bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter gesteigert werden. Untersuchungen für ein bundesweites Personalbemessungsinstrument für die Altenpflege zeigen, dass mehr Anstrengungen insbesondere zur Gewinnung von Pflegeassistenzkräften erforderlich sind. Die Bundesländer sind gefordert, dies in ihrer Finanzplanung zu berücksichtigen.