Die soziale Pflegeversicherung befindet sich in einer schwierigen Finanzsituation, denn die Kosten für die pflegerische Versorgung wachsen stetig. Die Gründe dafür sind vielfältig: So steigt die Lebenserwartung der Menschen (glücklicherweise) weiter an, sodass in den nächsten Jahren mit einem weit größeren Anstieg der Zahl an Pflegebedürftigen zu rechnen ist als bisher prognostiziert. Umfassende Leistungsausweitungen, der Anstieg der Löhne durch die neue Tarifbindung in der Pflege und nicht zuletzt die hohen gesamtgesellschaftlichen Kosten, die die soziale Pflegeversicherung während der Corona-Pandemie übernehmen musste, haben die Reserven der Pflegeversicherung unter das gesetzlich vorgegebene Mindestniveau schrumpfen lassen. Gleichzeitig entstehen dem System der Pflegeversicherung durch die gestaffelten Zuschläge der pflegebedingten Eigenanteile in der stationären Langzeitpflege Mehrausgaben in Milliardenhöhe.
Diese Situation erfordert ein schnelles Handeln des Gesetzgebers. Notwendig ist nicht nur eine Finanzierungsreform für die Pflegeversicherung, sondern auch eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten für die Finanzierung zwischen Bund, Ländern und der Pflegeversicherung. So stellt die Finanzierung der Ausbildung von Pflegekräften und sonstigem Gesundheitspersonal in Pflegeeinrichtungen eine öffentliche Aufgabe dar und muss deshalb auch grundsätzlich über Steuern finanziert werden. Systemfremd wäre in der stationären Pflege eine vollständige Verlagerung der Kosten für die medizinische Behandlungspflege in die gesetzliche Krankenversicherung. Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz ist zum 01.07.2023 eine Beitragssatzerhöhung vorgesehen. In diesem Zusammenhang erfolgt auch die Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung der Zahl der Kinder bei den Pflegebeiträgen.
Die Finanzierung der Pflegeversicherung muss dauerhaft sichergestellt werden. Dazu ist eine verbindliche jährliche Dynamisierung des im Jahr 2022 eingeführten Bundeszuschusses in Höhe von einer Milliarde Euro notwendig. Die Höhe der Dynamisierung sollte sich an einer wirtschaftlichen Kenngröße, wie zum Beispiel der Grundlohnrate, ausrichten.
Die Pflegekassen sind in der Pandemie für gesamtgesellschaftliche Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe aufgekommen. Dabei handelt es sich besonders um Mindereinnahmen und Mehrausgaben von Pflegeeinrichtungen. Die in den letzten Jahren getätigten coronabedingten Ausgaben müssen vollständig durch öffentliche Mittel finanziert werden, so sieht es auch der Koalitionsvertrag vor. Im Rahmen einer Finanzierungsreform sollte zudem auf die Verpflichtung zur Rückzahlung der Kredite verzichtet werden, die die Pflegeversicherung zur Liquiditätssicherung aufnehmen durfte.
Die Pflegekassen haben während der Corona-Pandemie aber auch bei der Umsetzung der Entlastungspakete der Bundesregierung Aufgaben übertragen bekommen, die hoheitlicher Natur sind und deshalb in der Verantwortung des Staates liegen.
Die Finanzierung der Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, verantwortlich dafür ist nicht die soziale Pflegeversicherung, sondern der Bund. Eine schnelle Umsetzung dieses im Koalitionsvertrag formulierten Vorhabens ist notwendig, um die Pflegeversicherung finanziell zu entlasten.
Die Leistungsansprüche in der sozialen und der privaten Pflegeversicherung sind identisch. Durch die günstigere Altersverteilung und Pflegeprävalenz weist die private Pflegeversicherung ein deutlich geringeres Ausgabenniveau auf. Bei gleichem Leistungsrecht und identischen Beurteilungskriterien sind die durchschnittlichen Leistungsausgaben der privaten Pflegeversicherung weitaus niedriger als die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung. Die private Pflegeversicherung verfügt zudem über erhebliche Rücklagen. Es ist daher wichtig, einen solidarischen Finanzausgleich zwischen beiden Systemen einzuführen, dieser könnte die soziale Pflegeversicherung erheblich entlasten.